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Forschung und Industrie im Dialog 27.04.2022, 07:30 Uhr

GrindingHub als neuer Treffpunkt der „Schleif-Community“

Stuttgart wird vom 17. bis zum 20. Mai 2022 zum internationalen Drehkreuz für Schleiftechnologie und Superfinishing. An den Start geht die „GrindingHub“, die der VDW im zweijährigen Turnus in Kooperation mit der Messe Stuttgart und Swissmem veranstaltet.

Innovative hybride Fertigungsprozesse sichern die Wettbewerbsfähigkeit auch in der Schleiftechnikbranche: Lösungen mit kombinierten Verfahren in einer Maschine sind bei der international ausgerichteten Messe „GrindingHub“ im Mai in Stuttgart zu sehen. Foto: Emag

Innovative hybride Fertigungsprozesse sichern die Wettbewerbsfähigkeit auch in der Schleiftechnikbranche: Lösungen mit kombinierten Verfahren in einer Maschine sind bei der international ausgerichteten Messe „GrindingHub“ im Mai in Stuttgart zu sehen.

Foto: Emag

Die erstmals stattfindende Fachmesse wurde auf Anregung der Branche vom VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), Frankfurt am Main, initiiert. Der Fokus liegt auf allen Aspekten der Wertschöpfung im Technologiebereich Schleifen und Superfinishing. Im Zentrum stehen die Schleifmaschinen, Werkzeugschleifmaschinen und Schleifmittel. Mit dem Blick auf das Produktionsumfeld dieser Hightech-Industrie werden zudem alle relevanten Softwaretools, die Prozessperipherie und die erforderlichen Mess- und Prüfsysteme für das Qualitätsmanagement rund um die Prozesskette des Schleifens präsentiert.

Swissmem bringt internationale Branchenkompetenz mit ein

Dank der hohen wirtschaftlichen und regionalen Verbundenheit zur Schweiz konnte der Schweizer Verband der Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie – Swissmem – als ideeller Träger gewonnen werden. Der Verband vertritt einen wichtigen Markt für die Schleiftechnik und bereichert das GrindingHub-Team mit vielfältiger Branchenkompetenz.

Und ganz neu an Bord ist seit Januar 2022 außerdem die „Schleiftagung“: Damit soll eine noch intensivere Vernetzung im Umfeld der Schleiftechniker sowie zwischen Industrie und Forschung gelingen. Denn dahinter steht das Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen mit seiner Expertise und seinen zahlreichen Kontakten.

Aktuelle Zahlen zur Schleiftechnik-Branche

Die Schleiftechnik gehört zu den Top-Fertigungsverfahren in der Werkzeugmaschinenindustrie. Sie kommt in der Endbearbeitung zum Einsatz und muss in der Oberflächenbearbeitung höchste Ansprüche erfüllen. International ist sie eine kleine, aber feine Branche mit einem Anteil von 7 Prozent an der weltweiten Werkzeugmaschinenproduktion.

2020 wurde weltweit Schleiftechnologie im Wert von 4,3 Milliarden Euro produziert, wie Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW, anlässlich des GrindingHub-Preview erläuterte. Hinter China und vor Japan steht Deutschland auf Platz Zwei der größten Anbieter, mit einem Anteil von rund einem Fünftel. Die größten Absatzmärkte weltweit sind China, die USA und Deutschland mit Anteilen von 33 Prozent, 15 Prozent und 9 Prozent.

Hierzulande wurde 2021 Schleiftechnik im Wert von 805 Millionen Euro produziert. Nach vorläufigen Zahlen entsprach das einem Rückgang von 5 Prozent gegenüber 2020. Über vier Fünftel der Produktion gingen in den Export, der um 8 Prozent gesunken ist. Entsprechend waren die meisten der Top-15-Absatzmärkte rückläufig. Aus dem Tal heraus gearbeitet haben sich jedoch bereits etliche Europäer – so auch die wichtigen Märkte Österreich und Italien. Frankreich, der aus deutscher Sicht viertwichtigste Markt, sowie die Schweiz müssen noch aufholen. Die deutschen Einfuhren von Werkzeugmaschinen (inklusive Teilen und Zubehör) haben 2021 um 11 Prozent zugelegt. Für die Schleiftechnik notierte der Import 13 Prozent höher als im Vorjahr – bei 245 Millionen Euro. Wichtigster Lieferant war mit Abstand die Schweiz mit rund 37 Prozent, dahinter folgten Tschechien und China.

