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Ratingagenturen im Vergleich 12.04.2023, 13:03 Uhr

ESG-Ratings – eine gute Basis für steigende Nachhaltigkeits-Anforderungen

Nachhaltigkeit wird zunehmend vom „Nice-to-have“ zum „Must-do“. Dafür sorgen Gesetze wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Corporate Sustainability Reporting Directive. Wie können Unternehmen die steigenden Anforderungen erfüllen?

Ein ESG (Environmental, Social, Governance)-Rating ist vielfach Voraussetzung, um Investoren und Stakeholder zu überzeugen. Aber auch für kleinere Betriebe bietet es Vorteile, sich frühzeitig mit dem Thema zu befassen, um Wettbewerbsfähigkeit und Image zu verbessern. Foto: Laurence Dutton/iStock

Ein ESG (Environmental, Social, Governance)-Rating ist vielfach Voraussetzung, um Investoren und Stakeholder zu überzeugen. Aber auch für kleinere Betriebe bietet es Vorteile, sich frühzeitig mit dem Thema zu befassen, um Wettbewerbsfähigkeit und Image zu verbessern.

Foto: Laurence Dutton/iStock

Der Zwang zum nachhaltigen Produzieren und Wirtschaften kommt nicht nur seitens der Gesetzgebung auf die Betriebe zu. Auch immer mehr Kunden, Partner und Investoren fordern eine valide Nachhaltigkeits-Berichterstattung. Ein ESG-Rating ist für beide Fälle eine gute Basis, wenn es richtig angegangen wird.

Wozu dient ein ESG-Rating und was wird gefordert?

ESG steht für Environmental, Social, Governance, also Umwelt, Soziales, verantwortungsvolle Unternehmensführung. Ein ESG-Rating dient dazu, den Reifegrad der Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens und seines Umgangs mit entsprechenden Risiken zu ermitteln. Im Gegensatz zu Regularien und Gesetzen ist es nicht verpflichtend. Trotzdem sind manche Unternehmen praktisch gezwungen, ein Rating durchzuführen. So wird der Zugang zu Finanzierungsquellen ohne eine entsprechende Bewertung immer schwieriger. Zum Beispiel müssen Vermögensverwalter und Fondsanbieter aufgrund der Sustainable Financial Disclosures Regulation (SFDR) ihre Finanzprodukte einer Nachhaltigkeitskategorie zuordnen. Das kann sich indirekt auch auf Unternehmen auswirken, die auf Fremdkapital angewiesen sind.

Auch in manchen Geschäftsverträgen wird ein ESG-Rating bereits als Anforderung genannt. Und große Unternehmen und Konzerne fordern dies immer häufiger von ihren Zulieferern. OEMs im Automobilmarkt gehen dabei voran und beenden die Zusammenarbeit, wenn Zulieferfirmen kein ausreichendes Rating vorweisen können.

Doch auch wenn es noch nicht zwingend nötig ist, kann ein ESG-Rating für viele Unternehmen sinnvoll sein. Denn in den kommenden Jahren treten einige neue und strengere Gesetze in Kraft. Dazu gehört beispielsweise die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie erweitert die bestehenden Regeln der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich und gleichzeitig werden diese für erheblich mehr Unternehmen gelten. Wer jetzt schon weiß, wo das Unternehmen gut aufgestellt ist und an welchen Stellen noch Nachholbedarf besteht, ist gut gerüstet, wenn es ernst wird.

Zudem sprechen weitere gute Gründe für ein Rating: Unternehmen wissen um die Risiken, die sich aus ihrer Lieferkette, aus der Missachtung von Berichtspflichten oder ungenügendem Nachhaltigkeitsmanagement ergeben, und können diese reduzieren. Durch eine nachhaltige Wertschöpfung können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Sie können sicherstellen, dass sie Umwelt- und Sozialstandards sowie Richtlinien einhalten. Und schließlich können sie ihre Nachhaltigkeitsleistungen transparent kommunizieren und damit das Vertrauen von Kunden, Partnern, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern stärken.

Ein Rating bietet viele Vorteile – wenn es gut ist

Voraussetzung hierfür ist jedoch ein Rating mit einer hohen Punktzahl. Dabei muss man wissen: Ausschlaggebend für die Bewertung ist nicht in erster Linie, wie ausgereift die Systeme, Prozesse und Strategien aktuell sind, sondern wie konsequent das Unternehmen seine ESG-Ziele verfolgt und offenlegt. Als Indikator für den zukünftigen Unternehmenswert dürfte dies wohl zu einem der wichtigsten Faktoren für Investitionsentscheidungen werden. 

Ein Automobilzulieferer hat nach der Umsetzung eines Maßnahmenplans seine Punktzahl deutlich verbessert – und damit im Rating den Goldstatus erreicht.

Foto: Unsplash

Um eine gute Bewertung zu erhalten, wenn es darauf ankommt, empfiehlt es sich, bereits vorher ein erstes ESG-Rating durchzuführen. Denn das liefert eine gute Basis für Verbesserungsmaßnahmen. Der Dienstleister AFRY hat beispielsweise mit einem großen deutschen Automobilzulieferer zusammengearbeitet, um dessen Punktzahl zu erhöhen. Auf der Grundlage seines ersten ESG-Ratings ließ sich ein detaillierter Maßnahmenplan für konkrete Verbesserungen entwickeln. Beim zweiten Rating wurde der Kunde zudem bei der Auswahl der Nachweisdokumente unterstützt und AFRY hat den Rating-Fragebogen vor der Einreichung überprüft. Das Ergebnis: Der Automobilzulieferer hat seine Punktzahl von 58 im ersten Rating auf 66 in der ersten Neubewertung und schließlich auf 72 in der zweiten Neubewertung verbessert – und damit den „Goldstatus“ erreicht.

