Die Vergessenen der Arbeitswelt 05.08.2025, 12:00 Uhr

Warum Deskless Worker endlich mehr Aufmerksamkeit brauchen

Während Themen wie New Work oder hybrides Arbeiten in vielen Diskussionen rund um Ingenieurinnen in der Entwicklung oder Projektleitung fest etabliert sind, bleibt eine große und ebenso zentrale Gruppe oft unbeachtet: Fachkräfte ohne festen Schreibtischarbeitsplatz – sogenannte Deskless Worker.

Arbeitswelt im Wandel: Wie Deskless Mitarbeitende von Digitalisierung und Flexibilität profitieren können. Foto: PantherMedia / christian lagerek

Arbeitswelt im Wandel: Wie Deskless Mitarbeitende von Digitalisierung und Flexibilität profitieren können.

Foto: PantherMedia / christian lagerek

Gerade im technischen Umfeld – etwa in der Produktion, im Service oder auf Baustellen – arbeiten Ingenieur*innen tagtäglich mit diesen Mitarbeitenden zusammen oder entwickeln Lösungen für deren mobile, oft dynamische Arbeitsrealität. – Interview mit Prof. Dr. Peter M. Wald – Professor für Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig . Seit Jahren bietet er Interessenten aus der Personalerszene und darüber hinaus Veranstaltungen zu Innovationen im Personalmanagement an.

Herr Professor Wald, wie definieren Sie die Begriffe „Deskless Worker“, „Blue-Collar“ und „Frontline Worker“ – und wie klar sind diese Unterscheidungen in Unternehmen überhaupt verankert?

Es geht hier zunächst um die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Office Workern („im Büro Tätige“) und den Mitarbeitenden, die ihre Arbeit nicht am Schreibtisch und fast immer in physischer Präsenz am Ort der Arbeit zu einer vorgegebenen Zeit verrichten müssen. In vielen deutschen Unternehmen wird für Deskless Worker oft auf den Begriff gewerbliche Arbeitnehmer zurückgegriffen. Blue Collar Worker ist das englische Pendent für gewerbliche Arbeitnehmer. Der Begriff Frontline Worker wird für Mitarbeiter mit Kundenkontakt benutzt. Mit dem noch ungewohnten Begriff Deskless Work sollen die Gemeinsamkeiten der Mitarbeiter ohne Schreibtisch herausgearbeitet und für die Besonderheiten der betreffenden Tätigkeiten sensibilisiert werden. Dies scheint dringend nötig, weil sich die meisten Diskussionen zur Flexibilisierung der Arbeit derzeit fast ausschließlich um die Themen Homeoffice oder hybride Lösungen drehen.

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Auch die Vorteile der digitalen Transformation kommen bei dieser Mitarbeitergruppe bislang nur teilweise an. Dies beeinträchtigt die Attraktivität der betreffenden Tätigkeiten und stellt die Unternehmen vor zunehmende Herausforderungen bei der Gewinnung und Bindung der Deskless Worker. Mittlerweile richten deshalb auch die renommierten Unternehmensberatungen, wie die Boston Consulting Group, ihren Beratungs-Fokus verstärkt auf diese Mitarbeitergruppen.

Was Deskless Worker wirklich brauchen

Sie beschäftigen sich in Ihrem Buch intensiv mit der oft übersehenen Gruppe der Deskless Worker. Welche strukturellen und kulturellen Veränderungen müssten Unternehmen Ihrer Einschätzung nach anstoßen, um diese Beschäftigtengruppe nicht nur besser zu integrieren, sondern auch langfristig an sich zu binden – insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels in gewerblich-technischen Berufen?

Strukturell muss um die Schaffung von Arbeits- und Einsatzbedingungen gehen, die die besonderen physischen und psychischen Anforderungen sowie die Erwartungen dieser Mitarbeitergruppe gezielt berücksichtigen. Hinzu kommen Angebote zum Lernen mit einer klaren Ausrichtung auf die Besonderheiten von Deskless Workern. Dies leitet zu den kulturellen Veränderungen über. Hier muss der Aufbau von Vertrauen im Mittelpunkt stehen, denn Studien zeigen, dass es große Unterschiede beim Vertrauen zu den Unternehmen zwischen den Mitarbeitenden mit und ohne Schreibtisch gibt. Damit sind in erster Linie wertschätzende Führung aber auch breitere Möglichkeiten zur Teilhabe dieser Mitarbeitenden an Entscheidungen zu ihrer Arbeit angesprochen. Hier gibt es mittlerweile vielfältige Beispiele wie dies praktisch umgesetzt werden kann. Dazu gehören Lösungen, die eine aktive Mitwirkung der Deskless Worker bei der Gestaltung und Verteilung der Arbeitszeit ermöglichen.

