Schnellere Qualifizierung von Bauteilen in Wasserstoffanwendungen
Das IWM und das National Institute of Standards and Technology forschen gemeinsam an neuen Konstruktionsrichtlinien, die weniger konservativ, aber dennoch zuverlässig sind.
Wasserstoffgas-Mikroautoklav-Aufbau für mechanische In-situ-Tests in gasförmigem H2 an Mikroproben.
Foto: Fraunhofer IWM, Kai Wudtke
Das Forschungsprojekt Hylife (Eigenschreibweise: HyLife) zielt darauf ab, ein Physik-basiertes Lebensdauerprognosewerkzeug für Materialien im Kontakt mit Wasserstoff zu entwickeln. Mit innovativen Testmethoden und Materialmodellen soll die Lebensdauer von Komponenten unter Wasserstoffeinfluss zuverlässig vorhergesagt und somit entscheidend zur Sicherheit und Effizienz von Infrastrukturen der Wasserstoffwirtschaft beigetragen werden, führt das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM aus.
Wasserstoff als Energieträger braucht sichere Infrastrukturen
Die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger ist, so das IWM, abhängig von sicheren Infrastrukturen für dessen Speicherung und Transport. Werkstoffe und Bauteile für Druckbehälter und Rohrleitungen von gasförmigem Wasserstoff müssen hinsichtlich ihrer Anfälligkeit für Wasserstoffversprödung getestet und qualifiziert werden. Aktuell werden viele Komponenten, die mit Druckwasserstoff in Kontakt kommen, sehr konservativ ausgelegt oder sehr zeit- und kostenintensiven mechanischen Bruch- und Ermüdungsprüfungen unterzogen. Die Qualifizierung neuer Werkstoffe für Wasserstoffanwendungen kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die Materialcharakterisierung und -qualifizierung ist daher für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ein Erfolgsfaktor.
Genau an dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt Hylife an, eine Kooperation des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM mit dem National Institute for Standards and Technology (NIST) in den USA, das gerade begonnen hat und bis 2028 laufen wird. Die Fraunhofer-Gesellschaft fördert in ihrem Forschungsprogramm Icon – International Cooperation and Networking (Eigenschreibweise: ICON) – die strategische Zusammenarbeit zwischen Fraunhofer und einem herausragenden internationalen Forschungspartner.
Übergreifendes Ziel von Hylife sind den Angaben zufolge weniger konservative, dennoch zuverlässige Konstruktionsrichtlinien für Komponenten, die unter Druckwasserstoff betrieben werden. Dafür werden schnellere und aussagekräftigere Qualifizierungskonzepte für Bauteile von Wasserstoffinfrastrukturen entwickelt. Die Vorteile liegen laut IWM auf der Hand: Eine materialeffizientere Konstruktion von Infrastrukturen und eine zeit- und kosteneffiziente Qualifizierung von Komponenten unterstützen den beschleunigten Aufbau der nachhaltigen Energiewirtschaft.
Validiertes physikalisches Vorhersagemodell
Der Schlüssel dafür ist ein validiertes physikalisches Vorhersagemodell für die Lebensdauer von Stahlteilen mit Schweißnähten, so das IWM weiter. Mit dem Modell soll die Schädigung von Materialien im Kontakt mit Wasserstoff auf Basis ihrer Mikrostruktur und einiger physikalischer Kenndaten zuverlässig vorhergesagt werden. Dies soll ein Paradigmenwechsel in der Lebensdauerprognose werden und den Bedarf aufwendiger und teurer Versuche zur Entstehung und Ausbreitung von Rissen für die Sicherheitsbewertung verringern. Die Folge: gesenkte Produktionskosten und beschleunigte Innovationszyklen.

Eine Mikrozugprobe (6 mm Länge, Stegbreite 0,4mm) ist in der Prüfkammer in Probenhaltern montiert.
Foto: Fraunhofer IWM, Kai Wudtke
Auf dem Weg zum Modell kommt eine innovative Mikroproben-Prüftechnik des Fraunhofer IWM zur Bestimmung der Bruchzähigkeit und des Risswachstums zum Einsatz, heißt es weiter. Die Messergebnisse werden mit Hochdurchsatz-Ermüdungstests auf der Makroskala des NIST abgeglichen. Auch bei der präzisen Messung der Dekohäsion mechanisch belasteter Korngrenzen, die zu einem besseren Verständnis von lokalen Schädigungen durch Wasserstoff führen soll, ergänzen sich die Partner bei der Mikrostrukturanalyse, Materialdatenverwertung und Modellbildung. Ziel ist, dass das Vorhersagemodell mit weniger Materialkenndaten auskommt und gleichzeitig die wasserstoffinduzierte Entstehung und Ausbreitung von Rissen auf der Mikroskala besser berücksichtigt.
Modell soll direkt in Normen Anwendung finden
Der Projektplan sieht vor, dass das Hylife-Modell direkt in den Normen ASME B31.12 und ISO 11114–4 für die Auslegung von Bauteilen Anwendung findet, und so die Sicherheit und Effizienz in der Wasserstoffwirtschaft erhöht.




