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Mit Aluminium in die Zukunft 17.01.2024, 16:03 Uhr

Chancen für Zerspaner und Werkzeughersteller erschließen

Der Werkstoff Aluminium findet sich in zahlreichen Lebensbereichen wieder. Und das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft: Nach zahlreichen Prognosen wird der Einsatz des Leichtmetalls weiter ansteigen. Dies fordert auch Werkzeug-Entwickler und Beschichtungsexperten heraus.

Mit sehr scharfen Schneiden und abgestimmten Beschichtungslösungen erzielen Anwender bei der Aluminium-Zerspanung hohe Standzeiten und beste Bearbeitungsergebnisse. Foto: CemeCon

Mit sehr scharfen Schneiden und abgestimmten Beschichtungslösungen erzielen Anwender bei der Aluminium-Zerspanung hohe Standzeiten und beste Bearbeitungsergebnisse.

Foto: CemeCon

Elektromobilität, klassischer Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt, Bauwesen, Maschinenbau, Elektronik, Klima- und Solartechnik, Verpackungen und mehr – Aluminium begegnet uns nahezu überall. Vom Smartphone über das Fahrrad bis zum Gartenstuhl gibt es kaum ein Gebiet der Technik und des täglichen Lebens, in dem Produkte aus diesem Werkstoff nicht verwendet werden. Beschichtungsexperten sehen weiterhin große Chancen, neue Märkte zu eröffnen. Angesprochen sind vor allem Zerspaner und Hersteller von Werkzeugen.

Eine fundierte Meinung aus der Wissenschaft

Aluminium ist der Werkstoff der Zukunft – da ist sich Prof. Dr.-Ing. Jürgen Rainer Hirsch, apl. Professor am Institut für Metallkunde und Metallphysik an der RWTH Aachen University und einer der weltweit führenden Experten rund um das Leichtmetall, sicher. Aber woran liegt das? „Zum einen ist Aluminium als dritthäufigstes Element in der Erdkruste fast unbegrenzt verfügbar. Und zum anderen ist es sehr leicht zu recyceln – und das oft ohne Qualitätsverluste. Rund 75 Prozent (zirka 750 Millionen Tonnen) des jemals produzierten Aluminiums werden heute noch verwendet und bilden eine Ressourcenbank für die Zukunft. Dabei erfordert das Wiederaufschmelzen nur noch 5 Prozent Energie im Vergleich mit der Neuherstellung und der Metallverlust ist gering“, so Hirsch. „Wichtig ist diese große Verfügbarkeit wegen der hervorragenden Werkstoff-Eigenschaften: Aluminium ist sehr leicht – nur ein Drittel der Dichte von Stahl – und als Legierung extrem belastbar und fest. Es lässt sich leicht umformen und verarbeiten, bildet umgehend eine schützende Oxidschicht bei Kratzern und leitet Elektrizität und Wärme. So lässt es sich vielseitig einsetzen: Überall, wo Gewichtsersparnis, Schutzfunktion, Stabilität und Korrosionsbeständigkeit gefordert sind, ist Aluminium die erste Wahl.“

Zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte in seiner beruflichen Laufbahn haben Prof. Dr.-Ing. Jürgen Rainer Hirsch zu einem der führenden Experten rund um den Werkstoff Aluminium gemacht. Begonnen hat er mit seinem Studium der Hütten-Metallkunde an der RWTH Aachen. Nach seinem Abschluss folgten Promotion und Habilitation. Nach zehn Jahren Universitätslaufbahn wechselte er in die Aluminium-Industrie (Alcoa, VAW, Hydro). Seit 2001 ist er apl. Professor am Institut für Metallkunde und Metallphysik der RWTH Aachen University.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Rainer Hirsch von der EWTH Aachen gilt als anerkannter Experte rund um den Werkstoff Aluminium.

Foto: CemeCon

Mit seiner Firma Aluminium Consulting berät der international anerkannte Wissenschaftler Unternehmen zu Aluminium-Metallkunde, -Fertigung, -Einsatz und Ähnlichem für unterschiedlichste Anwendungen. Er bietet ebenfalls Weiterbildungen zum Thema Aluminium-Werkstoffe an. Hirsch ist unter anderem Senior Scientist und Berater für SPEIRA Aluminium GmbH in Bonn sowie CTO der HoDforming GmbH in Düsseldorf (www.hodforming.com). Er ist aktiv in verschiedenen Industrie- und Hochschulgremien sowie Mitbegründer und Mitverfasser des E-Learning-Tools „AluMatter“.

