Zum E-Paper
Life Cycle Assessment 06.12.2022, 07:00 Uhr

Nachhaltigkeit wird zur Pflicht: Ökobilanzierung für Automotive- und Industriebetriebe

Im März 2020 beschloss die Europäische Kommission den neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft. Doch wie gelingt es, Unternehmen der Automobilindustrie mit Themen wie Ökobilanzierung und Agieren in Kreisläufen „fit für die Zukunft“ zu machen?

Die neue "Batteries Directive" zeigt beispielhaft, welche Herausforderungen hinsichtlich LCAs (Life Cycle Assessment) und effektiver Kreislaufwirtschaft auf die Automotive-Branche sowie die Industrie im Allgemeinen zukommen. Grafik: Shutterstock

Die neue "Batteries Directive" zeigt beispielhaft, welche Herausforderungen hinsichtlich LCAs (Life Cycle Assessment) und effektiver Kreislaufwirtschaft auf die Automotive-Branche sowie die Industrie im Allgemeinen zukommen. Grafik: Shutterstock

Ziel des Aktionsplans ist es, im Rahmen des „European Green Deal“ in ressourcenintensiven Branchen – darunter Elektronik und IKT (Informations- und Kommunikationstechnik), Batterie- und Fahrzeugbau sowie Kunststoffindustrie – ein nachhaltiges Produktdesign zu fördern, bei einer gleichzeitigen Reduzierung der Abfallmengen.

Batteries Directive und mehr – um welche Themen geht es?

Die Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften für Batterien bildet nur einen Baustein davon. Sie soll einerseits Lebenszyklusanalysen (Life Cycle Assessment – LCA) obligatorisch machen und andererseits den Ressourceneinsatz regeln. Damit veranschaulicht die neue „Batteries Directive“, welche Herausforderungen hinsichtlich LCAs und effektiver Kreislaufwirtschaft auf die Automotive-Branche sowie auf die Industrie im Allgemeinen zukommen.

Um Unternehmen für diese neuen Vorgaben seitens des Gesetzgebers sowie entsprechende Kundenbedürfnisse zu rüsten, ist es sinnvoll, eine LCA stets in die Kontexte „Sustainability Management“ und „Circular Economy“ einzubetten. Neben firmeninternem Know-how, insbesondere in den Bereichen Engineering und Automotive, kann ein global aktiver Entwicklungspartner wie Arrk Engineering dabei auf vielfältige Expertise zurückgreifen – unter anderem auf die Produktentwicklungshistorie der Muttergesellschaft Mitsui Chemicals Group.

Neben firmeninternem Know-how, insbesondere in den Bereichen Engineering und Automotive, kann der Dienstleister auf die Expertise der Muttergesellschaft Mitsui Chemicals Group zurückgreifen.

Foto: Shutterstock

Analyse „von der Wiege bis zur Bahre“

Zwei Entwicklungen bildeten in den 1970er Jahren den Anlass für die ersten Lebenszyklusanalysen im heutigen Sinne: zum einen das weltweit steigende Abfallvolumen, das immer mehr Entsorgungssysteme an ihre Grenzen brachte, und zum anderen aufkommende Energie-Engpässe. Damit einher ging die Erkenntnis, dass ein Großteil der genutzten Rohstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Entsprechend konzentrierte sich die LCA zu diesem Zeitpunkt auf eine effektive Ressourcennutzung und Emissionsreduzierung der Produkte.

Im Laufe der Jahre wurde der Begriff des Life Cycle Assessments, in Deutschland auch als Ökobilanz bezeichnet, fortlaufend erweitert und verfeinert. Heute umfasst er eine ganzheitliche Analyse des Produktsystems von der Wiege bis zur Bahre („Cradle-to-grave“-Prinzip) – idealerweise sogar von der Wiege zur Wiege („Cradle-to-cradle“-Prinzip) als Ansatz für eine durchgängige Kreislaufwirtschaft. Durch Regulierungsinstrumente wie den Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft der EU und die damit einhergehenden gesetzlichen Verschärfungen, z. B. die derzeit stattfindende Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Batterien, wird eine LCA nun in einer zunehmenden Anzahl an Bereichen und Branchen zur Pflicht.

Eine LCA sollte stets in die Kontexte Sustainability Management und Circular Economy eingebettet werden. Grafik: Shutterstock

Druck durch die Gesetzgebung – Beispiel EU-Batterieverordnung

Die neue EU-Batterieverordnung sieht unter anderem vor, dass wieder aufladbare Industrie- und Transaktionsbatterien mit internem Speicher ab dem 1. Juli 2024 zunächst über eine Erklärung zum CO2-Fußabdruck verfügen müssen. Bereits ab dem 1. Januar 2026 ist eine Kennzeichnung, aus der die Leistungsklasse für die CO2-Intensität hervorgeht, verpflichtend. Ab Juli 2027 sind schließlich auch entsprechende Höchstwerte für den CO2-Fußabdruck einzuhalten.

