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Materialinnovationen 30.09.2022, 11:39 Uhr

Vollelektrisches Konzeptfahrzeug für erschwingliche Mobilität

BASF und Citroën haben gemeinsam ein Konzeptfahrzeug entwickelt, dass für nachhaltige und erschwingliche Mobilität stehen soll. Dabei sorgen Material-Innovationen für Einfachheit und mehr Funktionalität.

Bei dem Konzeptfahrzeug ist es den Nutzern sogar möglich, auf Motorhaube und Dach zu stehen. Foto: BASF

Bei dem Konzeptfahrzeug ist es den Nutzern sogar möglich, auf Motorhaube und Dach zu stehen.

Foto: BASF

Das Fahrzeug ist nicht schnell, nicht luxuriös, nicht schwer. Citroën und BASF zeigen den Angaben zufolge mit dem Konzeptfahrzeug oli (all-ë), dass durch Reduktion und Eliminierung Gewicht und Ressourcen eingespart werden können. „Dieses Konzeptfahrzeug zeigt, was möglich ist, wenn Partner einander vertrauen und mutig neue Wege gehen“, erklärt Uta Holzenkamp, Leiterin des Unternehmensbereichs Coatings, im Namen des Automotive Teams bei BASF. „Es entsteht ein Mikrokosmos von Ideen und Lösungen, der über das Konzept hinausgeht.“ Dadurch, dass die Höchstgeschwindigkeit auf 110 km/h gedrosselt sei und die Beschleunigung dem 2CV ähnelt, werden die Reichweite und die Lebensdauer der Batterie entscheidend verlängert. Dass Verzicht eine erfrischende Ästhetik haben kann, beweisen diverse Bauteile, heißt es weiter. Sie seien radikal neu interpretiert und konstruiert worden, indem Materialien in einem anderen Kontext verwendet wurden. Die komplette Rücksitzlehne wurde beispielsweise aus einem flexiblen 3D gedruckten Kunststoff gefertigt (Ultrasint TPU88A). Die offene Gitterstruktur übernehme dabei die natürliche Belüftung und ersetze sämtliche Ventilatoren im Sitz. Dafür sowie für die Herstellung von insgesamt etwa zwanzig Teilen wurde dabei auf die Kompetenz des 3D-Servicebüro Sculpteo in Frankreich, einer Marke der BASF gesetzt. Vergebens suche man auch ein Sound- oder Navigationssystem, denn diese seien schlicht nicht an Bord. Weil der Kunde meist über ein Handy und mobile Boxen verfügt, können diese Geräte im Armaturenbett eingesteckt werden und sie verbinden sich dann automatisch mit dem Fahrzeug.

Weniger Komplexität, nachhaltig, ansprechendes Design

Auffällig sei auch, dass viele der neu entwickelten Bauteile sortenrein konstruiert seien. Das bedeutet, sie stammen aus ein und derselben chemischen Produktfamilie, führt BASF aus. Verklebte und verschweißte Bauteile, bestehend aus verschiedenen Materialtypen, erschweren mechanisches Recycling. Die Designer von oli haben deshalb bereits bei der Gestaltung darauf geachtet, möglichst viele Komponenten aus nur einem einzigen Material zu designen, heißt es weiter.

Auch produktionstechnisch wurde der Vereinfachungsgrundsatz konsequent umgesetzt, so sind die Fahrer- und Beifahrertüre identisch. Das spart Presswerkzeuge und reduziert die Komplexität. Dasselbe gilt für sämtliche Radläufe und Stoßfänger. Dass Nachhaltigkeit sehr wohl ansprechend aussehen kann, beweist oli auf überzeugende Weise.

Die Farbe der Karosserie vermittele perfekt das Konzept des Fahrzeugs: Auf den ersten Blick scheine es ein reines Weiß zu sein, aber es wurden Glimmerpartikel hinzugefügt, um die Form des Fahrzeugs zu betonen. Im Kontrast zum Äußeren wurden die Materialien des Innenraums – wie die Sitze und der Bodenbelag – mit einer intensiven orangen Farbe lackiert.