Viele Mitarbeitende erwarten hier Transparenz zur Verteilung der Arbeitszeiten im Team und auch die Möglichkeit zum eigenständigen kurz- und längerfristigen Tausch von Schichten bzw. Einsatzzeiten. Die Berücksichtigung individueller Präferenzen gerade hinsichtlich der Arbeitszeit wird nahezu durchgängig von Deskless Workern als wünschenswert angesehen. Wichtig sind auch Werkzeuge mit deren Hilfe die Meinungen der Deskless Worker systematisch erfasst werden können. Die hierbei gewonnen Erkenntnisse sollten bei Maßnahmen des Gesundheitsmanagements aber auch bei Ausgestaltung der Benefits berücksichtigt werden, um hier stärker als bisher auf die konkreten Belastungen und Erwartungen der Deskless Worker einzugehen.

Weche sind es?

Diese Benefits sind freiwillige Zusatzleistungen des Arbeitsgebers. Diese können finanzieller Art sein (Beteiligung am Gewinn), aber auch in Richtung Gesundheitsförderung (Mitgliedschaft Fittnessclub, Jobrad etc.) gehen und Beratung zu sozialen Fragen beinhalten. Hinzu können Leistungen der Kinderbetreuung kommen.

Dies ist bei alternden Belegschaften wichtiger als je zuvor, um Einsatzfähigkeit und Produktivität gerade der älteren Mitarbeiter zu sichern und zu erweitern. Erfolgreiche Maßnahmen in diesen Bereichen können sowohl die Personalbeschaffung als auch die Bindung dieser Mitarbeitenden nachhaltig positiv beeinflussen.

Warum tun sich viele Unternehmen schwer damit, auch für gewerbliche Mitarbeitende moderne Arbeitskonzepte wie Flexibilisierung oder Mitgestaltung anzubieten – im Gegensatz zu Büroangestellten oder Ingenieur*innen?

Offen gesagt fällt es den Unternehmen natürlich leichter die Office Worker ins Homeoffice zu schicken als einen Mitarbeiter, der am Band arbeitet. Hier spielen auch die seit Jahrzehnten geübten Routinen mit ihrer Orientierung auf Standardarbeitszeitmodelle eine große Rolle. Unternehmen reagieren mit neuen Lösungen häufig erst, wenn dies unausweichlich geworden ist. Der schnelle Übergang zu Homeoffice-Modellen bei den Office Workern bei der COVID 19-Pandemie ist ein beredtes Beispiel dafür. Und – dies muss betont werden – ist es in vielen Bereichen der Deskless Work deutlich komplizierter, innovative Arbeitszeitlösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Neue digitale Workforce Management-Lösungen erlauben zunehmend die Einführung von Arbeitszeitmodellen, bei denen die Wünsche der Mitarbeitenden besser berücksichtigt werden können. Diese neuen Modelle bringen Chancen für mehr Selbstorganisation und Arbeitszeitautonomie mit sich und erlauben mittel- und langfristig auch einen aktiven Umgang mit schwankenden Personalbedarfen zur Beschäftigungssicherung. Perspektivisch könnte bei einem steigenden Grad an Automatisierung auch eine bedienerärmere oder -lose Fertigung mit Auswirkungen auf den Einsatz von Deskless Workern möglich werden.

Prof. Wald

„Deskless Worker dürfen nicht länger am Rand der Arbeitswelt stehen“ – Prof. Dr. Peter M. Wald im Gespräch über notwendige Veränderungen.

Foto: HTWK Leipzig

Vom Schichtplan zur Selbstorganisation: Die Zukunft der Blue-Collar-Arbeit

Viele Beiträge in Ihrem Sammelband zeigen auf, dass klassische Flexibilisierungsmodelle wie Homeoffice für gewerbliche Beschäftigte kaum greifen. Welche innovativen Arbeitszeit- oder Organisationsmodelle sehen Sie als besonders vielversprechend, um auch Blue-Collar-Bereiche zukunftsfähig und attraktiv zu gestalten?

