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Roboternutzung leicht gemacht 21.04.2023, 11:11 Uhr

Schnell und einfach: Produktionsprozesse mit Industrierobotern

Ein hochaktuelles Forschungsprojekt geht an den Start: Das Ziel lautet, den Robotereinsatz in Zeiten des Fachkräftemangels auch ohne tiefes Fachwissen „kinderleicht“ zu gestalten. Entwickelt wird ein Assistenzsystem, das Produktionsprozesse mit Robotern automatisiert.

Kraftsensitive Montage mit einem Roboter: Der gesamte datengetriebene Prozess von der Planung bis zur Inbetriebnahme soll künftig für die Anwender einfacher werden. Foto: ArtiMinds Robotics

Kraftsensitive Montage mit einem Roboter: Der gesamte datengetriebene Prozess von der Planung bis zur Inbetriebnahme soll künftig für die Anwender einfacher werden.

Foto: ArtiMinds Robotics

Auf der Hannover Messe des Jahres 2023 waren die Themen Standardisierung und Schnittstellen bei vielen Ausstellern im Fokus. Beispielsweise präsentierte sich der Verein „Catena-X“ auf der Messe und demonstrierte erstmals live den Datenaustausch mit Vertretern namhafter Konzerne sowie mittelständischer Unternehmen der Automobilindustrie – dies war sogar für Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Anlass für einen Besuch auf dem Messestand des Vereins in Halle 8.

Datentechnik im Fokus

Hintergrund: Nur durch eine einheitliche „Sprache“ und die unkomplizierte Verknüpfung der Marktteilnehmer lassen sich Automatisierungs- und Industrie 4.0-Projekte bestmöglich umsetzen sowie wirtschaftliche Vorteile erzielen. Die sichere Dateninfrastruktur ist eine Grundvoraussetzung dafür – und offene Schnittstellen wie Gaia-X und Catena-X leisten ebenso einen wichtigen Beitrag. Dies betrifft auch die Inbetriebnahme und die Nutzung von Industrierobotern.

Der Robotereinsatz soll künftig unkomplizierter vonstatten gehen: Im 2023 gestarteten Forschungsprojekt „Vader“ geht es darum, ein digitales Assistenzsystem für eine schnellere und flexible Automatisierung industrieller Produktionsprozesse mit Robotern zu entwickeln. Hierfür sollen die Assistenzfunktionen die gesamte Kette der Nutzung flexibler roboterbasierter Produktionssysteme abdecken. Zu den Projektpartnern zählen ein Automobilzulieferer, ein Robotik-Software- und Lösungsanbieter sowie Forschungseinrichtungen.

Das Ziel des aktuellen Forschungsprojekts Vader lautet, einen „digitalen Assistenten“ für die datengetriebene Automatisierung industrieller Produktionsprozesse mit Industrierobotern zu entwickeln. Grafik: ArtiMinds Robotics

Automobilindustrie muss Produktionskosten senken

Die deutsche Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen und den Fachkräftemangel zu kompensieren. Eine vernetzte Werkzeugkette für anspruchsvolle Roboteranwendungen kann zu einer besseren Wirtschaftlichkeit dieser Kernbranche des deutschen Wirtschaftsstandorts beitragen. Es geht darum, die Effizienz und Flexibilität in der Produktion zu steigern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Anwenderunternehmen in Deutschland sollen mithilfe des Forschungsprojekts in die Lage versetzt werden, ihre Produktionskosten bei gleichbleibender Qualität zu senken und ihre Stellung im internationalen Vergleich zu optimieren.

Einen wichtigen Beitrag wollen die Partner nun im Projekt Vader leisten. Der Name steht für „Vernetzter digitaler Assistent für das datengetriebene Engineering von roboterbasierten Produktionsanlagen“. Neben seiner Rolle als Konsortialführer ist ArtiMinds Robotics für die Entwicklung von Kerntechnologien für die KI (Künstliche Intelligenz)-gestützte Programmierung, Inbetriebnahme und Wartung von Robotern sowie den abschließenden Technologietransfer verantwortlich. Die Projektpartner Universität des Saarlandes und ZF Friedrichshafen sowie der assoziierte Partner ZeMA (Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik) unterstützen durch Grundlagenforschung und praktische Erfahrung in den Bereichen digitale Transformationsprozesse und Produktionstechnologien. Die Projektergebnisse werden nach dem Projektende 2023 sowohl wirtschaftlich (für industrielle Anwendungen) als auch wissenschaftlich (zur Qualifizierung von Ingenieurnachwuchs) verwertet.