Die Fakten zur Messe

Zwei Jahre Pandemie, zwei Jahre ohne Messe – den Ausstellern ist die Vorfreude auf die GrindingHub deutlich anzumerken: Sie können es kaum erwarten, ihre Neuheiten einem breiten fachkundigen Publikum vorzuführen. Zum Zeitpunkt der Vor-Pressekonferenz des VDW, die Ende März 2022 stattfand, hatten sich insgesamt 362 Aussteller aus 23 Ländern für die GrindingHub angemeldet. Sie decken 38 Branchensektoren rund um die Schleiftechnik ab und belegen rund 17.643 Quadratmeter Nettoausstellungsfläche, die sich auf die Hallen 7, 9 und 10 des Stuttgarter Messegeländes verteilen.

Zu den Top-5-Sektoren zählen Rund- und Unrundschleifmaschinen, Schleif-, Polier- und Honmittel, Werkzeugschleifmaschinen für Schneid- und Zerspanwerkzeuge, Entsorgung und Aufbereitung von Kühlschmierstoff sowie Flachschleifmaschinen. 205 Aussteller kommen aus Deutschland, gefolgt von der Schweiz mit 56 Firmen und Italien mit 37 Herstellern. Auch aus Österreich, Frankreich, Japan und den USA sind Aussteller angemeldet.

Die international ausgerichtete Fachmesse tritt mit einem hybriden Konzept auf. Sowohl begleitend zur Messe als auch zwischen den Veranstaltungsjahren bietet die GrindingHub digitale Formate für „Matchmaking“, Web-Seminare und -Konferenzen. Aktuelle Trends und Innovationen werden über alle Kanäle hinweg kommuniziert. Eine wichtige Rolle auf der Messe spielt der Dialog von Wissenschaft und Forschung. Dieser wird zum Beispiel im Sonder-Ausstellungsbereich „GrindingSolutionPark“ umgesetzt.

Junge Unternehmen präsentieren ihre Innovationen auf dem Start-up Hub

Mit dem Gemeinschaftsstand „Start-up Hub“ möchte der VDW insbesondere Jungunternehmen den Markteinstieg erleichtern. Gerade für Start-ups haben Messen eine besondere Bedeutung, um neue Kunden zu treffen und eine starke, zuverlässige Marke aufzubauen – so stellt der VDW aus der Analyse von Statistiken fest. Der „Deutsche Startup Monitor“ (DSM) des Startup-Verbands, Berlin, zeigt, dass sich das Geschäftsklima für junge Unternehmen nach der Corona-Pandemie deutlich erholt hat und wieder auf Vorkrisenniveau liegt.

Allein im vergangenen Jahr wurden für Deutschland 2013 Start-ups ausgewiesen. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Unternehmen, die kurz vor der Pandemie gegründet wurden, auch äußerst schwierige Zeiten überbrücken mussten. Statistisch gesehen, werden rund zwei Drittel aller Neugründungen aus eigener Kraft und eigenfinanziert auf den Weg gebracht. Und wo es keine Referenzumsätze aus den Vorjahren gab, waren Corona-Hilfen somit keine Option.