Hier geht es vor allem um innovative Arbeitszeitregelungen in ihrer Breite. Diese reichen von klassischen Teilzeitregelungen bis hin zu Optionen zum flexiblen Umgang mit Arbeitszeit durch die Mitarbeitenden selbst. Mittlerweile ist klar, dass unter bestimmten Voraussetzungen selbst Gleitzeitmodelle in der Fertigung möglich sind. Oft sind diese Modelle mit Konzepten zur Gruppenarbeit verknüpft. Unabdingbar sind hier neue Überlegungen zur Schichtarbeit. Die insbesondere mit der Schichtarbeit zusammenhängenden Belastungen machen es nötig, künftig alle technischen und organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen werden, um für Veränderungen für die Mitarbeitenden zu sorgen.

Ein Gesprächspartner berichtet hier über die Reduzierung notwendiger Einbringungsschichten im Schichtmodell, was faktisch einer bezahlten Arbeitszeitverkürzung gleichkommt aber auch eine höhere Flexibilität der Mitarbeitenden voraussetzt. Digitale Lösungen zur Planung des Personaleinsatzes, ggf. auch mit Einbindung von KI, könnten für eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit und damit eine bessere Work-Life-Balance sorgen. So können Unternehmen, die hier mit längerfristigen Lösungen zur Arbeitszeit arbeiten, den Deskless Workern freie Tage ermöglichen, damit diese z.B. Arzttermine wahrnehmen. International gibt es erste Beispiele, die auf Homeoffice-Lösungen auch im Deskless Bereich bspw. durch die Fernwartung technischer Lösungen, wie von Roboter-Technik, abstellen.

Die unterschätzte Brückenfunktion der Ingenieur*innen

Welche Rolle spielen Ingenieur*innen in der täglichen Zusammenarbeit mit Deskless Workern – und wie kann diese Beziehung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen genutzt werden?

Hier sind zwei Bereiche zu nennen. Einerseits ist es Aufgabe von Ingenieur*innen die Arbeitsbedingungen der Deskless Worker aus einer grundsätzlichen Perspektive zu gestalten und zu planen. Andererseits sind sie oft Führungskräfte und Partner der Deskless Worker in der täglichen Arbeit. Daraus ergeben sich vielfältige Ansatzpunkte für positive Impulse bei der Arbeit an gemeinsamen Projekten aber auch beim konkreten Einsatz der Deskless Worker. Hier sollte es den Ingenieur*innen daran gelegen sein, die Erfahrungen der Deskless Worker bei der Gestaltung gebrauchstauglicher Lösungen zu nutzen und damit deren Erwartungen an Wertschätzung und Teilhabe zu berücksichtigen. Beispiele zeigen, dass sich Erfolge auch mit Hilfe eines modernen Wissensmanagements erreichen lassen, denn insbesondere die gezielte Weitergabe von Erfahrungen und Einblicken dürfte in Zukunft für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen deutlich an Bedeutung gewinnen. Damit ist auch die Notwendigkeit zur Neugestaltung betrieblicher Lernprozesse im Deskless Bereich angesprochen.

Wie wirkt sich die geringe digitale Durchdringung im gewerblichen Bereich auf die Effizienz, Kommunikation und Arbeitszufriedenheit aus – und welche Chancen sehen Sie für digitale Tools?

Unzureichende Kommunikation und geringe Möglichkeiten zur Mitsprache insbesondere bei den Arbeitszeiten wirkt nicht gerade förderlich auf Motivation und Engagement. Aktuell stehen zahlreiche Tools zur Verfügung, die deutliche Verbesserungen bei der Kommunikation und bei der Teilhabe von Deskless Workern, v.a. im Bereich Arbeitszeit, ermöglichen. Die allgegenwärtigen Smartphones ermöglichen es vielen Unternehmen über sogenannte Mitarbeiter-Apps deutliche Verbesserungen bei der Kommunikation und Einbeziehung der Mitarbeitenden zu erreichen. Dadurch rückt das Thema Employee Experience, d.h. wie die Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen erleben, auch für Deskless Worker in den Fokus. Hier sollte bereits bei der Entwicklung und Einführung entsprechender Lösungen auf die Mitwirkung der Deskless Worker gesetzt werden. Hier hatte ich bereits vor Jahren eine interessante Diskussion zur Einführung digitaler Lösungen im Servicebereich von Carglass.

Viele Ingenieur*innen entwickeln Prozesse oder Maschinen, die direkt von gewerblichen Fachkräften genutzt werden. Wie kann hier sichergestellt werden, dass deren Bedürfnisse und Feedback frühzeitig berücksichtigt werden?