Welche Ratingagentur ist die richtige?

Unternehmen, die sich für ein ESG-Rating entscheiden, stehen meist vor der Qual der Wahl: Wenn der Kunde oder Investor keine Ratingagentur vorgibt, müssen sie eine auswählen. Da die Ratings nicht gesetzlich verpflichtend sind, unterliegen sie auch keiner Regulierungsaufsicht. Daher wirkt die Ratinglandschaft auf viele Unternehmen intransparent. Eine gut durchdachte Auswahl ist jedoch wichtig, denn jede Ratingagentur entscheidet selbst, welche Nachhaltigkeitsbereiche sie berücksichtigt und welche Methodik sie anwendet.

Was fast alle Ratingagenturen gemeinsam haben: Sie betrachten die Branche, Größe und Standort des Unternehmens, seine Risikoexposition und das Risikomanagement sowie Offenlegungspraktiken, außerdem die Reputation und Medienpräsenz. Doch während einige Agenturen ganze Managementsysteme und Betriebsstrategien bewerten, greifen andere vorwiegend auf öffentlich zugängliche Medien- und Nachhaltigkeitsberichte zurück.

Welche Methoden nutzen Ratingagenturen?

Die angewendeten Methoden reichen von der Beantwortung branchenspezifischer Fragebögen durch die zu beurteilenden Unternehmen über die Einreichung von Nachweisdokumenten und die Analyse öffentlicher Unternehmenserklärungen sowie -berichte. Begleitend zur Erhebung von ESG-Daten werden externe „Kontroversen-Screenings“ durchgeführt, bis hin zu Workshops, Analyst*innengesprächen und Stakeholder-Interviews. Einige ESG-Bewertungssysteme nutzen ein bis zwei Methoden, andere kombinieren mehrere. 

Unternehmen können durch ein ESG-Rating ihre Risiken reduzieren und dank der nachhaltigeren Wertschöpfung die Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Foto: GettyImages

Um die optimale Ratingagentur für ein Unternehmen zu finden, kann es helfen, folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie wird die aktuelle ESG-Leistung des Unternehmens eingeschätzt?
  • Welche Nachhaltigkeitsthemen sind entscheidend für das Profil des Unternehmens? 
  • Welche Ratings sind für die Branche, Größe und externe Kommunikation des Unternehmens relevant?
  • Welches sind die wichtigsten Stakeholder und Zielgruppen für das ESG-Rating? 
  • Mit welchem Rating kann das Unternehmen sein ESG-Risikomanagementsystem am besten glaubwürdig, transparent und nachvollziehbar darstellen?

Die etabliertesten ESG-Ratingagenturen

Folgende Ratingagenturen zählen international zu den auf dem Markt bekanntesten und wichtigsten:

  • EcoVadis: Das EcoVadis-Rating umfasst die Bereiche Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und nachhaltige Beschaffung in der Lieferkette. Es basiert auf einer evidenzbasierten Bewertung des gesamten Nachhaltigkeitsmanagementsystems des Unternehmens. 
  • CDP: Das Rating von CDP dient vor allem als Basis für Investitionsentscheidungen, der Fokus liegt auf Berichten zu CO2-Emissionen und Daten zum Klimawandel. Die Bewertungen beziehen sich auf den Klimawandel, Wälder und Wassersicherheit und werden anhand von Fragebögen erstellt. 
  • ISS: In das Rating der Institutional Shareholder Services (ISS) fließen 100 branchenspezifische Kriterien zum Klimawandel, zu den 17 Zielen der Agenda 2030 der UN (17 SDGs – Sustainable Development Goals), zu Biodiversität, Menschenrechten und Arbeitsnormen, zu Korruption, umstrittenen Waffen und vielem mehr. Vor allem Investoren und Unternehmen, die ESG- und Governance-Risiken ihres Shareholder Value reduzieren möchten, fordern ein ISS-Rating.
  • S&P Global Corporate Sustainability Assessment (CSA): Für das CSA-Rating muss das Unternehmen Fragebögen beantworten, zusätzlich analysiert S&P öffentlich zugängliche Daten. Die am besten bewerteten Unternehmen werden in die DJSI (Dow Jones Sustainability Indices) aufgenommen. 
  • FTSE Russel und VE / Moody‘s sind vor allem in den USA relevant, für Finanz- und Investmentgesellschaften haben sich z. B. MSCI und Sustainalytics als die wichtigsten Ratingagenturen herauskristallisiert. 

Fazit: Unternehmen können aus einer Vielzahl an Anbietern, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen, das für sie passende Paket auswählen. Wenn sie das für sie optimale ESG-Rating frühzeitig angehen, sind diese Betriebe für die kommenden Nachhaltigkeitsanforderungen gut vorbereitet. Und schon zum jetzigen Zeitpunkt können sie es für mehr Wettbewerbsfähigkeit und ein besseres Image nutzen.

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Von Pia Dewitz, Dorothee Wolf

Pia Dewitz ist Senior Sustainability Consultant bei AFRY. Das Unternehmen mit Sitz in Stockholm, Schweden, bietet mit 19.000 Beschäftigten weltweit Ingenieur-, Design-, Digital- und Beratungsdienstleistungen für den Übergang zu einer nachhaltigeren Gesellschaft an. Foto: AFRY
Dorothee Wolf ist ESG-Analyst bei AFRY.