Thermoplastischer Leichtbau für die Flugzeugkabine – neue Wege zur Nachhaltigkeit
Im Projekt „STair“ entwickeln Diehl Aviation, Ensinger, ThermHex und das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS gemeinsam Konzepte für thermoplastische Leichtbau-Komponenten, die schneller herstellbar sind, geringere Emissionen verursachen und die Anforderungen der Luftfahrtindustrie erfüllen sollen. Eine neue Technologie des Fraunhofer IMWS bildet dafür die Basis.
Thermoplastische Sandwichstrukturen sollen die effiziente Herstellung von Gepäckfächern in der Flugzeugkabine ermöglichen, hier eine Handgepäckablage.
Foto: Diehl Aviation Laupheim GmbH
In der Luftfahrt zählt jedes Kilogramm: Weniger Gewicht bedeutet weniger Treibstoff und damit geringere Emissionen sowie niedrigere Betriebskosten. Gleichzeitig steigt der Druck, die Folgen der CO2-Bepreisung zu begrenzen und die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Für viele Kabinenkomponenten – etwa Gepäckfächer oder die Module von Bordküchen – gelten deshalb Leichtbauprinzipien als Standard. Meist kommen Sandwichstrukturen zum Einsatz, bei denen dünne, robuste Decklagen einen besonders leichten Kern umschließen. Aktuell dominieren duroplastische Lösungen mit phenolharzbasierten Deckschichten und Wabenkernen aus Aramidpapier.
Mit der am Fraunhofer IMWS entwickelten Thermoplastic Sandwich Moulding-Technologie eröffnet sich eine Alternative, die auf thermoplastischen Kunststoffen basiert und die Prozesskette grundlegend verändern könnte.
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Neue Technologie im Projekt „STair“
Diehl Aviation Laupheim, Ensinger, ThermHex Waben und das Fraunhofer IMWS wollen im Projekt „STair“ bis April 2027 zeigen, dass thermoplastische Systeme eine schnellere, energieeffizientere und umweltfreundlichere Verarbeitung ermöglichen. Dr.-Ing. Ralf Schlimper, Teilprojektleiter am Fraunhofer IMWS, beschreibt das Potenzial so: „Die Vorteile wären erheblich: Thermoplastische Systeme lassen sich deutlich schneller verarbeiten, zudem mit besserer Energie- und Materialeffizienz. Das ist insbesondere bei der Kabine relevant, die im Laufe des Lebenszyklus eines Flugzeugs mehrfach erneuert wird. Sie sind außerdem recycelbar und kommen ohne umweltschädliche Lösungsmittel aus.“
Die Projektziele sind ambitioniert: eine Energieeinsparung von rund 30 % gegenüber duroplastischen Verfahren, bis zu 80 % Wiederverwertung von Produktionsabfällen in der Halbzeugfertigung und eine Verringerung der lösungsmittelbedingten Emissionen um bis zu 80 %.
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Anpassung an hochtemperaturbeständige Sandwichstrukturen
Damit diese Einsparungen realisiert werden können, muss das Verfahren an hochtemperaturbeständige thermoplastische Sandwichstrukturen (HT-TP-Sandwich) angepasst werden, die speziell für die Luftfahrt entwickelt wurden. Der Prozess vereint Thermoformen und Funktionalisieren in einem hochautomatisierten One-Shot-Verfahren. Die Schritte – Formgebung, Fügen und Funktionalisierung – müssen dafür technisch erweitert werden, damit sie die Anforderungen der HT-Thermoplaste erfüllen.
