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Sustainability Assessment 04.01.2023, 15:25 Uhr

Wie nachhaltig ist mein Unternehmen eigentlich?

Unabhängig von Branche und Geschäftsmodell ist ressourcenschonendes Wirtschaften das Gebot der Stunde – höchste Zeit für Unternehmen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Was ein Bewertungsstandard leisten kann, wird am Beispiel einer Batterieproduktion gezeigt.

Der Klimawandel sorgt für ein neues Bewusstsein bei den Abnehmern. Folglich sehen sich Unternehmen mit steigenden Forderungen an den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte konfrontiert. Grafik: PantherMedia

Der Klimawandel sorgt für ein neues Bewusstsein bei den Abnehmern. Folglich sehen sich Unternehmen mit steigenden Forderungen an den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte konfrontiert. Grafik: PantherMedia

Insbesondere für Kunden und Kapitalmärkte ist Nachhaltigkeit heute ein zentrales Thema. Parallel zu dieser Entwicklung entsteht aktuell ein klarer werdender und verbindlicher rechtlicher Rahmen. TÜV SÜD hat einen Bewertungsstandard entwickelt, der mehr Transparenz und Vergleichbarkeit schafft.

Neue regulatorische Anforderungen müssen erfüllt werden

Angesichts der zunehmend sichtbar werdenden Klimakrise und stets steigenden Energiepreisen wird der Wunsch von Kunden nach nachhaltigen Produkten von verantwortungsvollen Unternehmen immer präsenter und drängender. Der Klimawandel, Versorgungsengpässe und globale Krisen verändern unsere Art, zu leben und zu wirtschaften. Das schafft auch ein neues Bewusstsein. Zunehmend hinterfragen deshalb Konsumenten, ob ein Produkt mit sozialen Missständen oder hohen Umweltauswirkungen in Verbindung steht.

Auf regulatorischer Seite hat das bereits zu konkreten Schritten geführt. In der Folge sehen sich Unternehmen mit weitreichenden Anforderungen zum Nachweis ihres Umweltbewusstseins konfrontiert. In vielen Ländern existieren zum Beispiel neue Anforderungen an den ökologischen Fußabdruck von Produkten. Dazu zählt der „European Green Deal“ oder ganz konkret die aus ihm abgeleitete „Corporate Sustainability Reporting Directive“. Letztere verlangt von Unternehmen – gestaffelt ab dem Geschäftsjahr 2024 – Berichte zu ihrer Nachhaltigkeit zu erstellen.

Den Wandel als Chance begreifen

Diese Entwicklungen stellen aber keineswegs nur zusätzliche Anforderungen an die Wirtschaft: Trotz des regulatorischen, ökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Drucks befeuern sie auch den Wandel, eigene Geschäftsmodelle frühzeitig umzustellen oder zu entwickeln. Unternehmen, die aktiv und ganzheitlich ihre Nachhaltigkeit ermitteln, transparent kommunizieren und gezielt steigern, sparen Kosten und werden widerstandsfähiger.

Beispiel nachhaltiges Bauen: In diesem Gebäude sorgt Photovoltaik für hauseigenen Strom und eine moderne Bauweise für niedrigen Energieverbrauch. Durch einen begrünten Innenhof wird die Arbeitsumgebung noch angenehmer.

Foto: Steinlein Werbeagentur

Mittel- bis langfristig lassen sich dadurch erhebliche Wettbewerbsvorteile erzielen: Photovoltaik auf der Lagerhalle oder ein Batteriespeicher machen unabhängiger von Stromnetzen. Wer seinen Umgang mit gefährlichen Stoffen schon heute gut meistert, ist auf künftige Regularien schon vorbereitet. Und Unternehmen, die sehr viel Wert auf Arbeitsschutz und Gleichberechtigung legen, kommen leichter an rare Fachkräfte – um nur einige Beispiele zu nennen.

Zunächst den Status Quo verlässlich ermitteln

Doch was können Unternehmen konkret tun, um nachhaltiger zu werden? Der erste Schritt ist die Ermittlung des Ist-Stands. TÜV SÜD hat eine Bewertungsmethode entwickelt, mit der sich die Nachhaltigkeit eines Unternehmens ganzheitlich messen und bewerten lässt. Das Ergebnis legt offen, welche Aspekte bereits gut adressiert werden und wo noch Handlungsbedarf besteht. Dabei werden neben ökologischen auch soziale und ökonomische Facetten beleuchtet. Grundlage dafür sind die weltweit anerkannten Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Gemeinsam mit branchenbezogenen Standards und Bezugsgrößen liegen sie der Nachhaltigkeitsbewertung des international tätigen Prüfdienstleisters zugrunde und schaffen höchste Transparenz und Vergleichbarkeit.

