Zum E-Paper
Kühlschrankrecycling 01.07.2019, 00:00 Uhr

Selektiv Kühlgeräte entsorgen

Wer Altkühlgeräte entsorgt, entnimmt Schad- und Wertstoffe. Bei den Schadstoffen geht es vor allem um die fachgerechte Entnahme von Kälte- und Treibmitteln. Hierbei unterscheidet man zwischen halogenierten und halogenfreien Kälte- und Treibmitteln. Ein fränkisches Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, das Kälte- und Treibmittel selektiv behandelt.

Der Messroboter schlägt einen Bolzen in den Korpus des Kühlgerätes, um das Treibmittel detektieren zu können. Bild: URT Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Der Messroboter schlägt einen Bolzen in den Korpus des Kühlgerätes, um das Treibmittel detektieren zu können. Bild: URT Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Die Ozonschicht ist ein wichtiger Teil unseres Ökosystems und schützt uns Menschen täglich vor starker, ultravioletter Strahlung der Sonne. Ein chemisches Gleichgewicht sorgt dafür, dass eine relativ konstante Schichtdicke erhalten bleibt. Auf der Erde freigesetzte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) gelangen durch ihre Leichtflüchtigkeit einfach in die Erdatmosphäre und treffen in einer Höhe von zirka 20 km auf die Ozonschicht. Dort blockieren diese Chemikalien die Ozonproduktion, es kommt zum lokalen Abbau der Ozonschicht. In den 70er und 80er Jahren erkannte man, dass für diesen Prozess hauptsächlich die in der Industrie eingesetzten FCKWs verantwortlich sind und man begann mit der Reduzierung dieser Stoffe.

Eine industrielle Anwendung der FCKWs war die Nutzung als Treibmittel zur Aufschäumung des aus Polyurethan bestehenden Isolierschaums in Kühlgeräten. Zusätzlich wurden FCKWs auch als Kältemittel in Kühlgeräten eingesetzt.

Doch das änderte sich vor etwa 30 Jahren. Und bereits seit 1996 wurden in der EU keine Kühlgeräte mehr mit halogenhaltigen Treibmitteln wie FCKW hergestellt. Demnach stieg der Anteil an alternativen Treibmitteln bei der Entsorgung schnell an. Man spricht von halogenfreien Kälte- und Treibmitteln, den VHC (volatile hydrocarbons). Halogenfreie Ersatzstoffe für Treibmittel sind meist Pentane. Cyclopentan (C5H10) ist ein Beispiel.

Die meisten deutschen Entsorger registrieren in den letzten 30 Jahren einen Anstieg der VHC-haltigen Altkühlgeräte auf über 60 bis 70 Prozent (siehe Graphik). In den nächsten Jahren kann dieser Anteil bis auf 90 Prozent ansteigen. Umgekehrt ist zu erwarten, dass noch viele Jahre lang 5 bis 10 Prozent FCKW-haltige Altkühlgeräte zur Entsorgung anstehen. In südeuropäischen Ländern liegt dieser Anteil bereits heute bei deutlich über 70 Prozent. Der Grund: In wärmeren Regionen werden Kühlgeräte stärker belastet und müssen deshalb nach kürzerer Lebensdauer entsorgt werden.

Aufgrund des sich verändernden Inputs von Altkühlgeräten, sollte auch die Technologie zur Entsorgung angepasst werden. Aus diesem Grund hat das Unternehmen URT Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH im unterfränkischen Karlstadt eine Entsorgungsanlage zur selektiven Behandlung von VHC-Kühlgeräten entwickelt.

