Leadership, die sich rechnet: So wirkt Führung in der Medizintechnik
In der Medizintechnik zählen nicht nur Technik, sondern vor allem die Menschen dahinter. Achim Dohl, Interim-Manager mit über 20 Jahren Erfahrung, erklärt, warum Führung hier komplexer ist als im Maschinenbau: kleine Serien, viele Varianten und sensible Produkte erfordern einen hohen Anteil manueller Arbeit – und damit präzises Leadership.
Achim Dohl zeigt, wie gute Führung Produktivität, Gesundheit und Innovation in der Medizintechnik steigert.
Foto: Achim Dohl Interim Solution
ingenieur.de: Herr Dohl, Sie haben über 20 Jahre Erfahrung in der Medizintechnik. Welche spezifischen Führungsherausforderungen sehen Sie in dieser Branche im Vergleich zum Maschinenbau?
Achim Dohl: Moderner Maschinenbau unterscheidet sich deutlich von der Medizintechnik. Während dort oft eine hohe Automatisierung und größere Stückzahlen dominieren, ist die Medizintechnik meist durch viele Varianten und kleine Serien gekennzeichnet – „Low Volume, High Mix“. Dadurch bleibt der Anteil der manuellen Arbeit hoch, besonders bei der Herstellung sensibler Produkte wie Herzkathetern. Ein Trend ist daher die Verlagerung von Produktionsschritten in Länder mit niedrigeren Lohnkosten in beispielsweise Osteuropa.
Gerade weil Menschen hier eine so zentrale Rolle spielen, sind die Führungsanforderungen besonders komplex. Ein eigens entwickelter Führungsfragebogen für ein Unternehmen aus der Sensortechnik zeigt, wie sich diese Besonderheiten systematisch erfassen lassen – und eignet sich fast ideal auch für Medizintechnikunternehmen.
Leadership-Kennzahlen in der Medizintechnik
Sie betonen, dass Führung messbar ist. Welche Kennzahlen eignen sich besonders, um den Einfluss von Leadership auf die Produktivität in Medizintechnik-Unternehmen zu messen?
Grundsätzlich braucht es drei Ebenen von Kennzahlen: Zunächst müssen Führungsdimensionen selbst erfasst werden – Vertrauen, Respekt, Selbstführung, Teamführung und Businessführung. Dann folgen die Faktoren, die durch Führung beeinflusst werden, etwa das Arbeitserleben, die wahrgenommene Wertschätzung oder die Identifikation mit der Arbeit.
Schließlich lassen sich diese Daten mit konkreten Leistungskennzahlen verbinden, etwa Arbeitsfähigkeit, mentale und körperliche Gesundheit oder gesundheitsbedingte Produktivitätsverluste. Mit stabilen statistischen Modellen lässt sich dann präzise zeigen, wie stark Führung auf Produktivität und Gesundheit wirkt.
Können Sie Beispiele aus der Medizintechnik nennen, bei denen Leadership direkt den Krankenstand reduziert hat?
Konkrete Zahlen liegen bisher kaum vor, da Krankenkassenberichte oft rückblickend und unscharf sind. Aussagekräftig sind nur prospektive Studien, die Zusammenhänge zwischen Führung und künftigen Fehlzeiten erfassen. Eine aktuelle Untersuchung von HealthVision mit einem Technologiekonzern hat gezeigt: Anhand von Führungs- und Teamdaten lassen sich zukünftige Fehlzeiten erstaunlich genau vorhersagen.
Besonders entscheidend ist das erlebte Maß an Wertschätzung und Fairness. Teams, in denen Mitarbeitende geringe Anerkennung oder Ungleichbehandlung wahrnehmen, zeigen später deutlich höhere Fehlzeiten. Damit lässt sich erstmals auch der ökonomische Nutzen gezielter Führungsentwicklung berechnen.
Leadership als Renditefaktor
In vielen Unternehmen schwankt die Mitarbeiterfluktuation stark. Wie können Medizintechnik-Firmen gezielt Führung einsetzen, um Talente langfristig zu binden?
Abteilungen mit guter Führung binden Mitarbeitende nachweislich besser. Wo Vertrauen, Entwicklungschancen und Fairness herrschen, sinkt die Fluktuation deutlich. Diese Zusammenhänge lassen sich mit den neuen Messinstrumenten empirisch belegen – so sicher wie die Schwerkraft.
