Jetzt werden Speicherchips zu Energiesparwundern
Ein Faktor für den steigenden Energieverbrauch sind die stetig zunehmenden Datenmengen. Forschende der Chalmers University of Technology haben nun dank eines neuen Materials den Gamechanger entwickelt: Erstmals konnten sie entgegengesetzte magnetische Eigenschaften kombinieren, was zu deutlichen Energieeinsparungen führt.
Das neue Material sorgt dafür, dass Speicherchips künftig deutlich energiesparender arbeiten könnten.
Foto: Chalmers / Roselle Ngaloy
Digitale Daten nehmen weltweit zu. Und das in rasanter Geschwindigkeit. Schätzungen zufolge wird ihr Energiebedarf in einigen Jahrzehnten fast 30 Prozent des globalen Verbrauchs ausmachen. Neue Speichermöglichkeiten rücken deshalb in den Fokus. Genau hier setzt die aktuelle Entwicklung eines Forschungsteams der Chalmers University of Technology in Schweden an. Es identifizierte ein ungewöhnliches, nur atomdünnes Material, das gleich zwei gegensätzliche magnetische Phänomene vereint und dadurch den Energieeinsatz bei Speicherchips drastisch verringern kann.
Die Forschenden sprechen von einer Reduktion um den Faktor zehn – ein sprunghafter Fortschritt. Da Speicherchips in nahezu allen technischen Systemen unverzichtbar sind, von künstlicher Intelligenz (KI) über medizinische Geräte bis zu Smartphones, deutet dieser Durchbruch auf eine technologische Wende hin. Schon heute bereitet das exponentielle Datenwachstum Forschenden Kopfzerbrechen, künftige Anwendungen könnten ohne neue Lösungen den Energiebedarf massiv belasten.
Neue Grundlagen fürs Energiesparen bei Speicherchips
Dreh- und Angelpunkt in der Entwicklung der Speichertechnologien war in den letzten Jahrzehnten immer der Magnetismus. Denn die Ausrichtung von Elektronen in einem Material entscheidet darüber, ob energiemoderne Speichermodule hergestellt werden können. Je besser sich diese kontrollieren lassen, desto schneller, kompakter und effizienter können Daten gespeichert werden. Dem Forschungsteam ist es nun erstmals gelungen, zwei grundsätzlich verschiedene magnetische Zustände in einer atomar dünnen Struktur zu kombinieren. Diese Eigenschaften machen das Material zu einem vielversprechenden Kandidaten, künftig den Standard für energiesparende Speicherchips zu setzen. „Die Entdeckung dieser Koexistenz magnetischer Ordnungen in einem einzigen, dünnen Material ist ein Durchbruch“, betont Bing Zhao, Quantengerätephysiker an der Chalmers University of Technology und Hauptautor der veröffentlichten Studie.
Das physikalische Prinzip dahinter zeigt, warum das Material so ungewöhnlich ist. Normalerweise kennt man im Bereich Magnetismus zwei Extreme: Beim Ferromagnetismus richten sich die Elektronen parallel zueinander aus und formen ein messbares, nach außen wirkendes Magnetfeld. Ganz anders verhält es sich beim Antiferromagnetismus: Hier kehren sich die Spins einzelner Elektronen um, sodass sie sich gegenseitig neutralisieren. Beide Effekte waren bisher nicht ohne weiteres in einem einzigen System nutzbar. Zur Anwendung in modernen Speichern kombinierte man sie bisher durch komplizierte mehrlagige Strukturen – Schichten, die separate Eigenschaften mitbrachten und technisch aufwendig hergestellt werden mussten.
Geneigte Magnetfelder ermöglichen energiesparende Speicherchips
Ein zentraler Aspekt des neuen Materials liegt in seiner inneren Kraftverteilung. Herkömmliche Speichergeräte benötigen externe Magnetfelder, um Informationen zu schreiben oder zu löschen. Diese Felder werden künstlich erzeugt und treiben den Stromverbrauch enorm in die Höhe. Ganz anders funktioniert das Material, das in Chalmers entwickelt wurde: Seine innere Struktur enthält sowohl ferromagnetische als auch antiferromagnetische Komponenten, die zusammen ein geneigtes magnetisches Gesamtsystem bilden. Diese ungewöhnliche Anordnung erlaubt es den Elektronen, ihre Ausrichtung sehr leicht zu wechseln, ohne dass externe Magnetfelder erforderlich sind. „Durch den Wegfall der stromfressenden externen Magnetfelder kann der Stromverbrauch um den Faktor zehn reduziert werden“, erklärt Zhao.
Während viele Fortschritte in der Speicherentwicklung bislang auf Miniaturisierung oder Effizienzsteigerungen durch Fertigungstechnologie setzten, ist der Ansatz hier grundlegend anders: Er zielt auf das physikalische Verhalten der Elektronen selbst ab. Das eröffnet langfristig neue Möglichkeiten. Denn wenn Speichergeräte ohne energieintensive Hilfsmechanismen wie externe Magnetfelder auskommen, senkt das nicht nur Kosten und erhöht die Zuverlässigkeit, sondern wirkt sich vor allem positiv auf die ökologische Bilanz der immer weiter wachsenden Dateninfrastruktur aus. Diese Art von physikalisch motivierter Effizienzrevolution ist nach Ansicht der Forschenden daher genau das, wonach große Industriebereiche suchen – eine Technologie, die tatsächlich neue Maßstäbe setzt, statt vorhandene Lösungswege minimal zu optimieren. „Im Gegensatz zu diesen komplexen, mehrschichtigen Systemen ist es uns gelungen, beide magnetische Kräfte in einer einzigen, zweidimensionalen Kristallstruktur zu integrieren. Es ist wie ein perfekt vormontiertes Magnetsystem – etwas, das mit herkömmlichen Materialien nicht reproduziert werden konnte“, erläutert Saroj P. Dash, Professor für Quantengerätephysik an der Chalmers University und Leiter des Forschungsprojektes.