Ein Kühlgerät mit dem Treibmittel Pentan wird zur Entsorgung vom Container abgeladen. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Ein Kühlgerät mit dem Treibmittel Pentan wird zur Entsorgung vom Container abgeladen. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

 

Diese behandelt Kühlgeräte in drei Stufen. In Stufe I werden wie üblich Kältemittel und Kältemaschinenöle abgesaugt und Kompressoren und andere Teile entnommen. In Stufe II wird – das ist neu – analysiert, welche Treibmittel im Isolierschaum eingesetzt wurden. Nach verfahrenstechnischen Schritten zur Zerkleinerung und Trennung von Wert- und Schadstoffen werden dann halogenfreie Kälte- und Treibmittel in Stufe III verbrannt.

Roboterdetektion

Um in Stufe II einen analytischen Nachweis zu bekommen, dass ausschließlich Kühlgeräte mit halogenfreien Treibmitteln in die vorgesehene Behandlungsstufe der Entsorgungsanlage gelangen, wurde von URT Umwelt- und Recyclingtechnik eine Messstation entwickelt. Dort wird das Treibmittel in jedem Kühlgerät, das in der Anlage behandelt wird, ermittelt. Die Messung erfolgt vollautomatisch durch Messroboter, die mit einem Messkopf ausgestattet sind. Der Roboter führt drei Messungen pro Kühlgerät aus. Hierzu schlägt er einen Bolzen in den Korpus und die Türen des Kühlgerätes, wodurch er einige Zellen des Isolierschaums zerstört.

Die Kühlgeräte mitsamt Kältemittel, Kältemaschinenöl und Kompressor werden der Anlage zugeführt. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Die Kühlgeräte mitsamt Kältemittel, Kältemaschinenöl und Kompressor werden der Anlage zugeführt. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Das durch die Zerstörung der Zellen freigesetzte Treibmittelgas wird durch den Messkopf des Roboters angesaugt und in einer Messeinheit analysiert. Um sicherzustellen, dass nur halogenfreie Kühlgeräte in der Anlage behandelt werden, sind die Messungen an den unterschiedlichen Stellen des Kühlgerätes nötig. Dies liegt daran, dass bei einem geringen Anteil der Altkühlgeräte unterschiedliche Treibmittel in den Türen und den Korpussen verwendet wurden. Kühlgeräte mit halogenhaltigen Isolierschäumen werden ausgeschleust und müssen in einer anderen Anlage behandelt werden.

Explosionsschutz ohne Stickstoff

Ein entscheidender Unterschied der selektiven Behandlung halogenfreier Kühlgeräte in der zweiten Stufe im Vergleich zur Mischbehandlung von Kühlgeräten liegt im Explosionsschutz. Dieser ist notwendig, da sich während der Mischbehandlung Pentan und FCKW in der Anlage befinden und Pentan leicht entzündlich ist. Explosionsschutz ist aufgrund des brennbaren Treibmittels Pentan nötig. Die Explosionsunterdrückung in der herkömmlichen Mischbehandlung wird erreicht, in dem Stickstoff den Zerkleinerungsprozess inertisiert. Die VHC-Selektiv Altkühlgeräteentsorgungsanlage bietet durch Ihren veränderten Input eine effizientere Lösung der Explosionsunterdrückung. Durch hohe Absaugmengen zur Erfassung der Treibmittel kann hier die Explosionsgrenze durch Verdünnung deutlich unterschritten werden. Die Messung der unteren Explosionsgrenze (UEG) erfolgt im Zerkleinerungsbereich redundant. Die Verwendung von Stickstoff zur Explosionsunterdrückung ist nicht mehr notwendig. Die hohen Absaugmengen senken außerdem diffuse Verluste an Treibmitteln. Emissionsvorgaben an den Anlagen und in der Abluft können sicher unterschritten werden.

Das Kältemittel und Kältemaschinenöl wird aus einem Altkühlgerät abgesaugt. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Das Kältemittel und Kältemaschinenöl wird aus einem Altkühlgerät abgesaugt. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

 

Direktverbrennung

In der Stufe III werden wie üblich die freigesetzten Treibmittel direkt verbrannt. In der europäischen Norm „Anforderungen an die Sammlung, Logistik und Behandlung von Altgeräten aus dem Haushalt, die flüchtige Fluorkohlenwasserstoffe oder flüchtige Kohlenwasserstoffe enthalten“, die EN 50625-2-3, hat das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) auch festgelegt, wie dies zu tun ist: Die Treibmittel aus Polyurethanschaum werden direkt verbrannt. Eine Direktverbrennung halogenfreier Treibmittel ist dabei deutlich einfacher als die Verbrennung von halogenhaltigen Treibmitteln.