Die Nachhaltigkeitsbewertung von TÜV SÜD basiert auf den „Sustainable Development Goals“ der Vereinten Nationen. Grafik: TÜV SÜD

Zu den insgesamt 17 SDG gehören 126 Unterziele und 1.533 Geschäftsindikatoren. Durch sie lässt sich Nachhaltigkeit konkret bewerten. Ein Beispiel: Für das SDG-Unterziel einer Reduktion der CO2-Emissionen sind die CO2-Emissionen pro Produkteinheit ein guter Indikator. Nachweisen lassen sie sich über Produktionsdaten und Prüfdokumente des jeweiligen Unternehmens – und fundierte Daten aus der entsprechenden Branche ermöglichen einen Vergleich mit der Benchmark. Aus einem Portfolio von mehr als eineinhalbtausend Indikatoren lassen sich so für jedes Unternehmen valide Bewertungen erstellen. Der ökologische, ökonomische und soziale Fußabdruck, der letztlich das Niveau der Nachhaltigkeit bestimmt, wird sichtbar.

Startpunkt jeder Analyse ist der Status Quo der Nachhaltigkeit, bevor ein spezifischer Maßnahmenplan mit Optionen entwickelt wird, um sie zu steigern.Grafik: TÜV SÜD

Von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung: Beispiel Batterieproduktion

Erstmals angewandt wurde die Methodik zur Bewertung der Nachhaltigkeit (Sustainability Assessment) von TÜV SÜD bei einem Batterie-Hersteller. Förderungen und Vergünstigungen für Elektrofahrzeuge, neue Modellreihen und Produktionsstandorte, aber auch gestiegene Kraftstoffpreise steigern die Nachfrage nach Batterien stark. Dabei ist ihre Produktion sehr aufwendig: Die verwendeten Rohstoffe sind zu einem gewissen Anteil sogenannte Konfliktmineralien. Sie können nur in wenigen Förderländern gewonnen werden, die zudem häufig politisch instabil sind und deren Lebens- und Arbeitsbedingungen meist unter westlichen Standards liegen. Ein Beispiel hierfür ist Kobalt aus dem Kongo.

Neben der Herkunft der Rohstoffe sind die Kühlprozesse in der Elektrodenfertigung ein relevanter Punkt für die Batterieproduktion. Sie sind energieintensiv und es gilt, sie so weit wie möglich zu optimieren. Daher nahm das Team von TÜV SÜD den Energiemix des untersuchten Batterieherstellers bei seiner Analyse besonders in den Blick: Angelehnt an das SDG-Unterziel „Bezahlbare und saubere Energie“ betrachteten die Expertinnen und Experten unter anderem den Strombedarf und den Einsatz erneuerbarer Energien und legten gemeinsam mit dem Batterieproduzenten Maßnahmen fest, um deren Anteil zu erhöhen und die Energieeffizienz zu verbessern. Abschließend wurden auch Entsorgung und Recycling der Batterien betrachtet, um nicht nur den Wertschöpfungsprozess, sondern den gesamten Lebenszyklus der Produkte zu bewerten.

Stellschrauben für die kontinuierliche Weiterentwicklung regelmäßig prüfen

Dieses Beispiel zeigt, wie TÜV SÜD bei der Nachhaltigkeitsbewertung zunächst die branchenspezifischen Messgrößen für jedes untersuchte Unternehmen sorgfältig definiert (www.tuvsud.com/nachhaltigkeitsbewertung). Worauf kommt es in einem bestimmten Wirtschaftszweig an? Wie lassen sich die relevanten Indikatoren messen? Wo liegt die Branchenbenchmark – und wie können die Auftraggeber langfristig sinnvoller wirtschaften? Ausgehend von der Analyse des Ist-Zustands empfehlen die Expertinnen und Experten Maßnahmen, die den Status Quo fortlaufend verbessern. Einmal definiert und festgelegt, kommt es darauf an, die ermittelten Kennzahlen regelmäßig zu kontrollieren und Maßnahmen umzusetzen. Dieses kontinuierliche „Tracking“ auf Basis einer fundierten Analyse ist ein Weg, um Unternehmen nachhaltiger zu machen – und dies anhand valider Daten zu belegen.

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Von Yalcin Ölmez

Yalcin Ölmez ist Abteilungsleiter Business Development Sustainability and Investmentprojects bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH in München. Foto: TÜV SÜD