KI macht jungen Fachkräften das Leben schwer
Berufseinstieg unter Druck: Wie künstliche Intelligenz jungen Fachkräften Chancen wegnimmt.
Job-Krise für Berufseinsteiger? KI verschiebt die Regeln.
Foto: PantherMedia / Elnur_
Nach dem Studium stehen viele Absolvent*innen vor der Herausforderung, einen passenden Einstieg in die Arbeitswelt zu finden. Häufig folgt zunächst Enttäuschung: Bewerbungen werden abgelehnt, Rückmeldungen bleiben aus, und der ersehnte Start in den Beruf verzögert sich.
Ein möglicher Grund für diese Situation ist die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Recruiting und in der Arbeitswelt insgesamt. KI-Systeme übernehmen immer häufiger Aufgaben, die früher von Berufsanfänger*innen übernommen wurden – sei es im Kundenservice, in der Datenanalyse oder in administrativen Tätigkeiten. Dadurch entstehen weniger klassische Einstiegspositionen, über die junge Fachkräfte erste praktische Erfahrungen sammeln könnten.
Berufsanfänger*innen in einem Teufelskreis
Das hat zur Folge, dass gerade Berufsanfänger*innen oft vor einem Teufelskreis stehen: Ohne Berufserfahrung ist es schwer, einen Job zu bekommen, und ohne Job fehlt die Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln. KI kann somit unbeabsichtigt dazu beitragen, dass der Einstieg ins Berufsleben schwieriger wird.
Laut einer US-Studie gibt es in Bereichen mit starkem Einsatz von künstlicher Intelligenz deutlich weniger Jobs für junge Arbeitnehmer. So ist die Beschäftigung von 22- bis 25-jährigen Software-Entwicklern seit Ende 2022 um ein Fünftel gesunken, wie Forschende der Stanford-Universität herausfanden.
Praktische Erfahrung älterer Mitarbeitenden kann die KI nicht ersetzen
Insgesamt ist die Zahl junger Beschäftigter in Berufen, die stark von KI geprägt sind, um etwa 6% gefallen. Besonders betroffen sind neben der Software-Entwicklung auch Callcenter und der Kundendienst. In Branchen mit wenig KI-Einsatz stieg die Beschäftigung junger Arbeitnehmer dagegen um rund 9 %.
Die Studie zeigt außerdem: In Berufen mit viel KI stieg die Zahl älterer Beschäftigter. Laut den Stanford-Forschern liegt das daran, dass KI zwar auf Basis von Wissen arbeiten kann, aber die praktische Erfahrung älterer Mitarbeiter nicht ersetzt.
Die Verdrängung durch KI ist besonders hoch in Jobs, die komplett automatisierbar sind. In Berufen wie der Pflege wächst die Beschäftigung dagegen in allen Altersgruppen.
Für die Studie nutzten die Forschenden Daten des Personalbuchhaltungs-Dienstleisters ADP. Nach Ausschluss von Teilzeitkräften lagen die Informationen monatlich für 3,5 bis 5 Millionen Beschäftigte vor. Damit ist es die erste Untersuchung auf so breiter Basis, die zeigt, dass KI den Arbeitsmarkt schon spürbar verändert.
Die Forscher betonen allerdings, dass die ADP-Daten nicht die gesamte US-Wirtschaft exakt abbilden. Auch bei der Einschätzung, wie stark KI in bestimmten Jobs eingesetzt wird, griffen sie auf Schätzungen der KI-Firma Anthropic zurück. Zudem könnten andere Faktoren, wie Konjunkturschwankungen oder Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die Zahlen beeinflusst haben. Die Studie versuchte, diese Effekte so gut wie möglich herauszurechnen.
Die Zahl der Stellenanzeigen für Berufseinsteiger sinkt
Künstliche Intelligenz (KI) kann heute schon Daten analysieren, Präsentationen erstellen oder Projektkonzepte formulieren. Das macht sie zu einer wachsenden Konkurrenz für Arbeitnehmer – vor allem für junge Menschen, die gerade ins Berufsleben starten.
