Fokussierende Fragen: Was Sie mit Ihnen erreichen
Wir leben und arbeiten in Hochgeschwindigkeitswildwasserzeiten. Klassische Mitarbeiterbefragungen sind dafür viel zu behäbig. Rasche Reaktionen sind fundamental, um sich an die ständig wandelnden Umstände agil anzupassen. Fokussierende Fragen sind dabei sehr hilfreich. Sie sind vielfältig einsetzbar und machen Korrekturen rasch möglich.

Fokussierende Fragen können Einsichten zutage fördern.
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Fokus bedeutet, sich auf das Herzstück, den Kern einer Sache zu konzentrieren. So bringen fokussierende Fragen einen Umstand ganz gezielt auf den Punkt. Heute gefragt, kann morgen schon etwas geändert werden. Zudem kommt man den wahren Beweggründen der Mitarbeitenden schnell näher – ohne ihnen zu nahe zu treten.
Fokussierende Fragen gehen zum Beispiel so:
- Was würden Sie sich von Ihrer Führungskraft am meisten wünschen?
- Was sollte bei uns am ehesten verbessert werden, weil es alle nervt?
- Welches sind die drei innovativsten Dinge, die wir einführen sollten?
Wird eine solche Frage mündlich gestellt, ist eine längere Pause zum Nachdenken sinnvoll. Sagen Sie den Befragten, dass Sie wirklich offen für alles sind. Wird das nicht deutlich, könnten die Dinge geäußert werden, die die Führenden gerne hören wollen. Denn letztlich entscheiden sie über das Wohl und Wehe ihrer Mitarbeitenden.
Einsatzgebiete für fokussierende Fragen
Damit die Mitarbeitenden ihren Talenten entsprechend eingesetzt werden können, bieten sich folgende fokussierende Fragen an:
- Wenn es eine Sache gibt, die Sie im Unternehmen liebend gern übernehmen wollten, was wäre das für Sie?
- Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?
- Wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt ändern sollten, was wäre da das Wichtigste – aus Ihrer Sicht?
So erhalten Sie (hoffentlich) endlich wichtige Informationen über schlechte Arbeitsplatzbedingungen, über betriebliche Zwänge, räumliche Enge, Doppelarbeit und Zeiträuber, über Kommunikations-, Schnittstellen- und Kundenprobleme – deren Wirkung auf die Ergebnisse Sie bislang unterschätzt oder erst gar nicht gesehen hatten.
Ein weiterer Vorteil: Sie können schnell etwas bewirken. Dazu fragen Sie so:
- Was genau kann ich jetzt sofort tun, um hierbei zu unterstützen? … Okay, danke. Und was noch?
Das Nachhaken ist wichtig, denn oft werden erst im zweiten Anlauf die wahren Anforderungen, Anliegen und Wünsche offengelegt.
Den kritischen Ereignissen auf der Spur
Vor allem die so überaus gefährlichen kritischen Ereignisse lassen sich mit fokussierenden Fragen gut herausarbeiten. Ein kritisches Ereignis ist ein Moment in der Mitarbeiterbeziehung, das von starken Emotionen begleitet war und sich deshalb tief ins episodische Gedächtnis eingegraben hat. Solche Ereignisse werden wieder und wieder weitererzählt. Diese müssen Sie kennen, um Schaden von Arbeitgebermarke und Unternehmensreputation abzuwenden.
Fahnden Sie außerdem nach besonders erfreulichen Geschehnissen, um diese dann in internen und externen Medien als Erfolgsgeschichten zu nutzen. Das ist der erste Effekt. Und der zweite? Kaum etwas ist besser für Engagement und Loyalität, als ein Mitarbeitender, den man sagen hört, wie toll es ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Und da er das nun schon mal ausgesprochen hat, wird er dies in Zukunft wahrscheinlich öfter tun – offline und online. So wird er zum Botschafter und Corporate Influencer.
Um an Informationen über kritische Ereignisse zu gelangen, werden die Fragen am besten folgendermaßen eingeleitet:
- Was ich Sie immer schon mal fragen wollte … .
An die Frage hängen Sie dann, wenn passend, ein „Erzählen Sie mal“ dran. Die Erzählen-Sie-mal-Frage ist magisch, denn im Plauderton decken Mitarbeitende ihre Emotionen am ehesten auf. Diese zu kennen und sich darauf einzulassen, ist für eine annehmbare Reaktion überaus hilfreich. Dabei nicht vergessen: Ehrliche und mutige Mitarbeitende haben ein dickes Danke verdient. Und: Mitarbeitende wollen natürlich auch gerne wissen, was sie mit ihren Hinweisen bewirken konnten.
Gezielt die Weisheit der Vielen nutzen
Mithilfe fokussierender Fragen kann man seine Mitarbeitenden auf vielerlei Art konsultieren. Im Vorfeld wird überlegt, welche Fragen passen. Zum Beispiel diese:
- Mich interessiert Ihre ganz persönliche Meinung zu folgendem Thema … Interessant, und wie könnte das im Einzelnen aussehen?
- Ich habe mir zum Thema … folgende Gedanken gemacht, die ich gerne einmal mit Ihnen besprechen/teilen wollte …
- Angenommen Sie wären bei dieser Frage/in diesem Projekt der Entscheider, was würden Sie tun? … Interessant, und welche Überlegungen bringen Sie zu dieser Entscheidung?
- Wie würden Sie an das Thema herangehen, wenn es Ihr Geld wäre? … Und was würden Sie keinesfalls tun?
- Gesetzt den Fall, wir würden das morgen schon umsetzen. Was würde dann passieren? … Was müssten wir unbedingt noch beachten? … Was spricht aus Sicht der Kunden dagegen?
- Wie sehen Ihre Kollegen – ohne jetzt Namen zu nennen – die Situation? … Und was würden die mir denn raten?
- Wenn es eine Sache gibt, die dieses Projekt womöglich zum Scheitern bringen könnte, was wäre da aus Ihrer Sicht der kritischste Punkt?
- Was wäre denn ein Weg, mit dem die Mitbewerber niemals rechnen? … Wie würden Sie, wenn sie könnten, die Konkurrenz überrumpeln?
Die Antworten können am Anfang zögerlich kommen. Selbst dann, wenn die Führenden gelöst und nahbar wirken, sind sie, aus dem Blickwinkel der Belegschaft betrachtet, immer noch Respektspersonen. Das können Sie mildern, indem Sie vom Stil her keine Befragung, sondern eine Unterhaltung führen. Bei Bedarf ermuntern Sie die Leute freundlich nickend wie folgt: „Nur weiter!“ Und: „Erzählen Sie mehr!“ Oder: „Das klingt spannend.“ Oder: „Ja, das leuchtet mir ein.“
Wer gut und richtig fragt, erfährt zügig etwas über Missstände an einzelnen Stellen und erhält laufend neue gute Ideen. Die Mitarbeitenden spüren, wie wertvoll sie für das Unternehmen sind. Bei Problemen lässt sich umgehend reagieren und gegensteuern. Die schließlich getroffenen Entscheidungen stehen auf einer breiteren Basis. Schließlich hilft die „Weisheit der Vielen“, Fehlentscheide am grünen Tisch zu vermeiden.
Anne M. Schüller
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