Hier geht es um die bereits erwähnten Aufgaben von Ingenieur*innen zur grundsätzlichen Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Deskless Worker. Bei der sogenannten Arbeitsgestaltung bzw. der Gestaltung von Arbeitsaufgaben dürfte die gemeinsame und frühzeitige Arbeit an Projekten, beträchtliche Vorteile für die menschengerechte Umgestaltung der Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Gerade Lösungen mit einem hohen Grad an Selbstorganisation und Autonomie dürften ohne rechtzeitige Einbindung der betreffenden Mitarbeitenden auf Schwierigkeiten stoßen. Beispiele im Bereich Mensch-Roboter-Interaktion in der Fertigung verweisen auf entsprechende Effekte. Eine höhere Arbeitszeitautonomie für Deskless Worker hängt weithin auch von einer entsprechenden Umgestaltung der Maschinen und Anlagen ab. Für Ingenieure dürften in diesem Zusammenhang arbeitswissenschaftliche Kenntnisse zur menschzentrierten Arbeitsgestaltung zunehmend wichtiger werden.

Fachkräftemangel & fehlende Wertschätzung

Der Fachkräftemangel trifft gewerbliche Bereiche besonders hart. Welche Faktoren schrecken Fachkräfte aktuell ab – und welche Rolle spielt dabei die fehlende Sichtbarkeit und Wertschätzung von Deskless Work?

Hier kann ich an die bisherigen Antworten anknüpfen. Es geht um Defizite bei der Arbeitszeitgestaltung, der Teilhabe an betrieblichen Entscheidungen aber auch bei Fragen der Führung im Sinne der Wertschätzung von Deskless Workern. Mit Wertschätzung werden hier Maßnahmen verstanden, die von Lob, aufmerksamen Gesten über Gutscheine für Benefits bis hin zu kurzfristigen bezahlten Freistellungen reichen können. U.a. die Studien von Quinyx verweisen aber auch auf in weiten Teilen fehlende Angebote zum Lernen und zur persönlichen Weiterentwicklung. Mit letztgenannten Angeboten arbeitet zum Beispiel Amazon bereits bei Stellenausschreibungen und Arbeitgeber-Image-Videos. Spezifische Angebote im Bereich Gesundheitsmanagement beeinflussen ebenfalls die Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber. Viele der genannten Defizite erschweren auch eine erfolgversprechende Variante der Personalbeschaffung: Die sogenannte Mitarbeiterempfehlung. Sind die Erfahrungen der Mitarbeitenden eher negativ, werden diese auch nicht mit Empfehlungen für Stellenangebote im Unternehmen in ihrem persönlichen Umfeld agieren.

Und: Ein Aspekt der viele Fachkräfte bekanntermaßen abschreckt sind massive Defizite bei der Gestaltung der Karriereseiten der Unternehmen. Oder anders gesagt. Interessenten für einen Job finden nicht oder nur mit großer Mühe freie Stellen oder passende Jobangebote auf den Seiten des Unternehmens. Diese gehen dann als Bewerber verloren. Damit vergeben sich viele Unternehmen nachhaltig Chancen neue Mitarbeitende zu gewinnen.

Wie lässt sich der Fachkräftemangel im gewerblichen Bereich nachhaltig bekämpfen?

Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im gewerblichen Bereich müssen zur Priorität werden. Neben den hier skizzierten Möglichkeiten zur besseren Gestaltung der Einsatzbedingungen, zur Mitwirkung und zu passenden Angeboten des Gesundheitsmanagements geht es um eine Vielzahl weiterer Aktivitäten. Dazu gehören vor allem Impulse im Rahmen von Angeboten zur Berufsorientierung von Schülern, einer Erhöhung der Attraktivität der gewerblichen Berufsausbildung und einer gezielteren Auswahl geeigneter Mitarbeiter für den Deskless Bereich.

Es genügt nicht, hier einfach bewährte Verfahren aus dem Office in den Deskless Bereich zu übertragen. All diese Aktivitäten sollten sich in Initiativen für eine höhere Arbeitgeberattraktivität wiederfinden, die durch gezielte Angebote zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung der vorhandenen Mitarbeiter komplettiert werden. Nicht zu vernachlässigen sind hier Maßnahmen zur Integration und Ausbildung von Menschen mit Migrationshintergrund.

Wie HR, Technik und Führung zusammenarbeiten müssen

Inwiefern müssten HR, Ingenieurwesen und Betriebsleitung enger zusammenarbeiten, um gewerblich-technische Arbeitsplätze attraktiver und zukunftsfähiger zu gestalten?

