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Energy Sharing 09.06.2023, 15:30 Uhr

Teilhabe als Motor der Energiewende

Das Energy Sharing über Energiegemeinschaften gilt als ein wichtiger Motor der Energiewende. Doch in Deutschland lässt eine solche Regelung bislang auf sich warten. Einige andere EU-Länder sind hier schon weiter.

Windturbinen und Sonnenkollektoren, die erneuerbare saubere Energie erzeugen, Grüne Energie, Weltsparkonzept. Foto: PantherMedia / 3DGearFOTO

Windturbinen und Sonnenkollektoren, die erneuerbare saubere Energie erzeugen, Grüne Energie, Weltsparkonzept.

Foto: PantherMedia / 3DGearFOTO

Energy Sharing ermöglicht es regionalen Stromverbraucherinnen und -verbrauchern (Privathaushalten, Kommunen und kleinen und mittleren Unternehmen/KMUs), sich zu Renewable-Energy-Communities (REC) bzw. zu einer Bürgerenergiegesellschaft (BEG) zusammenzuschließen und gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben. Dadurch werden Preisentlastungen für Bürgerinnen und Bürger mit der unmittelbaren Teilhabe an der Energiewende verknüpft.

Zudem werden Anreize für einen dezentralen, zeitgleichen Verbrauch erneuerbarer Energien generiert und damit die Stromnetze entlastet. Aus diesen Gründen wurde die nationale Umsetzung des Energy Sharings von der Europäischen Union bereits bis Mitte 2021 gefordert (Art. 22 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, REDII).

Deutschland hinkt noch hinterher

Doch Länder wie Deutschland hinken hier noch hinterher. Zwar ist Energie in Bürgerhand schon weit verbreitet. Rund 1.000 Bürgerenergiegesellschaften realisierten und betreiben Solar- und Windkraftanlagen. Bisher sind jedoch BEG in Deutschland reine Erzeugungsanlagen. Beteiligte Bürgerinnen und Bürger können bisher den Strom ihrer Anlagen nicht selbst nutzen und haben deshalb auch keinen Anreiz, ihren Verbrauch an den gemeinsam betriebenen Anlagen auszurichten. So weist weder das EEG 2023 noch ein anderes Energiegesetz bisher eine Regelung zum Energy Sharing auf.

„Die Energiewende ist ein demokratisches Teilhabeprojekt. Sie lebt von der Beteiligung vieler lokaler, regionaler und überregionaler Akteure. In der Eigenversorgung wird ein großer Teil der Bevölkerung aufgrund des sehr engen rechtlichen Rahmens jedoch immer noch ausgeschlossen“, kritisiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE).

Italien schon weiter

„Damit auch Menschen und Gemeinschaften ohne eigene Immobilien und Flächen die Energiewende mitgestalten und von günstigen erneuerbaren Energien profitieren können, sollte die Bundesregierung den Vorgaben aus Brüssel folgen und Energy Sharing in Deutschland umfassend ermöglichen. Das würde die Energiewende beschleunigen und die Akzeptanz für den Ausbau stärken“, fordert Peter.

Den Weg weisen hier etliche andere EU-Mitgliedsstaaten. So ist Energy Sharing in Italien schon seit 2020 möglich und die italienische Regierung setzte die Vorgaben der europäischen REDII-Richtlinie Ende 2021 um. Die Mitglieder der Energiegemeinschaften müssen zum selben Hochvolt-Umspannknotenpunkt gehören und die maximale Anlagengröße ist auf ein Megawatt Leistung begrenzt.

Der netzdienliche dezentrale Verbrauch wird durch ein Anreizsystem belohnt. So erhalten Anlagenbetreiber eine Energy Sharing Prämie in Höhe von 11 € Cent für jede innerhalb der Gemeinschaft erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde, zusätzlich zur Marktprämie. Die EU hat dies beihilferechtlich genehmigt.

230 aktive EE-Gemeinschaften in Österreich

In Österreich dürfen Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften seit 2021 Strom, Wärme oder Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen sowie verkaufen und dabei das Stromnetz nutzen. Auf lokaler Ebene müssen die Erzeuger und Nutzer einen Anschluss am selben Trafo haben, auf regionaler Ebene am gleichen Umspannwerk angeschlossen sein. 230 aktive Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften gibt es mittlerweile in der Alpenrepublik. Eine zentrale Koordinationsstelle berät und unterstützt. Als wirtschaftlicher Anreiz für die Energiegemeinschaften wirken verringerte Netzentgelte. Im Niederspannungsnetz sind sie um 57 % reduziert, im Mittelspannungsnetz zwischen 28 und 64 %.

Spanien, Portugal und Frankreich fortschrittlich

Einen fortschrittlichen Rechtsrahmen für Energy-Sharing gibt es auch in europäischen Ländern wie Spanien, Portugal und Frankreich. So ist der kollektive Selbstverbrauch in Spanien seit 2015 möglich. Erneuerbare Energiegemeinschaften sind dort seit 2020 nahezu wörtlich entsprechend den Vorgaben REDII Richtlinie der EU definiert. Alle Erneuerbaren-Projekte, die bei landesweiten Ausschreibungen bezuschlagt werden, müssen eine örtliche Bürgerbeteiligung enthalten. Auf regionaler und lokaler Ebene gibt es vielfältige Programme zur Förderung Erneuerbarer Energiegemeinschaften.

Auch in Portugal und Frankreich ist eine gemeinsame Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien über das Verteilnetz möglich. In Frankreich in ländlichen Gebieten bis zu einer Entfernung von 20 km, in Portugal müssen Erzeugungsanlagen und Verbraucher an denselben Umspannwerken angeschlossen sein. Zudem wird Energy Sharing mit ermäßigten Netznutzungsgebühren belohnt.

Ruf nach Prämienmodell hierzulande

Der BEE, das Bündnis Bürgerenergie (BBE) und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) mahnen nun zusammen mit anderen Partnern an, das Energy Sharing auch in Deutschland endlich auf den Weg zu bringen. Sie verweisen hierbei auf einen Entschließungsantrag des Bundestags zum EEG 2023 vom 5. Juli 2022, der die Bundesregierung auffordert, Vorschläge für die Einführung von Energy Sharing im Rahmen der nächsten Gesetzgebungsprozesse zu unterbreiten. In einem Positionspapier plädieren BEE, BBE und DGRV für ein Prämienmodell.

Bürgerenergiegesellschaften, die Energy Sharing nutzen möchten, sollen eine feste Prämie pro direkt verbrauchte Kilowattstunde erhalten. Mit Direktverbrauch ist der Strom gemeint, der in den gemeinsamen Anlagen produziert und gleichzeitig innerhalb der Gemeinschaft dezentral verbraucht wird, und somit auch die Netze entlastet. Über eine Prämie sollen die – zumindest in einer Anfangsphase – erhöhten betriebswirtschaftlichen Mehrkosten für die Bürgerenergiegesellschaften sowie deren externe Dienstleister abgedeckt werden wie IT-Investitionen und die ¼ stündliche reale Bilanzierung der erzeugten und gelieferten Strommengen.

Das Trendthema „Energy Sharing“ wird auch Teil von The smarter E Europe sein, welche in diesem Jahr vom 14. bis 16. Juni 2023 auf der Messe München stattfindet und auf der über 2.400 Aussteller erwartet werden.

Von Hans-Christoph Neidlein