Die Medizintechnik befindet sich im digitalen Wandel. Welche Rolle spielt gute Führung bei der Einführung neuer Technologien und Prozesse?
Veränderung erzeugt Unsicherheit und diese aktiviert im Gehirn Stressmechanismen, die Lernen und Offenheit behindern. Aufgabe der Führung ist es, diesen Stress zu reduzieren und Sicherheit zu vermitteln. Nur so können Mitarbeitende ihren präfrontalen Cortex, also das Zentrum für Denken, Lernen und Innovation, aktivieren.
Gute Führung schafft Vertrauen, erklärt Ziele klar und begleitet Menschen durch die Veränderung. Erst dann können neue Technologien wirklich angenommen und produktiv genutzt werden.
Sie sprechen von einem „echten Renditeeffekt“ von Leadership. Wie lässt sich diese Rentabilität konkret in Medizintechnik-Unternehmen nachweisen?
Am besten durch prospektive Analysen: Wenn Unternehmen auf Abteilungsebene ihre Leistungskennzahlen offenlegen, können gezielte Führungsprogramme eingeführt und deren Wirkung gemessen werden. Verändert sich nachweislich die Führungsqualität, zeigen sich auch Verbesserungen in Produktivität, Motivation und Krankenstand. Ein Unternehmen, das den neuen Leadership-Fragebogen nutzt, plant genau diesen Nachweis derzeit.
Leadership als Innovationsbeschleuniger
Sie haben zahlreiche Change-Prozesse begleitet. Welche Führungsprinzipien sind besonders wirksam, um Veränderungen in hochregulierten Bereichen erfolgreich umzusetzen?
Im Grunde dieselben Prinzipien, die auch der neue Leadership-Fragebogen abbildet: Vertrauen schaffen, Feedback ermöglichen, klare Orientierung geben und sich selbst reflektieren. Was früher Jahrzehnte an Erfahrung erforderte, lässt sich heute gezielt und messbar entwickeln und so erheblich beschleunigen.
In der Medizintechnik arbeiten oft Entwickler, Ingenieure und medizinisches Personal zusammen. Wie beeinflusst gute Führung die Zusammenarbeit solcher heterogenen Teams?
Solche Teams sind die Basis künftiger Innovation. Unterschiedliche Kompetenzen und Persönlichkeiten müssen auf gemeinsame Ziele ausgerichtet werden. Gute Führung sorgt dafür, dass diese Vielfalt nicht zu Reibung, sondern durch klare Kommunikation, gegenseitigen Respekt und die Fähigkeit, Perspektiven zu verbinden, zu Stärke wird.
Innovation ist in der Medizintechnik entscheidend. Wie kann Leadership dazu beitragen, dass Mitarbeitende Risiken verantwortungsvoll eingehen und dennoch produktiv bleiben?
Führung muss ein Klima schaffen, in dem Experimentieren erlaubt ist. Dazu gehört, Fehler als Lernchance zu sehen und Mitarbeitende zu ermutigen, mutige Ideen umzusetzen. Gleichzeitig braucht es klare Zielorientierung und Rückhalt, wenn etwas nicht gelingt.
Der neue Leadership-Fragebogen misst genau diese Fähigkeiten: inspirieren, Feedback geben, Freiräume schaffen und dennoch fokussiert bleiben.
Trends in der Medizintechnik-Führung
Welche Trends sehen Sie für die Führung in Medizintechnik-Unternehmen in den nächsten 5–10 Jahren, insbesondere in Bezug auf Produktivität, Gesundheit und Mitarbeiterbindung?
Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel werden die Branche stark prägen. Produktionsprozesse werden teilweise in andere europäische Länder verlagert – mit der Herausforderung, kulturell vielfältige Teams zu führen.
Führungskräfte müssen lernen, Vorurteile abzubauen, Vertrauen über Grenzen hinweg zu schaffen und interkulturelle Zusammenarbeit zu fördern. Wer das meistert, wird nicht nur produktiver, sondern auch resilienter gegenüber den kommenden Veränderungen.
Achim Dohl ist Interim-Manager und Personalberater mit über 20 Jahren Erfahrung. Mit dem Pathfinder Expert Call unterstützt er Unternehmen in der Medizintechnik dabei, die richtigen Spezialisten zu finden – und das in kürzester Zeit. Sein Service ist darauf ausgelegt, schnell, präzise und ohne lange Wartezeiten Experten zu vermitteln und Unternehmen zügig aus Krisensituationen zu retten.
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