Die zur Ermittlung dieser und ähnlicher Werte erforderliche LCA besteht gemäß DIN EN ISO 14040 bzw. 14044 aus vier Phasen: Definition von Ziel und Scope, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung sowie Auswertung. Je nach festgelegtem Untersuchungsrahmen erfasst die Analyse dabei alle relevanten Input- und Outputströme. Darunter fallen etwa Rohstoffe und Materialbeschaffung, Energie, Transporte, (Teil-)Verarbeitungen, Abfälle, Emissionen sowie Einleitungen in Wasser und Boden – und dies sowohl hinsichtlich der Produktion als auch während der Nutzungsphase bis hin zu End-of-Life-Szenarien.

Pflicht, die eigene Produktion ressourceneffizienter zu gestalten

Einerseits fordert der Gesetzgeber zunehmend Ökobilanzierungen in verschiedenen Branchen. Andererseits können die Analysen auch aus einem zweiten Grund sinnvoll oder gar notwendig sein. Denn immer mehr weiterverarbeitende Unternehmen verlangen entsprechende Nachweise, um ihre eigene Produktion ressourceneffizienter zu gestalten und sich für zukünftige Anforderungen zu rüsten. In der Automobilbranche ist dies schon jetzt spürbar. Demzufolge hat Arrk Engineering die Bilanzierungen bereits mit einem Inhouse-Expertenteam verknüpft, das im Querschnitt des Unternehmens mit ausgewählten Bereichen arbeitet und im Bedarfsfall bei Projekten hinzugezogen werden kann.

Zu Beginn muss der Betrachtungsgegenstand sinnvoll und klar definiert sowie die anzuwendende Methodik festgelegt werden. Anschließend müssen alle relevanten Informationen inklusive sämtlicher Abhängigkeiten und Wechselwirkungen erfasst werden, bevor eine spezifische Software – unter Zugriff auf Öko-Impact-Daten – mit den Berechnungen starten kann. Im dritten Schritt gilt es, die Ergebnisse zu interpretieren und daraus umsetzbare Optimierungsvorschläge sowie etwaige weitere LCA-Ermittlungsschleifen abzuleiten.

Know-how und Fingerspitzengefühl notwendig

Eine typische Herausforderung, die von den durchführenden Experten viel Know-how und Fingerspitzengefühl erfordert, findet sich bereits in der Natur neuer Produkte: Vor dem Launch liegen in der Regel kaum Daten für die Nutzungs- und End-of-Life-Phasen vor. Diese ergeben sich aus der endgültigen Recyclingquote einzelner Komponenten und Materialien sowie aus dem tatsächlichen Nutzungsverhalten. In diesem Punkt wird daher meist mit Schätzungen oder Modellrechnungen gearbeitet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich viele Parameter in verschiedener Weise auf einzelne Phasen und Prozessschritte auswirken. Ändern sich die Bedingungen, z.B. durch die Entwicklung neuer Recyclingverfahren, müssten diese wiederum rückwirkend in die LCA einfließen.

Life Cycle Assessment bezeichnet eine ganzheitliche Analyse des Produktsystems von der Wiege bis zur Bahre („Cradle-to-grave“-Prinzip) – idealerweise sogar von der Wiege zur Wiege („Cradle-to-cradle“-Prinzip). Grafik: Shutterstock

Neben den ökologischen Faktoren werden auch soziale Aspekte im gesellschaftlichen Bewusstsein – und damit auch für viele Unternehmen – immer wichtiger. Um diesen neuen Ansprüchen ebenfalls gerecht zu werden, schafft eine Erweiterung der Methodik das Potential, diese zusätzlichen Parameter im Sinne einer sogenannten „Social-LCA“ (S-LCA) gemäß dem „UN Environment Programm“ zu berücksichtigen.

Ökobilanz mithilfe von Kreislaufwirtschaft verbessern

Als anschauliches Beispiel, wie sich Energieaufwand und Umweltbelastung durch technologischen Fortschritt von einer Phase des Produktlebenszyklus zu einer anderen verschieben, dient etwa die Nutzung von Leichtbaumaterialien in der Fahrzeugindustrie. So verbraucht ein Fahrzeug während der Nutzungsphase aufgrund des reduzierten Gewichts zwar weniger Energie in Form von Treibstoff. Allerdings kann der Energieeinsatz in der Herstellungsphase durch eine Erhöhung der Parameter Druck und Temperatur steigen, die beispielsweise in den einzelnen Produktionsschritten von Bauteilen aus CFK (kohlenstoffaserverstärkter Kunststoff) notwendig sind. Aktuelle Forschungsergebnisse der Chalmers University of Technology deuten jedoch darauf hin, dass sich Energieaufwand sowie CO2-Fußabdruck bei der Herstellung von CFK-Komponenten zukünftig noch deutlich senken lassen, wobei das Stichwort Kreislaufwirtschaft eine maßgebliche Rolle spielt.

