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Klimaschutz 28.04.2025, 10:00 Uhr

Ohne Biomasse wird die Energiewende teuer

Pflanzliche Reststoffe können eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Klimawandel aufzuhalten. Ein Verzicht würde den Bedarf an Importen vor allem von Wasserstoff massiv ankurbeln.

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Grafik: PantherMedia/catalby

Wenn Europa im Rahmen der Energiewende die Biomasse als Rohstoff „vergisst“, wird es richtig teuer. Ohne Investitionen in diesen oft unterschätzten energetischen Rohstoff würden die jährlichen Zusatzkosten für die Staaten der Europäischen Union 169 Mrd. € betragen, ebenso viel, wie wenn man auf die Windenergie verzichten würde. Das hat eine umfassende Analyse von Forschenden der Technischen Universität Chalmers in Göteborg, der zweitgrößten Stadt Schwedens, der Research Institutes of Sweden (Rise), ebenfalls in Göteborg, und der Technischen Universität Berlin ergeben. Biomasse sei für die Erreichung der Klimaziele Europas von entscheidender Bedeutung, da sie zur Herstellung von Brennstoffen, Heizmaterialien und Chemikalien verwendet werden könne, die bisher aus fossilen Rohstoffen stammen.

Biomasse ist vielseitig einsetzbar

Biomasse – wie Energiepflanzen, Holzreststoffe, Getreidestroh und Holzabfälle – sei eine vielseitige Quelle für erneuerbare Energie, die viele Industriezweige zur Reduzierung ihrer Treibhausgas-Emissionen nutzen könnten. Biomasse kann fossile Brennstoffe beispielsweise in der Stahl- und Zementindustrie sowie in Kraftwerken ersetzen und die Haushalte mit Strom und Fernwärme versorgen. Ebenso sei sie zur Herstellung von Kunststoffen und Chemikalien sowie von Kraftstoffen für Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge geeignet.

Aktive Entfernung von CO2 aus der Luft

Darüber hinaus könne Biomasse eine Schlüsselrolle in einem zunehmend wichtigen Bereich der Klimawende spielen: der Entfernung von Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre. Kohlenstoffatome in Biomasse waren zuvor in der Atmosphäre in Form von CO2 vorhanden und wurden von Pflanzen durch Photosynthese aufgenommen. Normalerweise werden die Kohlenstoffatome bei der Nutzung von Biomasse als Energie wieder in Form von CO2 an die Atmosphäre abgegeben. In Kombination mit der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) könnten diese Kohlendioxidemissionen jedoch vermieden werden. Die Nutzung von Biomasse in Verbindung mit CCS habe also zwei Vorteile: Sie liefere Energie und entziehe der Atmosphäre CO2.

Die meiste Biomasse kommt aus einheimischen Quellen

Die Forschenden untersuchten zwei Emissionsziele für das Energiesystem unter Einschluss von Strom, Wärme, Industrie und Verkehr: Eines mit Null CO2-Emissionen und eines mit aktiver Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre (– 110 % gegenüber 1990). Die Biomasse in diesem System besteht hauptsächlich aus Abfallstoffen aus der Forst- und Landwirtschaft in Europa sowie einem teureren Teil, der importiert werden muss.

Es wird schnell sehr teuer

„Eine Überraschung für uns war, wie schnell es sehr teuer wird, wenn wir die Verfügbarkeit von Biomasse im Energiesystem reduzieren, da die Kosten für Alternativen hoch sind“, sagt der Umweltforscher Markus Millinger, der zum Zeitpunkt der Studie an der Chalmers Hochschule arbeitete und nun bei Rise forscht. „Würde Biomasse vollständig ausgeschlossen, stiegen die Kosten des Energiesystems mit negativen Emissionen im Vergleich zum gleichen System mit einem kostenoptimalen Biomasseanteil um 169 Mrd. €/a. „Das ist ein Anstieg von 20 %, was in etwa den Kosten für den Verzicht auf Windkraft entspricht.“ Zudem wäre es schwierig, entsprechende Mengen an Alternativen zu importieren, vor allem Wasserstoff.

„Ohne Biomasse würden wir die Möglichkeit negativer Emissionen verpassen“, so Millinger. „Um trotzdem negative Emissionen im Energiesektor zu erreichen, müsste die CO2-Abscheidung direkt aus der Luft dann in großem Umfang ausgebaut werden. Dies ist eine deutlich teurere Technologie, die einen Energieeinsatz erfordert, anstatt einen Nettoenergieertrag zu liefern.“

Weichen müssen politisch gestellt werden

„Abscheidung und Speicherung oder Wiederverwendung von CO2, beispielsweise durch die Herstellung fortschrittlicher Kraftstoffe ist mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden, und es müssen langfristig nachhaltige und zuverlässige Wertschöpfungsketten aufgebaut werden“, sagt Millinger. Damit diese getätigt würden müssten stabile politische Instrumente geschaffen werden, die die Biomassenutzung umweltverträglich regele.