Ralf Schlimper: „Wir werden dafür verschiedene Bauteile aus der Kabine betrachten, zunächst Anforderungen definieren und dann die entsprechenden Lösungen für Halbzeuge, Mustermaterialien, attraktive Optik der Bauteile sowie Umform- und Verarbeitungsprozesse entlang verschiedener Prozessrouten entwickeln und erproben. Ziel ist der Aufbau einer Technologieplattform, auch unter Nutzung von Simulations-Tools. Die Bauteile sollen höchstens so schwer sein wie aktuelle duroplastische Lösungen und alle bestehenden Luftfahrtanforderungen erfüllen, damit die Ergebnisse schnell in den Markt überführt werden können. Nicht zuletzt nehmen wir begleitende Lebenszyklusanalysen und Recyclingkonzepte in den Blick.“
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Effiziente Thermoformprozesse im Fokus
Am Fraunhofer IMWS liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung effizienter Thermoformprozesse. HT-Halbzeuge – also flache Sandwichplatten mit thermoplastischem Waben- oder Schaumkern und Decklagen aus faserverstärkten Thermoplasten – sollen zu dreidimensionalen Bauteilen geformt werden. Sie werden zunächst erhitzt, anschließend schnell in ein neues Formwerkzeug überführt und bei Temperaturen von über 200 °C thermoformt.
Eine Herausforderung ergibt sich aus dem Ziel, den leichten Kern weitgehend zu erhalten, während an Bauteilrändern monolithische Bereiche entstehen sollen. Dort muss der Kern vollständig aufgeschmolzen und verpresst werden. Zusätzlich untersucht das Projektteam Hybridstrukturen, die Wabenkern und Schaumkern kombinieren. Diese Varianten erhöhen die Komplexität der Verarbeitung und erfordern detaillierte Kenntnisse des Materialverhaltens. „Wir haben für dieses Verfahren großes Vorwissen, auch zu unterstützenden Modellierungsansätzen, und die passende technische Ausstattung. So können wir Aspekte wie Bauteilgeometrie, Rand- und Kantenabschlüsse sowie Schnittstellen zu Funktionselementen systematisch untersuchen“, so Ralf Schlimper
Das Institut verfügt zudem über Methoden zur Analyse des Einsatz- und Langzeitverhaltens, darunter Dehnungsmessungen, Röntgen-CT zur Untersuchung der Morphologie sowie beschleunigte Alterungstests. Auch Optionen für stoffliches Recycling werden betrachtet, einschließlich Versuchsreihen zu Rezyklatanteilen aus Verschnittresten.
Perspektiven für nachhaltigere Kabinenbauteile
Sind die Projektpartner erfolgreich, könnten deutlich nachhaltigere Materialien für die Kabinenfertigung entstehen – mit geringeren Emissionen während Herstellung und Lebensende sowie unveränderten funktionalen und optischen Eigenschaften. Ralf Schlimper: „Mit unserem Ansatz lassen sich Emissionen sowohl während der Herstellung als auch nach dem Ende des Lebenszyklus erheblich reduzieren, zugleich werden die ästhetischen und funktionalen Anforderungen erfüllt.“ Er ergänzt: „Ein großer Vorteil dabei ist, dass in unserer Zusammenarbeit alle Aspekte der Wertschöpfungskette von der Materialherstellung bis zur Bauteilherstellung abgedeckt sind. Das verspricht gute Erfolgsaussichten.“
Auch die Industriepartner sehen großes Potenzial. Dr.-Ing. Jochen Pflug, Geschäftsführer der ThermHex Waben GmbH, erläutert: „Schritt für Schritt überführen wir unsere recycelbaren leichten thermoplastischen Waben-Sandwichmaterialien mit ‚STair‘ von der Automobil- zur Luft- und Raumfahrtindustrie. Wir verbinden dabei die Möglichkeiten für Kostensenkungen und Produktionsautomatisierung erfolgreich mit den erforderlichen Leistungszielen der Branche. Ich bin begeistert und dankbar für die Möglichkeit, unsere Produkte gemeinsam mit starken Partnern weiterzuentwickeln.“
Rahmenbedingungen und Förderung
Das Projekt „STair“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Luftfahrtforschungsprogramm LuFo Klima VII-1 gefördert. Die Arbeiten sollen eine Basis schaffen, um thermoplastischen Leichtbau in der Luftfahrt breiter verfügbar zu machen und langfristig ressourceneffiziente Kabinenlösungen zu etablieren.