Wie verschieben sich Energieaufwand und Umweltbelastung durch technologischen Fortschritt von einer Phase des Produktlebenszyklus zu einer anderen? Anschauliches Beispiel ist etwa die Nutzung von Leichtbaumaterialien in der Fahrzeugindustrie. Grafik: Shutterstock

Indem Kohlenstofffasern mit energieärmeren Methoden wie Mikrowellen als Alternative zu klassischen Schmelzöfen hergestellt werden, lässt sich die Ökobilanz von Leichtbaufahrzeugen insgesamt verbessern. Dies verschafft ihnen einen Vorteil gegenüber Fahrzeugen aus herkömmlichen Materialien. Analog hierzu gibt es im gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs verschiedene Aspekte, die fokussiert werden sollten: Es lohnt sich, den Blick nicht nur auf den Recyclingprozess zu richten, sondern auch die Lebensspanne oder die Produktion kann Mittelpunkt einer Betrachtung werden.

Kompetenzen von Engineering bis zum Materialmanagement

Um die Herausforderungen der Ökobilanzierung zu meistern, sind eine präzise Definition von Ziel und Scope sowie eine Abstimmung der Erwartungen und der zugrunde gelegten Methodik das „A und O“. Ausführende Unternehmen sind dabei auf keine bestimmte Software angewiesen. Die Analyse kann flexibel mit dem bevorzugten Tool des Auftraggebers durchgeführt werden. Dabei greifen die LCA-Spezialisten nicht nur auf das eigene Engineering-Know-how, sondern auch auf eine vertiefte Kompetenz in den Bereichen nachhaltige Materialien und damit einhergehender Compliance-Vorgaben sowie „Environmental Sustainability“ zurück. Diese Aspekte, die eng mit dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft verschränkt sind, werden in der Ökobilanzierung stets berücksichtigt. Sie bilden so die Grundlage für umfassende Ansätze zur Optimierung der jeweiligen Produktsysteme und zur Entwicklung neuer Strategien.

Darüber hinaus hat Arrk Engineering (als Teil der Mitsui Chemicals Group) direkten Zugriff auf die hoch entwickelten und nachhaltigen Materialien sowie Produktionsprozesse der Unternehmensgruppe. So hat der Mutterkonzern ein Verfahren zur Herstellung von Kohlenstofffasern mittels Mikrowellen entwickelt, das im Vergleich zu herkömmlichen Prozessen bis zu 50 Prozent Energie einspart. Zudem baut der Konzern derzeit eine Datenbank für recycelte Materialien auf, welche die Implementierung einer Kreislaufwirtschaft in vielen Bereichen vorantreiben soll. Alle diese Kompetenzen bindet das Engineering-Unternehmen ohne weitere Schnittstelle in die durchgeführten Ökobilanzierungen ein und schafft so einen nachhaltigen Mehrwert für Betriebe aus der Industrie sowie der Automotive-Branche.

Spezialisiert auf den Produktentwicklungsprozess

Arrk Engineering (www.arrk-engineering.com) ist ein global aktiver Entwicklungspartner für die Automobil- und Mobilitätsindustrie, der auf eine durchgehende Unterstützung des gesamten Prozesses der Produktentwicklungs spezialisiert ist – von der Konzeptionsphase über die Serienentwicklung bis hin zu Validierung und Systemintegration von mechanischen und elektronischen Komponenten. Innerhalb der Schwerpunktthemen arbeitet das Unternehmen in interdisziplinären Expertenteams mit dem Ziel, Projekte schnell und technisch umfassend zu realisieren. Hierfür steht die langjährige, interdisziplinäre Expertise von 1.600 Mitarbeitenden an Standorten in Deutschland, Rumänien, den Niederlanden, Japan und China bereit.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Automobilindustrie vor der Euro-7-Herausforderung

Automobilbranche im Umbruch – welche Strategien helfen?

Mit welchen Methoden wird Ressourceneffizienz erzielt?

Von Jens Ramsbrock

Dr. Jens Ramsbrock, Diplom-Geophysiker und Nachhaltigkeitsökonom, ist Senior Expert Sustainability and LCA bei Arrk Engineering in München. Foto: Autor