Co-Creation als Schlüssel für neue Lösungsansätze

Bei Entwicklung und Design arbeitete der Hersteller Citroën eng mit BASF zusammen. Innovative Lösungen des Chemieunternehmens spielten bei der Co-Creation eine zentrale Rolle. Projekte wie die Entwicklung des Konzeptfahrzeugs mit dem Partner Citroën seien „wahre Booster“ auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft, erklärt Uta Holzenkamp, BASF Automotive. „Man braucht Innovationen, man braucht kreative Köpfe, um die Gedanken verschiedener Unternehmen zusammenzuführen“, so Holzenkamp. BASF verfolgt seit Jahren eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie. Wichtige Eckpfeiler sind dabei etwa das Projekt Chemcycling zum chemischen Recycling von Kunststoffen sowie der Biomassenbilanzansatz, bei dem in der Produktion fossile Rohstoffe durch erneuerbare ersetzt werden.

Neben Produkt- und Engineering-Expertise konnte BASF den Angaben zufolge mit dem Creation Center auch seine Designkompetenz einbringen. „Hier nahm das Projekt seinen Anfang“, sagt Alex Horisberger, Manager Industrial Design bei BASF. „Bei einem Besuch im Kreativstudio bei Citroën hatten wir die Gelegenheit, die Designer von unseren Materialien und Trendanalysen zu überzeugen. Auf Augenhöhe mit den Interior- und Exterieur-Designer von Citroën zu arbeiten war ein persönliches Highlight für mich.“

Das Citroën Konzeptfahrzeug wurde mit BASF Materialien designed, die teils in radikal neuem Kontext eingesetzt werden.

Foto: BASF

Ganz ähnlich sieht das Laurence Hansen, Citroën Product & Strategy. „Die Zusammenarbeit mit BASF war der Schlüssel zur Konzeption des oli und zur Entwicklung eines möglichst spaßbringenden und effizienten Elektrofahrzeugs für die nahe Zukunft. Unser neuartiges E-Auto setzt dem Trend zu immer schwereren und komplexeren Fahrzeugen Leichtheit und Einfachheit entgegen“. Das Konzeptfahrzeug mache vor, „wie man die Umwelt so wenig wie möglich belastet und gleichzeitig den Spaß an einem funktionalen und elektrischen Fahrzeug zurückbringt“, sagt Hansen.

Materiallösungen für ein neuartiges Fahrzeugkonzept

Viele BASF Lösungen kommen im Sinne dieser Idee zum Einsatz: Ein weiterer Hochleistungskunststoff von BASF findet sich in den hinteren Armlehnen und im Boden des Innenraums. Infinergy, ein expandiertes TPU (Thermoplastisches Polyurethan), wird auch in Laufschuhen und Sportböden eingesetzt. Es ist laut BASF elastisch wie Gummi, aber leichter und sehr widerstandsfähig und extrem abriebfest. Im oli hat das Material die Aufgabe, Armlehnen und Bodenbelag eine angenehme und doch beständige Oberfläche zu geben. Außerdem dämpft es Schall und Vibrationen. Hier sorgt eine zusätzliche spezielle Beschichtung für eine extralange Lebensdauer: NovaCoat-P auf Wasserbasis schützt die weichen Untergründe optimal gegen Abrieb, UV-Strahlung, Schmutz und Chemikalien. Weil der Bodenbelag wasserfest ist, lässt er sich einfach mit Wasser reinigen. Dazu sind Stöpsel aus Elastollan integriert, die zum Ablassen von Wasser und Schmutz entfernt werden können, so das Unternehmen weiter.

Auch beim Fahrzeugäußeren sei kräftig Gewicht gespart worden – und das bei höherer Stabilität und Haltbarkeit. Motorhaube, Dach und Kofferraum bestehen aus Platten, in denen das Polyurethansystem Elastoflex mit dem Spritzlacksystem Elastocoat® kombiniert wurde. Aufgrund einer wabenartigen Sandwichstruktur sind die Platten so stabil, dass man sogar darauf stehen kann. Dies ist Teil der Funktionalität des Fahrzeugs.

Als Lackierung für die Karosserie kommt mit R-M AGILIS ein weiteres BASF-Produkt zur Anwendung, das für mehr Nachhaltigkeit stehe. Der wasserbasierte Lack hat einen sehr niedrigen Gehalt an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC).

Die kathodische Tauchlackierung Catho-Guard 800 von BASF, die das Batteriegehäuse vor Korrosion schützt, trage zu weiteren Ressourceneinsparungen bei. Sie zeichne sich durch ihre hohe Leistungsfähigkeit und Umweltfreundlichkeit aus, da sie zinn-/HAP-frei und lösemittelarm ist.

Von BASF/Udo Schnell