Zahlreiche Anwendungen für Aluminium

Der derzeit größte Wachstumsmarkt für den Einsatz von Aluminium ist das Transportsegment, gefolgt vom Bauwesen, von elektrischen Anwendungen und Verpackungen. Das Nichteisenmetall ist das ideale Leichtgewicht, um bei Flugzeugen, Pkw, Bussen, Lkw, Zügen und Schiffen das Gewicht deutlich zu reduzieren, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. Gegenüber Stahlbauteilen beispielsweise wiegen Aluminiumbauteile meist nur die Hälfte. Das senkt den Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Zudem verbessert sich das Fahrverhalten. Fast überall in den Fahrzeugen ist es verbaut – von Karosserie, Heckklappen und Türen über Fahrwerke, Motorblöcke, Zylinderköpfe und Getriebe bis hin zu Felgen.

Auch in der Elektromobilität spielt Aluminium eine immer größere Rolle. Dazu Jürgen Rainer Hirsch: „Eine Gewichtsreduzierung durch Aluminium ist eine kosteneffiziente Möglichkeit, die Reichweite des Elektrofahrzeugs zu erweitern, und wird somit zu einem Schlüsselfaktor für Elektrofahrzeuge werden, um Marktakzeptanz, -wachstum und Rentabilität zu erreichen. Dank der guten Wärmeleitfähigkeit eignet sich das Metall zudem hervorragend für die Herstellung der Batteriewannen, da damit eine bessere Temperaturkontrolle ermöglicht wird.“

Für jedes Einsatzgebiet die passende Legierung

Um die unterschiedlichen Anforderungen zu erfüllen, werden Aluminiumlegierungen in der chemischen Zusammensetzung und Verarbeitung an die jeweilige Anwendung angepasst. Die mechanischen Eigenschaften von Al-Legierungen unterscheiden sich deutlich von denen des reinen Aluminiums. Vor allem die Zugfestigkeit und Dehngrenze werden durch das Zulegieren von Elementen wie Magnesium (Mg), Silizium (Si), Mangan (Mn), Zink (Zn) und Kupfer (Cu) deutlich erhöht (Rm 300 bis 700 mPa).

Die naturharten Al-Mg-Legierungen werden zum Beispiel als Blechform- und Strukturteile im Automobil-Fahrwerk und in der Rohkarosse sowie in Hochgeschwindigkeitsschiffen eingesetzt. Die wichtigsten Werkstoffe für den allgemeinen Leichtbau zum Beispiel für Blechformteile als Außenteile der Automobilkarosserie sind die aushärtbaren Al-MgSi-Legierungen. Sie eignen sich auch besonders zur Herstellung komplexer Formen, zum Beispiel für Anwendungen im Bauwesen, in der Elektrotechnik und in vielen alltäglichen Gegenständen sowie auch beispielsweise bei Schienenfahrzeugen wie dem ICE 1 bis 3. Al-ZnMg-Legierungen ohne Kupfer können gut Energie absorbieren und finden deswegen vermehrt Anwendung bei Crash-Elementen und Stoßfängern im Automobilbau. Hochfeste Al-Cu- und Al-ZnMgCu-Legierungen haben wegen der hohen Anforderungen an Materialqualität, Konstruktion und Verarbeitung ihre Einsatzgebiete beim Bau von Luft- und Raumfahrzeugen, aber auch im Werkzeug- und Formenbau sowie bei der Fertigung von Verbindungselementen, wie Schrauben und Nieten.

Zerspanung von Aluminium sorgt für hohe Bauteilqualität

„Aluminiumgusslegierungen sind sehr gut gießbar. Das ist wohl auch der Grund, warum sie so häufig im Leichtbau eingesetzt werden. Etwa 80 Prozent aller Aluminiumgussteile in Deutschland werden dabei aus recyceltem Aluminium hergestellt. Der Werkstoff erfüllt hohe Anforderungen an Festigkeit und Zähigkeit, etwa für Sicherheitsteile im Fahrzeugbau. Der wichtigste Bestandteil ist wohl das Silizium (Si) für hohe Fließ- und Formfüllungseigenschaften“, so Hirsch. Oft müssen diese Gussteile mittels Zerspanoperationen nachbearbeitet werden, um die Passgenauigkeit zu verbessern.

Elektromobilität, Luft- und Raumfahrt, Elektrotechnik, Maschinenbau und mehr – Aluminium gilt als Werkstoff der Zukunft, bei Wissenschaftlern und Anwendern gleichermaßen.

Foto: Hufschmied

Grundsätzlich kann Aluminium mit allen spanenden Verfahren bearbeitet werden. Das ist vor allem beim Flugzeugbau von entscheidender Bedeutung. Hier gelten aus sicherheitstechnischen Gründen besonders hohe Anforderungen an die Bauteile. Deswegen werden oftmals kleinere Bauteile nicht einfach durch Schweißen verbunden, sondern es wird das komplette Bauteil aus den Vollen gefräst. Auch Handyschalen bestehen aus den traditionellen Flugzeuglegierungen und werden mittels Fräsen hergestellt. Denn hier sind für eine perfekte Haptik sehr glatte Oberflächen gefordert. Das ist in dieser Güte nur mit Zerspanung möglich.

