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Kosten senken + Klima schützen 15.05.2023, 13:00 Uhr

Ressourceneffiziente Fertigungsprozesse dank Lean Management

In der Prozessoptimierung und beim Thema Ressourceneffizienz werden oftmals die gleichen Methoden genutzt – aber mit verschiedenen Zielparametern. Das Lean Management stellt einen verbindenden Ansatz dar und lässt sich nutzen, gleich mehrere Vorhaben zu optimieren.

Managementmethoden verbessern die Umweltverträglichkeit einer Produktion: Gezeigt wird, wie sich die Ressourceneffizienz durch Lean Management mit Ansätzen der Digitalisierung in der Praxis optimieren lässt. Grafik: Panthermedia

Managementmethoden verbessern die Umweltverträglichkeit einer Produktion: Gezeigt wird, wie sich die Ressourceneffizienz durch Lean Management mit Ansätzen der Digitalisierung in der Praxis optimieren lässt. Grafik: Panthermedia

Wenn „alles Lean ist“ – ist Prozessoptimierung dann gleich Ressourceneffizienz oder gibt es Unterschiede? Wo die Gemeinsamkeiten liegen und inwieweit Lean Management und Ressourceneffizienz sich unterscheiden und angepasst werden müssen, wird in diesem Beitrag dargestellt.

Das Zusammenspiel der Konzepte bringt den Erfolg

Wie wirken Lean Management, Ganzheitliche Produktionssysteme und Ressourceneffizienz zusammen? Das Lean Management (LM) ist ein Managementansatz, der sich mit der Schaffung von Werten möglichst ohne Verschwendung befasst [1]. Die Lean Production (LP) im Speziellen leitet sich aus dem „Toyota Produktionssystem“ ab [2]. Diese Ansätze bilden die Basis für Ganzheitliche Produktionssysteme (GP), die ein „methodisches Regelwerk zur umfassenden und durchgängigen Gestaltung der Unternehmensprozesse“ sind [3]. GPs behandeln vorwiegend Themen der Prozessoptimierung. Als Zielparameter werden in der Regel Werte gewählt, die die Qualität steigern oder benötigte Zeit und Kosten senken.

Anders sieht dies bei der Ressourceneffizienz (RE), als Verhältnis aus Nutzen und dem Einsatz natürlicher Ressourcen [4] aus.

Aus dem Recyclingprozess einer Autobatterie zurückgewonnene Fraktionen: Das Verhältnis aus dem Nutzen und dem Einsatz natürlicher Ressourcen muss optimiert werden.

Foto: SMS Group

Wesentliche Unterscheidungsmerkmale zum Lean Management sind hierbei die Anwendbarkeit auf weitere Bereiche außerhalb der Prozessoptimierung und der Fokus auf die Senkung des Verbrauchs von Material und Energie bei möglichst gleichbleibendem oder höherem Nutzen. Maßnahmen zur Reduzierung der eingesetzten Ressourcen können allerdings auch in einer besseren Qualität oder einer Senkung der Kosten resultieren. Damit weist die RE im Hinblick auf diese zwei Zielparameter wesentliche Schnittmengen mit dem LM auf.

Die Strategien zur Optimierung der Ressourcen­effizienz

Was sind die Strategien für Ressourceneffizienz und Lean Produktion in einem Produktionssystem? Viele Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz lassen sich auch in der LP anwenden. Hier eine Auswahl von Strategien der VDI 4800 – 1 [4]:

  • Vermindern von geplantem Verlust: Reduzierung von technisch bedingtem Materialverlust zum Beispiel bei der Formänderung.
  • Vermindern des Energieverbrauchs: Reduzierung des Verbrauchs zum Beispiel durch Identifikation und Aussortierung von Verbrauchern oder Anpassung der bereitgestellten Energie an den realen Energiebedarf.
  • Kreislaufführung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen: Einsparung von Ressourcen durch Aufbereitung und Wiederverwendung von Betriebsstoffen, Materialverlusten und Ausschussteilen.
  • Kreislaufführung von Produkten und Bauteilen: Reduktion der eingesetzten Ressourcen durch Aufbereitung von Altbauteilen oder -produkten zu neuwertigen Bauteilen und Produkten.
  • Planung ressourceneffizienter Fertigungsprozesse: Senkung des Ressourcenbedarfs durch eine ganzheitliche ressourceneffiziente Planung der Fertigungsprozesse. Diese ist insbesondere sinnvoll bei der Anschaffung und Dimensionierung neuer Anlagen sowie Anpassung bestehender Anlagen.

RE-Vorhaben bestmöglich umsetzen

Im folgenden soll gezeigt werden, wie RE-Strategien durch Gestaltungsprinzipien und Lean-Methoden umgesetzt werden können. In einem GP können verschiedene Gestaltungsprinzipien verwendet werden (siehe die Säulengrafik). Jedes dieser Prinzipien hat Potenzial, Ressourcen einzusparen. Wichtig für Unternehmen ist es daher, bei der Wahl der Gestaltungsprinzipien für das GP die möglichen Einsparpotenziale zu analysieren und unterstützende Strategien und Methoden zu wählen. Dies ermöglicht es, Werte zu schaffen und dabei Verschwendung zu vermeiden.