Ein Beispiel für Start-up-Ideen: Das Verfahren Ultraschall-Entgraten

Das galt auch für das Unternehmen, das Iris Münz gemeinsam mit Ehemann Dieter 2019 gegründet hat. Die ursprüngliche Idee für die Ultraschall-Entgratungsanlage stammt aus einem Projekt, mit dem sich Sohn Jonas gemeinsam mit einem Freund erfolgreich bei „Jugend forscht“ bewarb. Drei Tage, bevor der Junior die höchste Auszeichnung, den „Preis des Bundespräsidenten, für eine außergewöhnliche Arbeit“ entgegennahm, wurde die Firma ultraTec Anlagentechnik Münz gegründet. Das neuartige Ultraschall-Entgratungsverfahren ist effizient und ressourcenschonend – und das junge Unternehmen hat es sich folgerichtig durch zwei bereits erteilte Patente schützen lassen.

Automatisiertes Ultraschall-Entgratungsverfahren: Bauteile lassen sich dabei in einem definierten Winkel entlang der Sonotrodenspitze führen. Vorhandene Grate werden aufgeschwungen und prozesssicher abgetragen.

Foto: ultraTec Anlagentechnik Münz

Zum Verfahren: Angeregt durch den Ultraschall-Generator, schwingt die Sonotrode im Prozesswasserbecken 20.000-mal in der Sekunde über 0,1 Millimeter vor und zurück. Die zu entgratenden Kanten und Bohrungen eines Bauteils werden in einem definierten Winkel entlang der Sonotrodenspitze geführt. Grate werden aufgeschwungen und prozesssicher abgetragen.

Die Besonderheit: Das Verfahren ist nahezu materialunabhängig; auch sensible Oberflächen, komplexe Geometrien, Mikrobauteile oder scharfe Kanten lassen sich im validierbaren Prozess automatisiert bearbeiten. Die mechanisch-technischen Eigenschaften werden nicht verändert. Auch der Umweltaspekt überzeugt: Das Verfahren begnügt sich laut Iris Münz mit ressourcenschonenden 5 Prozent des Energieverbrauchs gegenüber dem thermischen Entgraten oder dem Hochdruckwasserstrahlentgraten. Das Prozesswasser lässt sich problemlos entsorgen, da keine Chemikalien beigefügt und die abgelösten Grate ausgefiltert werden. 

Aus der Forschung direkt erfolgreich in den Markt

In Deutschland hat nahezu jede zweite Neugründung einen ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund. Laut DSM stammt zudem jede vierte Unternehmensgründung (26 Prozent) aus dem Bereich Forschung/Hochschule. Das spiegelt sich auch auf dem Start-up-Hub wider. Während die Fraunhofer-Gesellschaften von einem „integralen Bestandteil eigener Verwertungsaktivitäten“ sprechen, sieht das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hier vor allem den Ursprung besonderer Hoffnungsträger. Von Spin-offs werden schnelles Wachstum, positive Beiträge zum Strukturwandel, Impulse beim Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen erwartet.

Beim audio-visuellen Live-Support werden Maschinenbedienende über ein mobiles Endgerät ihrer Wahl mit Spezialisten des Herstellers verbunden.

Foto: oculavis

In dieses Muster passt die Firma oculavis, 2016 aus der Fraunhofer-Gesellschaft und der RWTH Aachen hervorgegangen, mit der „Mission“, Abläufe in Kundenservice, Wartung und Instandhaltung zu transformieren. Auf der GrindingHub stellen die Aachener ihre modulare Augmented Reality-Plattform „oculavis Share“ vor, die das Ziel verfolgt, „technisches Wissen an jeden Ort der Welt zu bringen“. Die Firma räumte mit ihrer Lösung bislang 18 Awards ab, gewann den „Gründerpreis NRW“ und beschäftigt inzwischen bereits knapp 70 Mitarbeiter. Mit der Plattform wird es möglich, teuren Servicetechnikerinnen und -technikern lange Reisen zu Kunden – etwa nach Indien, China oder Australien – zu ersparen. Digitale Ansätze stellen dennoch eine hohe Servicequalität bei gleichzeitig hoher Maschinenverfügbarkeit sicher. Der Anlagenhersteller kann zum Anbieter seiner eigenen Remote Service-Plattform werden – Beispiele liefern dazu Aussteller der Messe, die das System bereits erfolgreich nutzen.

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Von VDW / Birgit Etmanski