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Katalyse 31.10.2022, 07:00 Uhr

Kunststoffe effizienter recyceln – mit einem Trick

Ein neues Verfahren könnte bei nicht sortenreinen Kunststoffabfällen das Recycling optimieren. Ingenieurinnen und Ingenieure haben innovative Katalysatoren auf Kobalt-Basis entwickelt.

Kunststoffabfälle und Recycling

Zu schade für die thermische Verwertung: Auch in nicht sortenreinem Kunststoffabfall steckt Potenzial.

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Foto: panthermedia.net/jaggat

Firmen der Abfallwirtschaft verarbeiten immer noch recht geringe Mengen an Kunststoffabfällen zu neuen Produkten: ein weltweites Problem. In Deutschland gelangen laut Umweltbundesamt nur 46% in die werkstoffliche, aber 53% in die energetische Verwertung. Ein Anteil von weniger als 1% wird rohstofflich verwertet. Aus Klima- und Umweltschutzsicht wäre es wichtig, den Prozentsatz des wertstofflichen Recyclings zu erhöhen.

Doch wo liegt das Problem? In der Praxis erweist sich der Materialmix als schwierig zu handhaben; nur geringe Anteile sind tatsächlich sortenrein. Zwar gibt es chemischen Verfahren, um Kunststoffe aufzuspalten und daraus Chemikalien für neue Produkte zu gewinnen. Allerdings sind die Methoden in der Regel nur für bestimmte Polymere geeignet, jedoch nicht für alle. Und die Sortierung von Abfall, sprich Flaschen, Becher und Folien bis hin zu Plastikspielzeug, erweist sich in großem Maßstab als unpraktisch.

Ingenieurinnen und Ingenieure am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge haben jetzt einen Weg gefunden, um das Recycling von Gemischen zu vereinfachen. Ein chemischer Prozess, bei dem ein Katalysator auf Kobaltbasis zum Einsatz kommt, hat sich als sehr effektiv erwiesen, um eine Vielzahl von Kunststoffen wie Polyethylen (PET) und Polypropylen (PP) in Propan aufzuspalten. PE und PP sind die häufigsten Kunststoffe in Müllfraktionen. Und Propan wiederum kann nicht nur zu Heizzwecken, sondern als Ausgangsstoff für die Herstellung einer Vielzahl von Produkten – einschließlich neuer Kunststoffe – verwendet werden. Damit wäre ein zumindest in Teilen geschlossener Recyclingkreislauf möglich.

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Ein Kobalt-haltiger Katalysator erleichtert das Recycling

„Das Recycling von Kunststoffen war bisher ein Problem“, so Yuriy Román-Leshkov vom MIT. Techniken zum Aufbrechen chemischer Bindungen führen bei nicht sortenreinen Kunststoffen zu einer Mischung verschiedener Moleküle, die erst durch aufwändige, teure Raffinationsverfahren in verwendbare spezifische Verbindungen aufgetrennt werden. An welcher Stelle die Kohlenstoffkette bei der Verwertung bricht, lässt sich mit bekannten Methoden nicht steuern.

Die Arbeitsgruppe am MIT arbeitete zusammen mit Kolleginnen und Kollegen schon länger an Lösungen. Zur Überraschung der Forschenden kann ein Katalysator aus mikroporösem Zeolith mit Kobalt-Nanopartikeln verschiedene Polymer-Moleküle selektiv aufspalten. Die Ausbeute an Propan liegt bei mehr als 80%.

Zeolithe sind mit winzigen Poren durchsetzt sind, die weniger als einen Nanometer breit sind, was der Breite einer Polymerkette entspricht. Das Material ist zwar ein gängiger, gut untersuchter Träger für Katalysatoren. Forschende waren jedoch davon ausgegangen, dass es kaum Wechselwirkungen zwischen dem Zeolith und den Kunststoffen gibt. Weit gefehlt – genau das Gegenteil konnte bei Experimenten beobachtet werden.

Die Polymerketten dringen nicht nur in die Poren ein. In einem synergistischen Prozess sorgen Zeolith und Kobalt dafür, dass Kunststoffmoleküle immer an der gleichen Position getrennt werden. Es stellte sich heraus, dass diese Spaltstelle genau ein Propanmolekül abschneidet, ohne dass unerwünschtes Methan entsteht. Längere Kohlenstoffketten durchlaufen den Prozess mehrfach. Sie verlieren pro Runde jeweils drei Kohlenstoffatome in Form von Propan. „Wir brechen nicht nur die Bindungen auf, sondern erzeugen hauptsächlich ein einziges Produkt, das für viele verschiedene Produkte und Prozesse verwendet werden kann“, sagt Román-Leshkov.

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Erfolgreiche Tests der neuen Recycling-Methode

Nach ersten Laborversuchen testeten die Forschenden ihre Technologie mit realen Proben nicht sortenreinem Kunststoff und erzielten vielversprechende Ergebnisse. Es sind jedoch weitere Optimierungen mit einer größeren Vielfalt an Proben aus unterschiedlichen Abfallströmen erforderlich, um festzustellen, wie stark die Verschmutzung sein darf, um das Verfahren nicht zu beeinträchtigen. Kunststoffmüll enthält meist noch Druckfarben, Klebstoffe und Etiketten, aber auch sonstige Materialien wie Reste von Metallfolien.

Gemeinsam mit mehreren Forschungspartnern untersucht das MIT-Team auch die Wirtschaftlichkeit des Systems und analysiert, wie es sich in die heutigen Systeme zur Behandlung von Kunststoff- und Mischabfallströmen einfügen lässt. „Wir haben noch nicht alle Antworten“, sagt Román-Leshkov, „aber die ersten Analysen sehen vielversprechend aus.“

Die für den Prozess benötigten Materialien, Zeolithe und Kobalt, seien beide recht preisgünstig und gut verfügbar, schreiben die Forschenden. Problematisch sei, dass das meiste Kobalt momentan aus Krisengebieten in der Demokratischen Republik Kongo stamme. Einige neue Produktionsanlagen werden in Kanada, Kuba und an anderen Orten entwickelt. Auch Wasserstoff wird benötigt. Das Gas kann nicht nur aus fossilen Brennstoffen gewonnen werden, sondern aus Wasser. Setzen Firmen zur Elektrolyse Sonnen- oder Windenergie ein, lässt sich die kohlendioxid-bilanz des gesamten Recyclings weiter verbessern.

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Von Michael van den Heuvel