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Editorial Konstruktion 10/2022 17.10.2022, 15:06 Uhr

Herausforderungen der Kostentransparenz

Probleme mit den Kosten gibt es in vielen Unternehmen. Abhilfe schafft Transparenz in den Kosten und das Wissen darüber in Konstruktion und Entwicklung.

Dr.-Ing. Marc Pauwels, Vorsitzender der VDI-GPP: „Die Transparenz in den Kosten und das Wissen darüber auch in der Entwicklung/Konstruktion ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmen. Hier muss meiner Ansicht nach noch viel Bewusstsein geschaffen und an Verbesserungen gearbeitet werden.“ Foto: VDI

Dr.-Ing. Marc Pauwels, Vorsitzender der VDI-GPP: „Die Transparenz in den Kosten und das Wissen darüber auch in der Entwicklung/Konstruktion ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmen. Hier muss meiner Ansicht nach noch viel Bewusstsein geschaffen und an Verbesserungen gearbeitet werden.“

Foto: VDI

Warum haben so viele Unternehmen Probleme mit ihren Kosten? Viele Leser denken jetzt an zu hohe Herstellkosten, zu geringe Margen und ähnliches. Das sind sicherlich auch wichtige Themen, gerade in der heutigen Zeit. Allerdings möchte ich das Augenmerk auf etwas anderes legen, nämlich der Intransparenz bei den Kosten, vornehmlich den Herstellkosten. In Projekten zur Produktoptimierung oder Produktentwicklung stößt man über kurz oder lang auf die Herstellkosten. Diese kommen meistens aus der unternehmenseigenen Software, zum Beispiel einem ERP-System. Und es ist fast immer das gleiche Bild:

  • Der Konstrukteur/Entwickler hat gar keinen Zugriff auf die Kosten.
  • Wenn doch, ist es schwierig an eine geeignete Sicht zu kommen: Herstellkosten existieren oft nur als Auflistung aller einzelnen Bauteile.
  • Die Herstellkosten sind nicht aktuell.

Schauen wir uns die einzelnen Punkte an. Zum Glück scheint sich der Gedanke „der Konstrukteur darf keine Kosten kennen“ mehr und mehr auf dem Rückzug zu befinden. Meist sind es Vorkommnisse in der Historie des Unternehmens, die zu diesem Verbot geführt haben. Oder aber es gibt ein Missverständnis: Das Management weiß gar nicht, dass der Zugriff nicht möglich ist und die Mitarbeiter denken, es sei so gewollt. Aber seien wir mal ehrlich: Wie soll ein Konstrukteur ein kostenoptimiertes Produkt konstruieren, wenn er die Kostenauswirkungen gar nicht kennt? An dieser Stelle ist das Management gefordert, Klarheit zu schaffen.

„Ohne Kenntnis der Kosten kann kein Produkt optimiert werden.“

Dr.-Ing. Marc Pauwels

Der zweite Punkt betrifft die Aufbereitung der vorhandenen Daten. Die meisten Systeme in den Unternehmen sind datenbankbasiert, das heißt grundsätzlich könnte jede gewünschte Sicht auf die Kosten generiert werden. Das Problem mit einer Kalkulation mit „tausend Zeilen“ ist das fehlende Gefühl für die Kosten der Baugruppen: wo liegen hier die Kostentreiber, welche Baugruppen sind es wert, tiefergehend betrachtet zu werden und welche nicht. Schaut man beispielsweise auf die Antriebseinheit einer Maschine, gehören außer dem Motor auch ein Getriebe, eine Antriebswelle, mehrere Anbauteile sowie Befestigungsteile dazu. Die Kosten müssen auch entsprechend für diese Baugruppe ersichtlich sein und nicht irgendwo in den tausend Zeilen „versteckt“ sein. Oft wird dann nur nach den Hauptkomponenten geschaut und nicht auch nach den zugehörigen B- und C-Teilen. Dadurch entstehen häufig falsche Ansichten zu den Kosten der Baugruppen oder auch Funktionen (siehe zum Beispiel VDI2803).

Kommen wir zu der Aktualität der Herstellkosten. Dort gibt es die beiden Situationen, dass es sich um eine Neuentwicklung handelt oder um die Überarbeitung eines bestehenden Produkts. Für den ersten Fall gibt es unterschiedliche Methoden und Tools der Kostenfrüherkennung, der Kostenschätzung und auch der Kostenanalyse (siehe etwa VDI2225). Hier geht es darum, so früh wie möglich, die Kosten des zu entwickelnden Produkts zu bestimmen und mit fortschreitendem Prozess zu verfeinern. Bei der Überarbeitung eines Produkts sollten dessen Kosten eigentlich bekannt sein. Allerdings ist oft unklar, welche Aktualität diese Kosten haben oder was diese Kosten denn nun alles enthalten. Bei Zukaufteilen wären beispielsweise folgende Fragen zu stellen:

  • Gleitender Durchschnittswert der letzten 6 Monate, letzter Einkaufspreis oder letzter Angebotswert?
  • Inklusive der Materialgemeinkosten, inklusive Lieferung frei Haus?

Bei Eigenfertigungsteilen würde gelten:

  • Ermittelte Zeiten, Planzeiten oder gar geschätzte Zeiten.
  • Reine Maschinenzeiten, Maschinenstundensätze.
  • Mit Rüstzeiten und wenn ja, für die tatsächliche Anzahl zu fertigender Bauteile oder immer Stückzahl 1.

Die Liste lässt sich noch beliebig fortsetzen und soll nur aufzeigen, wie viel Unschärfe in die Kalkulation einfließen kann. Die Beantwortung der Fragen wird nochmals wichtiger, wenn Make-or-buy-Entscheidungen getroffen werden müssen: dabei müssen dann nicht nur die richtigen Kosten miteinander verglichen werden, sondern zusätzlich auch noch die Auswirkungen auf die Deckungsbeiträge für das Unternehmen.

Die Transparenz in den Kosten und das Wissen darüber auch in der Entwicklung/Konstruktion ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmen. Hier muss meiner Ansicht nach noch viel Bewusstsein geschaffen und an Verbesserungen gearbeitet werden. Nur so können im Projektverlauf frühzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Die positive Nachricht ist, dass die Umsetzung der oben aufgeführten Punkte mit wenig Aufwand möglich ist. 

Dr.-Ing. Marc Pauwels ist Vorsitzender der VDI-GPP und Geschäftsführender Gesellschafter der Krehl & Partner GmbH & Co. KG
76135 Karlsruhe
Marc.Pauwels@krehl.com
Bild: VDI