Gestaltungsprinzipien in Ganzheitlichen Produktionssystemen gemäß VDI 2870–1 [3; 5]. Grafik: VDI-ZRE

Beim „Fließprinzip“ ergibt sich beispielsweise Einsparpotenzial dadurch, dass Lagerbestände und Bestände von unfertigen Erzeugnissen reduziert werden. Weiterführend kann aktiv nach Strategien und Methoden gesucht werden, dieses Potenzial stärker zu erschließen. Dafür bietet sich die Strategie „Planung ressourceneffizienter Fertigungsprozesse“ an. Dieses kann methodisch beispielsweise durch eine Wertstromplanung oder der Implementierung eines „One-Piece-Flow“ umgesetzt werden.

Steigerung der RE durch LM in der Praxis: Greiferkonfiguration

Gezeigt werden soll, wie sich die Ressourceneffizienz durch Lean Management mit Ansätzen der Digitalisierung in der Praxis steigern lässt. Dass ein „Dreiklang“ – bestehend aus Werte schaffen, Verschwendung vermeiden und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – möglich ist, haben bereits einige Unternehmen unter Beweis gestellt. Zum Beispiel hat ein Hersteller von Automatisierungs-, Handhabungs- und Aufspanntechnik seine Fertigungslinie durch die Einführung eines digitalisierten One-Piece-Flow umgestellt, um so kundenindividuelle Produkte zu fertigen und Lagerbestände zu senken.

Ursprünglich wurde die Grundkonfiguration eines Greifers standardisiert hergestellt und zwischengelagert. Im Rahmen der Umstellung wurde jeder möglichen Produktkonfiguration ein digitaler Produktschlüssel zugeteilt. Mittels eines Konfigurators können Kunden bereits bei der Bestellung aus Millionen möglichen Varianten ihren individuellen Greifer zusammenstellen. Basierend auf dem digitalen Produktschlüssel werden die Fertigungsdaten direkt an die jeweiligen Produktionsanlagen gesendet. Dies erlaube eine fast vollständige Vermeidung der Lagerbestände und eine erhebliche Reduzierung der Lieferzeiten [6]. Die Maßnahmen führten zu Einsparungen beim Schaumstoff von 2,6 Tonnen beziehungsweise 15 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr. Beim Aluminium konnten 233 Kilogramm sowie 7 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr eingespart werden [7].

Eine umfangreichere Betrachtung und weitere Praxisbeispiele bietet die kostenlose Kurzanalyse „Ressourceneffizienz durch Produktionsplanung und Lean Production“ des VDI Zentrums Ressourceneffizienz. Sie wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt und ist downloadbar unter www.ressource-deutschland.de/publikationen/.

Literatur

  1. Reichert, D.; Cito, C., Barjasic, I.: Lean & Green: Best Practice – Wie sich Ressourceneffizienz in der Industrie steigern lasst. Wiesbaden: Springer-Verlag, 2018.
  2. Weber, M.: VDI ZRE Kurzanalyse Nr. 30: Ressourceneffizienz durch Produktionsplanung und Lean Production [online]. VDI ZRE, 2021. https://​www.ressource-deutschland.de/ fileadmin/user_upload/downloads/kurzanalysen/VDIZRE_Kurzanalyse_RE_Produktionsplanung_LeanProduction_barrierefrei_mit_Cover.pdf
  3. VDI 2870 Blatt 1:2012–07: Verein Deutscher Ingenieure e.V., Ganzheitliche Produktionssysteme – Grundlagen, Einführung und Bewertung. Berlin: Beuth-Verlag.
  4. VDI 4800 Blatt 1:2016–02: Verein Deutscher Ingenieure e.V., Ressourceneffizienz – Methodische Grundlagen, Prinzipien und Strategien. Berlin: Beuth-Verlag.
  5. Dombrowski, U., Mielke, T. (Hrsg.): Ganzheitliche Produktionssysteme – Aktueller Stand und zukünftige Entwicklungen [online]. Berlin: Springer Vieweg, 2015.
  6. Schebek, L.; Kannengießer, J. u.a.: Ressourceneffizienz durch Industrie 4.0 – Potenziale für KMU des verarbeitenden Gewerbes. VDI ZRE, 2017 (abgerufen am 22.05.2019) https://www.ressource-deutschland.de​/publikationen/studien/
  7. VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH: Material sparen durch Industrie 4.0 bei der Entwicklung und Produktion, 2017. https://www.ressource-deutschland.tv/themen/allgemeines/industrie-4-0-material-sparen-bei-der-entwicklung-und-produktion/

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Von Tobias Frerichs, Manuel Weber

Tobias Frerichs, M.Sc., ist seit 2021 als Experte für industrielle Produktion und Prozesse im VDI Zentrum Ressourceneffizienz beschäftigt. Foto: Autor
Manuel Weber, M.Sc., ist seit 2013 im VDI ZRE tätig und dort für die Konzeption und Erstellung von Arbeitsmitteln zur Steigerung der Ressourceneffizienz zuständig.