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Hochwasser- und Klimaschutz 27.05.2024, 07:00 Uhr

So wichtig ist die Renaturierung von Flussauen

Auen verbessern nicht nur die Wasserqualität, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Hochwasser- und Klimaschutz. Jedoch hat der Mensch viele Flusslandschaften stark verändert, sodass sie ihre Funktionen nicht mehr oder nur eingeschränkt erfüllen können. Ein Projekt zeigt, wie es gelingen kann, trockengelegte Flussauen zu renaturieren.

Der Burgauenbach kann bei Hochwasser wieder über die Ufer treten und fungiert damit als wichtige Lebensader für den Leipziger Auwald. Foto: Mathias Scholz / UFZ

Der Burgauenbach kann bei Hochwasser wieder über die Ufer treten und fungiert damit als wichtige Lebensader für den Leipziger Auwald.

Foto: Mathias Scholz / UFZ

Als Auen bezeichnet man natürliche Überflutungsflächen entlang von Flüssen und Bächen. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa und übernehmen viele wichtige Funktionen im Naturhaushalt. Neben dem Erhalt der biologischen Vielfalt, tragen sie zur Verbesserung der Wasserqualität bei, indem sie überschüssige Nährstoffe und Schadstoffe aus dem Wasser filtern. Dazu binden Flussauen Kohlendioxid und fungieren damit als Klimaschützer. Darüber hinaus können Flussauen große Mengen Wasser aufnehmen und langsam wieder abgeben. Auf diese Weise mildern sie Hochwasser ab und verringern das Risiko für rasche Überschwemmungen. Noch dazu helfen Flussauen bei der Regulierung und Speicherung des Wasserhaushalts und unterstützen so das umliegende Ökosystem dabei, Dürreperioden besser zu überstehen.

Flussauen bieten folglich eine ganze Reihe an ökologischen, hydrologischen und klimatischen Vorteilen. Das Problem: Nur noch wenige Flussauen in Deutschland befinden sich in ihrem natürlichen Zustand. Der Mensch hat die meisten Flussläufe durch Bebauung oder Landwirtschaft stark verändert. Dadurch erfüllen viele Auen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ihre Funktion. Forschende der Universität Leipzig und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung wollen das ändern. Anhand des inzwischen abgeschlossenen Projekts „Lebendige Luppe“ zeigen sie Wege auf, wie es gelingen kann, Flussauen erfolgreich zu renaturieren.

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Auen befinden sich in einem schlechten Zustand

Wie dringend solche Renaturierungsprogramme sind, zeigt der der jüngste Auenzustandsbericht, den das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz 2021 herausgegeben haben. Aus diesem geht hervor, dass entlang der 79 größten Flüsse Deutschlands bereits zwei Drittel der ursprünglichen Überschwemmungsflächen verloren gegangen sind. Der Grund dafür liegt häufig in der Trennung von Auen und Gewässer durch errichtete Deiche. Dazu wird ein Drittel der noch vorhandenen Auen von Äckern und Siedlungen bedeckt. Um Auen als natürlichen Naturschutz zurückzugewinnen, müssen Flüsse und Bäche bundesweit mehr Raum erhalten. Ebenso wichtig ist die Zurückverlegung von Deichen in den besagten Gebieten. Bis zum Jahr 2030 sollen nach der EU-Biodiversitätsstrategie insgesamt 25.000 Kilometer Flüsse in Europa durch die Entfernung von Dämmen und Anbindung von Auen wiederhergestellt werden.

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Projekt zeigt: Auen können sich erholen

Wie sehr sich solche Vorhaben lohnen, zeigt das Projekt „Lebendige Luppe“. Die Luppe ist ein Nebenfluss der Weißen Elster im nördlichen Leipziger Auwald. Früher hat der Flusslauf die umliegende Landschaft regelmäßig mit Wasser versorgt. Es gab noch feuchte Wiesen und Wälder, Tümpel und eine Vielfalt an Leben. Davon war jedoch irgendwann nicht mehr viel übrig. „Das liegt daran, dass man das Gewässersystem ab dem 19. Jahrhundert komplett umgestaltet hat“, sagt Matias Scholz, Auenökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).

Die Luppe wurde eingedeicht und begradigt. Teile des Flussgebietes wurden zudem trockengelegt und aufgeschüttet, sodass die Luppe dem Auwald kaum noch Wasser liefern konnte. Mit dem Projekt „Lebendige Luppe“ sollte sich das ändern. Und tatsächlich konnten die Forschenden aufgrund von Schlitzungen der Deiche und Rückverlegungs-Maßnahmen einiges erreichen. Bei Hochwasser kann beispielsweise der fünf Kilometer lange Burgauenbach wieder über die Ufer treten und kann damit den Leipziger Auwald mit Wasser versorgen. Ausgetrocknete Tümpel enthalten ebenfalls wieder Wasser und der Zschampert entwickelt sich von einem Graben zu einem Bach. Dazu breiten sich typische Auenbewohner wieder aus. Nachdem das Gebiet lange Zeit von Ahornbäumen dominiert wurde, wachsen zunehmend Eichen, Eschen und Ulmen in den Flussauen.

Urbanes Leben und Auenschutz verbinden

Das Projekt zeigt, dass sich Flussauen durchaus wieder erholen können. Allerdings erfordern solche Maßnahmen neben viel Zeit auch eine intensive Kooperation aller Akteure. So entwickelt die Stadt Leipzig zusammen mit Sachsen ein Nutzungs- und Entwicklungskonzept für 4.750 Hektar Auenfläche. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass große Gebiete der Aue in der Großstadt liegen. Für die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gilt es daher zu erproben, wie sich urbanes Leben und Auenschutz am besten verbinden lassen. Denn das ist nach Ansicht der Forschenden von entscheidender Bedeutung für erfolgreiche Renaturierungsmaßnahmen. „Praktisch alle deutschen Großstädte liegen an Flüssen“, sagt Scholz. „Also müssten sie auch funktionierende Auen fördern.“

Von Ines Klawonn