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Abschlagszahlungen 01.05.2015, 00:00 Uhr

Zahlung von Abschlägen hat keine Auswirkung auf die Abnahme

Nach Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B und Paragraf 632a BGB hat der Auftragnehmer Anspruch auf Abschlagszahlungen in Höhe des Wertes der vertragsgemäß erbrachten Leistungen. Zuweilen versuchen Auftraggeber, den Anspruch auf Abschlagszahlungen vertraglich teilweise auszuschließen.

Bild: panthermedia.net/Alena Brozova

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Bauvorhaben lassen sich aus der Sicht der Unternehmer in der Regel nur bewältigen, wenn Abschlagszahlungen geleistet werden. Ohne Abschlagszahlungen besteht Anspruch auf Vergütung erst nach der Abnahme. Dies war bis 2002 die Lage nach dem BGB; erst seitdem gibt es – wie in der VOB/B immer schon – einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Abschlagszahlungen sind Vorauszahlungen auf die erwartete endgültige Vergütung. Sie haben in aller Regel keinerlei Bindungs- oder Anerkenntniswirkung. Die Leistung von Abschlagszahlungen bedeutet weder, dass die Leistung im abgerechneten Umfang als erbracht anerkannt wird, noch erst recht, dass die erbrachten Leistungen mangelfrei sind. Die widerspruchslose Zahlung einer Abschlagsrechnung stellt auch keine (Teil-)Abnahme dar (so ausdrücklich Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B). Der Auftraggeber kann auch nachträglich noch geltend machen, dass die bezahlten Leistungen gar nicht bestellt waren. Insoweit sind Abschlagszahlungen für den Auftraggeber vom Ansatz her „ungefährlich“: Eine etwaige Überzahlung kann bei der nächsten Abschlagsrechnung und auch noch bei der Schlußrechnung berücksichtigt werden.

Leistungstand muss nachvollziehbar sein

Abschlagszahlungen setzen nachgewiesene und vertragsgemäße Leistungen voraus. Der Auftragnehmer muss daher seiner Rechnung eine nachprüfbare Aufstellung beizufügen, die den Auftraggeber in den Stand versetzt, den Leistungsstand nachzuvollziehen. Erweist sich der tatsächliche Leistungsstand als geringer als der abgerechnete, kann der Auftraggeber selbstverständlich die Rechnung entsprechend kürzen. Da die Leistung zudem vertragsgemäß sein muss, kann der Auftraggeber weiterhin einen Einbehalt vornehmen, wenn die erbrachte Leistung mangelhaft im Sinne des Paragraf 4 Abs. 7 VOB/B ist (die vor Fertigstellung zwangsläufig unvollständige Leistung ist als solche nicht mangelhaft); der Einbehalt darf nach Paragraf 641 Abs. 3 BGB in der Regel das Doppelte der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten betragen.

Darüber hinaus ist auch ein Einbehalt wegen einer vereinbarten Sicherheitsleistung nach Paragraf 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B zulässig. Der Einbehalt wegen der Sicherheitsleistung und der Einbehalt wegen konkreter Mängel können dabei in der Regel parallel geltend gemacht werden, da der vereinbarte Sicherungsbetrag dem Auftraggeber grundsätzlich ungeschmälert bis zur Erfüllung aller Vertragsleistungen zur Verfügung stehen soll. Nur wenn in bestimmten Konstellationen die kumulative Geltendmachung völlig unangemessen ist und gegen Treu und Glauben verstößt, muss der Auftraggeber gegebenenfalls auf einen zusätzlichen Einbehalt wegen Mängeln verzichten.

Was passiert, wenn der Abschlag nicht gezahlt wird?

Zuweilen stellen Auftraggeber im Rahmen Zusätzlicher Vertragsbedingungen Klauseln, die die Geltendmachung von Abschlagszahlungen erschweren sollen. Über einen solchen Fall hatte das OLG Düsseldorf (Urteil vom 25.11.2014 – 21 U 172/12 –, nicht rechtskräftig) zu entscheiden. Nach den vom Auftraggeber vorgegebenen Vertragsbedingungen konnte der Auftragnehmer für seine Bauleistungen zu bestimmten Zeitpunkten Abschlagszahlungen in Höhe von 90 % der erbrachten und durch Aufmaß nachgewiesenen Leistungen verlangen. Der Auftragnehmer stellte mehrere Abschlagsrechnungen, die jeweils unter Berufung auf die vorgenannte Regelung nicht vollständig bezahlt wurden. Nach erfolgloser Setzung einer Frist für die vollständige Zahlung kündigte der Auftragnehmer den Vertrag und verlangt neben der Bezahlung der erbrachten Leistungen eine angemessene Entschädigung nach Paragraf 642 BGB.

Fraglich ist, ob die Kündigung des Auftragnehmers zu recht erfolgt ist. Der Auftragnehmer kann nach Paragraf 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber fällige Zahlungen nicht leistet. Der Auftraggeber hat die gestellten Abschlagsrechnungen nicht in voller Höhe geleistet. Sie waren aber nach der genannten Vertragsklausel in Höhe von 10 % nicht fällig. Hier stellt sich die Frage, ob diese Vertragsklausel wirksam ist.

Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B geht davon aus, dass Abschlagszahlungen in Höhe von 100 % auf den nachgewiesenen Leistungsstand zu leisten sind, wenn keine Mängel vorliegen. Insoweit ist die Klausel zunächst einmal VOB-widrig und die VOB/B daher nicht mehr ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Vertrag einbezogen. Die VOB/B unterliegt damit in vollem Umfang der gerichtlichen Inhaltskontrolle.

Daneben verstößt eine derartige Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber auch gegen das gesetzliche Leitbild in Paragraf 632a BGB, der ebenfalls davon ausgeht, dass Abschlagszahlungen für erbrachte vertragsgemäße Leistungen in voller Höhe zu leisten sind. Die vom Auftraggeber gewünschte zusätzliche Sicherheit über die dargelegten Abzüge hinaus ist unangemessen und daher nach Paragraf 307 BGB unwirksam.

Kündigung nur nach Fristsetzung

Daher musste der Auftraggeber die Abschlagsrechnungen – ein geringerer Leistungsstand und Mängel waren nicht dargetan – in voller Höhe bezahlen. Da er das bei Fälligkeit nicht getan hatte, bestand der Kündigungsgrund für den Auftragnehmer. Der Auftragnehmer hat allerdings vor der Kündigung dem Auftraggeber nach Paragraf 9 Abs. 2 Satz 2 VOB/B noch eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung zu setzen und für den Fall des fruchtlosen Ablaufs dieser Frist die Kündigung anzudrohen. Dies war hier geschehen, so dass der Auftragnehmer den Vertrag zu recht gekündigt hat.

Die genannte Klausel ist auch bei einem BGB-Bauvertrag als unwirksam anzusehen.

Planer, die mit der Rechnungsprüfung für den Auftraggeber beauftragt sind, müssen, falls eine entsprechende Klausel im Vertrag mit dem Unternehmer vereinbart ist, den Auftraggeber darauf hinweisen, daß bei nur teilweiser Auszahlung des Abschlagsbetrages die Gefahr eine Kündigung durch den Auftragnehmer droht.

Von Dr. Reinhard Voppel

Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR