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Deep Learning für Kameras 16.05.2023, 15:10 Uhr

Anomalien smart erkennen dank KI-unterstützter Bildverarbeitung

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nimmt derzeit in zahlreichen Anwendungsfeldern stark zu. Auch in der Bildverarbeitung sind die Ergebnisse von Fehleranalysen mit KI-Unterstützung sehr vielversprechend – doch vor dem Durchbruch müssen noch Aufgaben gelöst werden.

Ein flexibles, auf Deep Learning basierendes Bildverarbeitungssystem macht selbständige Lernprozesse und die zuverlässige Detektion von Anomalien
möglich. Grafik: Imago Technologies

Ein flexibles, auf Deep Learning basierendes Bildverarbeitungssystem macht selbständige Lernprozesse und die zuverlässige Detektion von Anomalien möglich. Grafik: Imago Technologies

Anwender stehen gerade in der Großserienfertigung vor einem Problem: Die Produktionsqualität ist oft so hoch, dass es Wochen dauern kann, bis ausreichend fehlerhafte Teile gefunden werden. Solche Fehlteile sind jedoch für den Lernprozess eines KI (Künstliche Intelligenz)-basierten Systems erforderlich, um Bildklassen zu generieren, die die jeweiligen Fehler repräsentieren.

Abhilfe schaffen hier KI-Lösungen, die Anomalien, sprich Unregelmäßigkeiten an den produzierten Bauteilen erkennen und geeignete Alarme auslösen, um die fehlerhaften Teile aus dem Prozess auszuschleusen. Hierbei können auch Fehler detektiert werden, die der Anwender im Vorfeld noch gar nicht absehen konnte. Anhand der aussortierten Teile sind im Anschluss weitere Fehleranalysen möglich, die zu einer Optimierung der Fehlererkennung beitragen.

KI-Anwendung „leicht gemacht“

Methoden der Künstlichen Intelligenz bieten ungeahnte Möglichkeiten, doch der Technologie haftet noch immer der Ruf an, sehr komplex und nur von Spezialisten beherrschbar zu sein. Aktuelle Fortschritte in der Hardware sowie in der Anwendungssoftware schaffen jedoch neue Optionen, um einfache Systeme zur Anomaliedetektion zu realisieren. Beispielsweise bietet Imago Technologies mit seinem flexiblen, auf Deep Learning basierenden Bildverarbeitungssystem ein alltagstaugliches Werkzeug für diesen Zweck an. Das Unternehmen, 1994 gegründet, entwickelt und vertreibt seit mehr als 20 Jahren erfolgreich Embedded-Vision-Komponenten. Diese Komponenten und die intelligenten Kameras sind in der Lage, Maschinen zu steuern oder auf Maschinen hergestellte Produkte zu kontrollieren.

Die Lösung „Vision Cam AI.go“ wurde vor allem für Endanwender entwickelt, die keine oder nur wenig Erfahrung in den Bereichen Programmierung oder Bildverarbeitung haben. Die hohe Flexibilität dieser intelligenten Kamera ermöglicht ihren Einsatz in zahlreichen industriellen Anwendungsbereichen, um eine zuverlässige Prüfung von Qualitätsmerkmalen und die Erkennung von Anomalien auf möglichst einfache Weise zu gewährleisten.

Große Vorteile bei kleinen Oberflächenstrukturen

Folgendes Beispiel aus der Elektronikfertigung verdeutlicht die Vorgehensweise beim Einsatz der Vision Cam: Leiterplatten werden in einem Betrieb in großen Stückzahlen maschinell mit elektronischen Bauelementen bestückt und anschließend ebenfalls automatisch verlötet. Ausgereifte Bestückungs- und Lötprozesse sorgen hier in der Regel für eine sehr geringe Fehlerquote.

Eine fehlerfreie Leiterkarte.

Foto: Oròbix srl

Dem eingesetzten Vision-System werden als fehlerfrei klassifizierte Platinen eingelernt, wodurch die KI-basierte Vision Cam AI.go anschließend Produkte mit Anomalien erkennen und die Ausschleusung aus dem Prozess anstoßen kann. Ob eine Nacharbeit der abweichenden Komponenten erforderlich oder lohnend ist, entscheiden danach Mitarbeiter. Die Abbildungen zeigen zum einen eine fehlerfreie, zum anderen eine Leiterkarte mit fehlerhafter Diode. Dieser Fehler ist mit dem menschlichen Auge nur schwer zu erkennen. Durch die Anomaliedetektion wird er nun gut sichtbar markiert.

Eine Leiterkarte mit fehlerhafter Diode: Die Anomalieerkennung hat den Fehler detektiert und rot markiert.