Eine Analyse der Job-Plattform Stepstone zeigt: Zwischen 2020 und 2025 ist die Zahl der Stellenanzeigen für Berufseinsteiger besonders stark zurückgegangen. Im ersten Quartal 2025 lagen diese Anzeigen 45 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt – ein klarer Tiefpunkt. Ursache ist nicht allein die wirtschaftliche Lage: Zwar führen Rezession, geopolitische Unsicherheiten und Strafzölle zu vorsichtigen Einstellungsentscheidungen, doch auch KI spielt eine Rolle. Unternehmen verlangen zunehmend Berufserfahrung, weil KI einfache Aufgaben übernimmt, die früher junge Mitarbeiter ausführten. Darüber hat man auch in einem ARD-Podcast und im Handelsblatt berichtet.
Welche Jobs sind betroffen?
Vor allem standardisierte Tätigkeiten, bei denen wenig Erfahrung nötig ist, sind gefährdet. Dazu gehören einfache Programmieraufgaben, administrative Aufgaben, Übersetzungen oder Grafikdesign. Große Tech-Firmen wie Amazon und Microsoft reduzieren bereits die Zahl der Berufseinsteigerstellen, auch in Indien sinkt die Einstellungsquote in der IT um bis zu 40 %. Studien des Weltwirtschaftsforums zeigen zudem, dass viele Unternehmen Juniorrollen in Buchhaltung, Marktforschung oder Vertragsprüfung durch KI ersetzen wollen.
Warum trifft es Berufseinsteiger besonders?
Einsteiger bringen zwar frische Ideen und Motivation mit, haben aber wenig Erfahrung. Ihre Aufgaben sind oft einfache Routinetätigkeiten – genau die Aufgaben, die KI inzwischen effizient übernehmen kann. Dadurch fehlen jungen Fachkräften die Lernchancen, um Erfahrung zu sammeln und sich weiterzuentwickeln.
Wie können Berufseinsteiger reagieren?
Experten raten:
- KI-Kompetenz aufbauen: Verstehen, wie KI-Tools funktionieren, und lernen, sie effektiv einzusetzen.
- Breite Allgemeinbildung: Kritisches Denken hilft, Fehler oder „Halluzinationen“ von KI zu erkennen.
- Soft Skills entwickeln: Kommunikation, Empathie und Teamfähigkeit bleiben entscheidend, da KI menschliche Interaktion nicht ersetzen kann.
Wer übernimmt künftig Senior-Rollen?
Langfristig werden Unternehmen erkennen, dass sie junge Fachkräfte brauchen, um zukünftige Senior-Rollen zu füllen. Kurzfristig ist die Lage herausfordernd, mittelfristig bestehen aber weiterhin Chancen für Berufseinsteiger – besonders für diejenigen, die sich aktiv auf die neue Arbeitswelt vorbereiten.
Deutsche Unternehmen trotzdem optimistisch
Laut VDI Nachrichten sieht Siemens trotz zunehmender KI-Nutzung weiterhin Chancen für Berufseinsteiger: „Die Rekrutierung von Berufseinsteigern ist und bleibt ein zentraler Bestandteil unserer Talentstrategie“, sagte Andrea Mawad, Leiterin des deutschlandweiten Recruitings bei Siemens. KI entlaste zwar Routinetätigkeiten, doch Nachwuchskräfte bleiben wichtig, um frisches Know-how mit Erfahrung zu verbinden. Fachleute warnen jedoch, dass Lernmöglichkeiten für Einsteiger durch KI eingeschränkt werden könnten.
Wird KI also die Einstiegsmöglichkeiten für Berufseinsteiger einschränken? Fraunhofer-Forscher Kintz ist skeptisch: „KI wird in den seltensten Fällen eine Position komplett vernichten, dafür sind die Aufgaben zu vielfältig.“ Auch Michael Stops vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg betont die Rolle des Menschen: „Menschliches Expertenwissen wird für eine möglichst fehlerfreie Nutzung von KI weiterhin benötigt – und Soft Skills bleiben das Schmiermittel für die Kooperation innerhalb und zwischen Organisationen.“ Viele Fachleute gehen jedoch davon aus, dass Einsteiger künftig anspruchsvollere Aufgaben übernehmen müssen, weil KI die einfachen Tätigkeiten übernimmt – überspitzt gesagt: Statt Routinearbeiten wie Kaffeekochen starten sie direkt mit Strategieaufgaben.
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