Die selektive Abtrennung von halogenfreien und -haltigen Treibmittel (Stufe II) sowie die vorherige selektive Abtrennung der halogenfreien und -haltigen Kältemittel (Stufe I) erlaubt es auch, etwa die halogenfreien Kältemittel mit den halogenfreien Treibmitteln in der Anlage zu verbrennen.

Vorteilhafte Behandlung

Die URT Umwelt- und Recyclingtechnik hat bei der Entwicklung des neuen Anlagenkonzeptes neben der Erfüllung aller Umweltanforderungen den Fokus auf Ressourceneffizienz der Anlage gelegt. Das neue Anlagenkonzept bietet dem Betreiber durch die mit dem neuen Konzept verbundene Einsparung an Ressourcen erhebliche Betriebskosteneinsparungen

Gerade bei der Korpusbehandlung der Kühlgeräte (Stufe II) ist es sinnvoll, sich mit neuen Anlagenkonzepten zu beschäftigen, denn Altkühlgeräte mit halogenfreien Treibmitteln in herkömmlichen Anlagen zu behandeln, ist teurer als die der halogenhaltigen. Dies ergibt sich aus der Brennbarkeit der alternativen halogenfreien Treibmittel – meist Pentane. Bei Verwendung einer selektiven Stufe III-Anlage für ausschließlich halogenfreie Kälte- und Treibmittel, fallen für den Kühlgeräteentsorger keine externen Transport- und Entsorgungskosten an. Hinzukommt, dass die bei der Verbrennung entstehende Wärme zu Heizzwecken genutzt werden kann. Bezogen auf das freigesetzte Treibmittel in einem Altkühlgerät, können durch die Verbrennung des Treibmittels zirka 1 Kilowattstunde pro Kühlgerät Wärmeenergie gewonnen werden. Dieser Wert wurde von der Firma URT auf Basis von Messwerten einer ihrer Referenzanlagen ermittelt.

Da durch das neue Anlagenkonzept auf Stickstoff zur Explosionsunterdrückung komplett verzichtet werden kann, reduzieren sich die Betriebskosten erheblich. In herkömmlichen Altkühlgeräteentsorgungsanlagen zählen Stickstoffkosten zu den größten Betriebskostenanteilen. Auch die Energiekosten der selektiven Behandlung von VHC-Kühlgeräten sind geringer als die der herkömmlichen Anlagen, da das neue Anlagenkonzept eine geringere Anschlussleistung benötigt.

Referenzanlagen

In Deutschland wird seit 2017 eine von URT entwickelte VHC-Selektiv-Anlage von dem Entsorger ALBA Electronics GmbH in Eppingen betrieben. In dieser Anlage werden bis zu 100 Kühlgeräte pro Stunde behandelt. Bis zur Mitte des Jahres 2019 hat diese Anlage bereits zirka 500.000 Kühlgeräte behandelt. Im Jahr 2019 liefert URT zudem jeweils eine weitere Anlagen dieser Art nach Polen und nach China.

 

 

Der Anteil der Kühlgeräte mit halogenfreien Kühlmittel (VHC) hat zum Zeitpunkt der Entsorgung von 1995 an stetig zugenommen. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

Der Anteil der Kühlgeräte mit halogenfreien Kühlmittel (VHC) hat zum Zeitpunkt der Entsorgung von 1995 an stetig zugenommen. Bild: Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH

 

Von Florian Heßler

Florian Heßler, Urt Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH f.hessler@urt-recycling.de