Foto: Oròbix srl

Bestückte Leiterplatten sind häufig sehr komplex und stellen aufgrund dessen für Bildverarbeitungssysteme eine Herausforderung dar. Mit Hilfe der Vision Cam ist ihre Prüfung jedoch ohne großen Aufwand und ohne die Parametrierung komplexer Bildverarbeitungssoftware realisierbar. Erforderlich ist dafür lediglich der Einsatz einer möglichst diffusen Beleuchtung wie beispielsweise eines LED-Domes sowie die Auswahl eines passenden C-Mount-Objektivs und eines optionalen Polarisationsfilters, um Reflexionen zu reduzieren. Nach der Montage der Kamera muss der Anwender nur noch die digitalen I/Os mit der SPS und das Ethernet mit einem Browser verbinden, und schon ist das System einsatzbereit. Jeder, der mit der Installation und dem Betrieb einer Smart-Kamera vertraut ist, kann die Lösung problemlos einsetzen.

Unkompliziertes Einlernen in der Kamera

Das Komplettsystem besteht aus einem Kamerasensor mit 5 MPixel Auflösung, einem Multiprozessorsystem und einer einfach zu bedienenden Anwendungssoftware. Bereits nach der Parametrierung weniger Kameraeinstellungen lassen sich damit die fehlerfreien Teile einlernen. Dieser Prozess, der bei anderen Systemen häufig in der Cloud ausgeführt wird, findet direkt in der „intelligenten“ Kamera statt. Sie verfügt dafür über genügend Rechenleistung und ist für viele Anwendungsfälle auch schnell genug.

Dies lässt sich gut anhand der beispielhaften Leiterplattenprüfung erklären, wo man drei Fälle unterscheiden kann: Im ersten Fall hat man auf der Leiterplatte eine eingeschränkte „Problemzone“, in der Fehler auftreten können. Definiert der Anwender diesen im Englischen „Region Of Interest“ (ROI) genannten Bereich und konzentriert die Überprüfung darauf, so ist die Vision Cam AI.go für viele Anwendungen schnell genug. Soll die Kamera im zweiten Fall auf Basis der 5 MPixel-Vollbilder rechnen, so benötigt sie dafür mehr Zeit. Für die üblichen Taktzyklen in der Elektronikfertigung ist die Lösung aber meistens schnell genug.

Skalierbare Lösung: mehr Rechenleistung für komplexe Anwendungen

Muss es im dritten Fall noch schneller gehen, so bietet eine Steigerung der Rechenleistung einen Ausweg. Dies ist mittlerweile mit der „Jetson Orin“-Technologie von Nvidia und den für Bildverarbeitung erforderlichen Schnittstellen im Formfaktor eines Box-PCs möglich und sorgt für deutlich mehr „KI-Power“ am Markt. Die Nvidia Corporation ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Personal Computer, Server und Spielkonsolen. Sie ermöglicht Echtzeitlösungen beispielsweise für autonome Fahrzeuge, Gesundheitswesen und Logistik. Jetson Orin-Module des Anbieters gewährleisten bis zu 275 Billionen Operationen pro Sekunde.

Bis zu 12 ARM-CPU-Kerne sowie 2048 CUDA-Rechenkerne stehen damit für die Anwendung zur Verfügung. Die wesentlichen Vorteile solcher Embedded-Rechner gegenüber einer i-Core/GPU-Variante bestehen bei gleicher Leistung im deutlich geringeren Stromverbrauch, wodurch ein lüfterloses Design möglich wird. Die Langzeitverfügbarkeit solcher Architekturen ist für Anwender ein weiteres wichtiges Kriterium und unterscheidet sich von typischen PCIe-GPU-Karten, die sich als kommerzielle Massenware in kurzen Zeitabständen verändern. Für industrielle Anwendungen eignen sich PCIe-GPU-Karten aufgrund der schwierigen Beschaffung von Ersatzteilen und der mangelnden Kompatibilität der Anwendungssoftware daher im Gegensatz zu Jetson Orin™-Modulen nicht.

Fazit

Mit Vision Cam AI.go stellt der Anbieter Imago Technologies Anwendern ein einfach zu parametrisierendes KI-System zur Verfügung, um Anomalien in Bildern zu erkennen und praktische Erfahrungen mit dieser vielversprechenden Technologie zu sammeln. Werden die technischen Grenzen der Hardware oder der Softwarefunktionalität erreicht, so werden skalierbare Lösungen auf Basis anwendungsoptimierter KI-Mathematik angeboten, die auch für anspruchsvollere Anwendungen – zum Beispiel die Oberflächeninspektion von Bahnwaren – geeignet sind.

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Von Carsten Strampe

Carsten Strampe ist Geschäftsführer von Imago Technologies in Friedberg. Foto: Imago