Hier geht es vor allem um frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit vor der Einführung neuer technischer und organisatorischer Lösungen, um die spezifischen Perspektiven gezielt einbringen zu können. Dies bedeutet auch, die Interessenvertreter der Mitarbeitenden – Betriebs- und Personalräte – rechtzeitig und gründlich einzubeziehen. Ein solches Vorgehen kann sowohl die Akzeptanz als auch die Gebrauchstauglichkeit entsprechender Lösungen erhöhen und kann damit die Attraktivität der Deskless Arbeitsplätze steigern.

Hier könnte der relativ neue Ansatz Employee Experience, d.h. die konsequente Berücksichtigung, wie Mitarbeitende die konkreten Arbeitsbedingungen erleben, helfen. Dieser Ansatz liefert spezifische Hinweise wie bestimmte Aspekte der Arbeitsbedingungen auf Verhalten und Einstellungen der Mitarbeiter wirken und wie hier konkret vorgegangen werden kann.

Welche positiven Beispiele aus der Praxis kennen Sie, in denen technische Abteilungen (z. B. Engineering oder Produktionsplanung) erfolgreich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Deskless Worker beigetragen haben?

Die bereits erwähnten Verbesserungen in den Bereichen Arbeitszeit und Teilhabe lassen sich letztlich nur auf der Basis der Arbeitsergebnisse der technischen Abteilungen in Zusammenarbeit mit dem Shopfloor-Management erreichen. Mein Gesprächspartner Elmar Ensmann von der Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG, Dillenburg hat hier nachdrücklich betont, dass gut ausgebildete Fachkräfte vor Ort am besten wissen, wie Prozesse optimiert und Engpässe nachhaltig beseitigt werden können und wie mit kritischen Liefersituationen umzugehen ist.

Ein anderes Beispiel bezieht sich auf die Entstehung und Einführung eines umfassenden Programms zum Lernen für Fachkräfte bei Siemens. Basis dieses Programms waren die Ergebnisse von Interviews, aus denen konkrete Ansätze zur praktischen Umsetzung von Lernangeboten und -formaten abgeleitet wurden. Neben dem Einsatz von Multiplikatoren zur engen Begleitung der Mitarbeitenden beim Lernen und dem Aufbau von Communities wurden Möglichkeiten zum Ausprobieren und dem Einbringen eigener Ideen geschaffen. Im Ergebnis wurden passgenaue digitale Selbstlernmodule neu entwickelt und eingeführt. Letztlich konnte gemeinsam festgestellt werden, dass Community Learning Sessions z.B. bei Schichtwechsel nützlich sind, dass Schulungen mit interaktiven Lernangeboten ergänzt werden können und dass sich Microlearnings gut in den Arbeitsalltag (z. B. bei Stillstandszeiten) einbauen.

Kommunikation & Nachwuchsgewinnung

Wie kann eine bessere interne Kommunikation mit Mitarbeitenden ohne festen Schreibtisch gelingen – und wie können auch Ingenieur*innen hier eine Brückenfunktion einnehmen?

Gerade mit Hilfe der allgegenwärtigen Smartphones und Tablets ist mittlerweile eine umfassende und ständige Kommunikation mit den Deskless Workern möglich. Aktiv eingesetzt können Ingenieure mit Hilfe dieser Hilfsmittel Einblicke in ihre Überlegungen und Ziele vermitteln und gleichzeitig Meinungen der Mitarbeitenden zu Veränderungen und Vorhaben erhalten. Ggf. können damit auch frühzeitig Bedenken und Sorgen geäußert sowie Fragen gestellt werden.

Was müsste sich in der Ausbildung, Kommunikation und Kultur von Unternehmen ändern, damit sich mehr junge Menschen wieder für gewerblich-technische Berufe interessieren – auch im Zusammenspiel mit modernen Ingenieursrollen?

Dies beginnt bereits bei der Berufsorientierung potenzieller Auszubildende. Hier sollte viel häufiger als bisher über Deskless-Berufe informiert werden. Wenn junge Menschen eine gewerbliche Berufsausbildung absolvieren, dürfte dies auch positive Effekte für den realistischen Wunsch nach Aufnahme eines Ingenieurstudiums mit sich bringen. Künftig werden mMn auch die Übergänge zwischen den klassischen gewerblichen (Deskless) Berufen und den Tätigkeiten von Ingenieuren an Bedeutung gewinnen. Nach einer Berufsausbildung fällt es vielen gewerblichen Auszubildenden leichter sich für oder gegen eine Ausbildung zum Ingenieur zu entscheiden.

Informationen zum Buch

P. M. Wald (Hrsg)
Deskless Work und Personalmanagement
Ideen, Praxiserfahrungen und Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeit

Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2025

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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