Was gilt es bei der Zerspanung von Aluminium zu beachten?

Mit sehr scharfen Schneiden ist Aluminium prinzipiell gut zerspanbar, neigt aber dazu, Aufbauschneiden zu bilden. Zudem bedingen unterschiedliche Legierungsbestandteile auch andere Beschichtungsspezifikationen. So ist zum Beispiel eine Aluminium-Legierung mit Silizium besser zerspanbar als eine mit Lithium. Da sind spezielle Lösungen gefragt. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns auch als Beschichtungsexperten ständig über die Werkstofftrends, Werkzeuggeometrien und Bearbeitungsstrategien auf dem Laufenden halten und mit Experten aus den unterschiedlichsten Sparten zusammenarbeiten. Denn nur wenn wir wissen, wo und wie unsere Beschichtungen eingesetzt werden, können wir exakt auf die Anwendung zugeschnittene Lösungen entwickeln. Die Basis – und 50 Prozent einer Beschichtung – machen Schichtwerkstoffe aus, wie zum Beispiel ,AluCon‘. Die andere Hälfte setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, wie Schichtdicke, Toleranz, Vorbehandlung, Finishing und mehr. Solche abgestimmten Lösungen sorgen dann für hohe Standzeiten, hervorragende Bearbeitungsergebnisse und eine wirtschaftliche Fertigung“, erläutert Manfred Weigand, Produktmanager Round Tools bei CemeCon.

Das Unternehmen ist Weltmarktführer in der Diamant-Beschichtung und Technologieführer in der PVD (Physical Vapour Deposition)- und vor allem HiPIMS-Beschichtung von Präzisions-Zerspanwerkzeugen. Die für Premium-Werkzeuge erforderlichen Schichtwerkstoffe werden in den in Würselen entwickelten Beschichtungsanlagen hergestellt. Weltweit nutzen namhafte Werkzeughersteller die Technologie und das Expertenwissen, um ihren eigenen Wettbewerbsvorsprung auszubauen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. 1986 von Dr. Toni Leyendecker gegründet, ist der Betrieb über drei Jahrzehnte beständig expandiert. Vom Stammsitz in Würselen und von den Zentren in den USA, China und Japan aus, sowie durch Vertriebspartner, werden alle wichtigen internationalen Märkte bedient.

Beschichtung passt perfekt zum Zerspanen von Aluminium

Der HiPIMS-Schichtwerkstoff AluCon basiert auf TiB2. Die geringe Affinität zu NE-Metallen und die hohe Härte machen die Schichtwerkstoffe so erfolgreich bei der Zerspanung von Aluminium, Kupfer und Titan. Das HiPIMS-Verfahren sorgt für eine hohe Schichthaftung, Dichte und Härte.

Die Zukunftstechnologie HiPIMS (Hochenergieimpulsmagnetronsputtern – englisch: high power impulse magnetron sputtering) vereint die Vorteile aller gängigen PVD-Beschichtungsverfahren – und das mit hoher Wirtschaftlichkeit. Beste Leistungsfähigkeit und eine signifikant längere Lebensdauer der Werkzeuge sind damit auch bei der Bearbeitung extrem schwer zu zerspanender Materialien möglich. Das gewährleistet hohe Produktivität in der Zerspanung von modernen, aber auch sehr abrasiven Werkstoffen – wie faserverstärkte Kunststoffe, Keramiken oder Grafite. Die Multilayer-Technologie in der Diamant-Beschichtung wurde von CemeCon entwickelt und patentiert.

Dank der Schichtdicke von 2 µm und der feinen Kristallstruktur eignet sich AluCon besonders gut für die Aluminiumbearbeitung mit scharfen Schneiden. Der Schichtwerkstoff schützt bestens vor Aufbauschneiden. Die extrem glatte Oberfläche sorgt für eine optimale Spanabfuhr. Dank der verminderten Reibung wird die Temperatur im Zerspanprozess reduziert. Dabei senkt die dichte, geschlossene Schichtstruktur zudem erfolgreich die Diffusion und damit den Verschleiß bei hohen Einsatztemperaturen. Das Ergebnis sind deutlich längere Standzeiten. Die sehr gute Haftung, gepaart mit der hohen Härte von 5.000 HV0,05 und besserer Duktilität, ermöglicht eine hohe Leistung in der Nass- und Trockenzerspanung – und das bei gesteigerten Schnittdaten. So erzielen Werkzeuge mit dieser Beschichtung Bestleistungen beim Bearbeiten von Leichtmetallen wie Aluminium, Kupfer und Titan.

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