Der digitale Engineering-Assistent

Der Assistent bietet ausgewählte Hilfsfunktionen für die entscheidenden Teilschritte in der gesamten Prozesskette, die von der Planung bis zur Inbetriebnahme von Roboterzellen reichen. Das Besondere dabei ist, dass der Assistent Expertenwissen in Software digitalisiert und den menschlichen Ingenieur in jeder Phase des Automatisierungsprozesses unterstützt. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung bestehender Fachkräftekapazitäten. Zugleich wird die Ressourcen- und Energieeffizienz verbessert – für eine ökologisch nachhaltige Produktion.

Projektleiter Dr.-Ing. Darko Katic von ArtiMinds Robotics erklärt: „Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördertes Projekt ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung innovativer Produktionstechnologien und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.“ Vader soll es deutschen Automobilzulieferern und Erstausrüstern (englisch: OEM – Original Equipment Manufacturer) gestatten, den Fachkräftemangel durch den flächendeckenden Einsatz von Robotern zu kompensieren. Darüber hinaus wird die Digitalisierung und Flexibilität von Lieferketten und Produktionsnetzwerken gefördert.

Projektleiter Dr.-Ing. Darko Katic möchte mit dem innovativen Ansatz die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie steigern.

Foto: ArtiMinds Robotics

Das Assistenzsystem basiert auf einer modularen und skalierbaren Softwarearchitektur, um in einer Vielzahl von Produktionsszenarien eingesetzt werden zu können. Der Assistent fügt sich nahtlos in bestehende Industrie 4.0-Infrastrukturen ein und ermöglicht mittels offener Gaia-X- und Catena-X-konformer Schnittstellen und -Protokolle eine flexible Integration in bestehende Softwarelandschaften.

Hintergrund zu Gaia-X und Catena-X

Gaia-X nimmt die Rolle eines wichtigen Instruments des Wissens- und Technologietransfers ein. Denn damit Daten – die als wertvollste Ressourcen dieser Zeit gelten – einen Nutzen für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft entfalten können, müssen sie in einer sicheren Dateninfrastruktur bereitgestellt werden. Mit Gaia-X erarbeitet Europa die Grundlage, damit Daten auf diese Weise bereitgestellt, zusammengeführt und geteilt werden können. Vorherrschende „Datensilos“, in denen nur wenige Marktteilnehmer zugreifen, die damit Innovationen für alle behindern, sollen bald der Vergangenheit angehören. In Deutschland wird Gaia-X gemeinsam mit Vertretern aus der Wissenschaft und Wirtschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorangetrieben. Ziel der Förderrichtlinie ist es, insbesondere Unternehmen des Mittelstandes zu unterstützen. Sie sollen ihre vorhandenen Systeme und Daten mithilfe eines systematischen Ansatzes zu Gaia-X-konformen Datenökosystemen für Industrie 4.0 weiterentwickeln.

Catena-X gilt als kollaboratives, offenes Daten-Ökosystem speziell für die Automobilindustrie. Es soll globale Akteure zu durchgängigen Wertschöpfungsketten verbinden. Das gemeinsame Ziel ist ein standardisierter, globaler Datenaustausch „auf Basis europäischer Werte“. Der Anspruch lautet „Datensouveränität“: Wer Daten zur Verfügung stellt, behält die Kontrolle und entscheidet individuell, wer am Datenaustausch wie, wann, wo und unter welchen Bedingungen beteiligt wird. Mit der „Beta-Phase“ startete der betreibende Verein Catena-X Automotive Network e.V., Berlin, anlässlich der Hannover Messe den Zertifizierungsprozess. Der Verein stattet Dienst- und App-Anbieter mit dem erforderlichen Zertifikat aus, um Zugang zum Catena-X Datenraum zu bekommen. Ab sofort sind alle drei Pfeiler von Catena-X (Entwicklungsumgebung, Governance, Betriebsumgebung) verfügbar, synchronisiert und bereit zur Verwendung durch Akteure in der Automobilindustrie.

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Von Birgit Etmanski

Birgit Etmanski, Dr.-Ing., ist Chefredakteurin der Fachzeitschrift VDI-Z in Düsseldorf.