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Gebäudesektor verfehlt CO2-Ziel 02.06.2023, 10:42 Uhr

Weniger Emissionen nur dank schönem Wetter

Die Folgen des Ukraine-Krieges und die milde Witterung haben in 2022 die Reduzierung der CO2-Emissionen begünstigt. Dennoch hat der Gebäudesektor seine Ziele verfehlt.

Ziele verfehlt: Die CO2-Emissionen gingen im Jahr 2022 laut Bericht des Expertenrates nicht weit genug zurück. Foto: panthermedia.net/hansenn

Ziele verfehlt: Die CO2-Emissionen gingen im Jahr 2022 laut Bericht des Expertenrates nicht weit genug zurück.

Foto: panthermedia.net/hansenn

Das Emissionsgeschehen im Jahr 2022 war stark von der Energiepreiskrise geprägt. Nach einer Überschlagsrechnung des Expertenrats für Klimafragen hätte die Schadstoffrate um rund neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalent höher gelegen, wenn das Wachstum der Wirtschaftsleistung nicht in Folge des Kriegs in der Ukraine geringer als erwartet ausgefallen und das Wetter nicht so schön gewesen wäre.

Emissionen im Vergleich zu 2021 gesunken

Die Emissionen sanken im vergangenen Jahr um 49 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (6,1 %) unter den Wert des letzten Vorkrisenjahres 2019 beziehungsweise gegenüber 2021 von 760,4 auf 746,2 Millionen Tonnen um 1,9 %. Das geht aus der Unterrichtung des Bundestags Ende Mai durch den Expertenrat für Klimafragen (ERK) zum „Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022 – Prüfung und Bewertung der Emissionsdaten Bundesregierung“ hervor. Der ERK kontrollierte mit dem Report gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) die am 15. März 2023 vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen in Deutschland.

Gebäudesektor profitiert vom Heizverhalten

Würde sich diese Minderungsrate von jährlich rund zwei Prozent über den Rest des laufenden Jahrzehnts fortsetzen, würden das jahresscharfe KSG-Ziel für 2030 um 190 Millionen Tonnen und das kumulierte KSG-Ziel bis 2030 um 740 Millionen Tonnen verfehlt. Jahresscharf heißt: Das KSG legt in Anlage 2 für jedes Jahr für jeden Sektor eine Emissionsmenge fest, im Bereich Gebäude zum Beispiel 102 Millionen Tonnen für 2023, 97 Millionen Tonnen für 2024 und 67 Millionen Tonnen für 2030. Bezogen auf diese Reihungen addieren sich jährlich zwei Prozent auf 190 Millionen Tonnen total in 2030 auf. Schaut man aber in die Vergangenheit, bleibt es nicht konstant bei diesen zwei Prozent. Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude, Energiewirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstige belasteten über die Zwei-Prozent-Verfehlung hinaus die Atmosphäre. Hält diese Situation an, übersteigt kumuliert der THG-Ausstoß 2030 den KSG-Wert um 740 Millionen Tonnen.

Emissionswerte für das Berichtsjahr 2022 mit den zulässigen sektorspezifischen Jahresemissionsmengen des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Grafik: Prüfbericht ERK

Der Sektor Gebäude weist gegenüber dem Jahr 2021 einen Rückgang der Emissionen in Höhe von 6,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (-5,3 %) auf. Allerdings erklärt sich diese Abnahme ebenfalls wohl überwiegend aus nur temporären Veränderungen im Heizverhalten aufgrund des Ukrainekonflikts beziehungsweise, damit verknüpft, einem veränderten Heizverhalten aus Angst vor einer Brennstoffverknappung, ferner durch die milde Witterung, schreiben die Wissenschaftler. Und generell zum Ergebnis der Prüfung: „Der Expertenrat findet bis auf einen geringfügigen Korrekturbedarf bei den Emissionen des Verkehrssektors keinen Anhaltspunkt, dass das Umweltbundesamt bei der Berechnung der Vorjahresemissionen zu anderen Ergebnissen hätte kommen müssen.“

Sofortprogramm zur Einhaltung der Schadstoffmengen

Für den Verkehrs- und den Gebäudesektor lagen die Emissionswerte – wie auch schon im Jahr 2021 – oberhalb der im KSG vorgegebenen Zielwerte. Trotz des Rückgangs um 6,3 Millionen Tonnen hinkt der Bereich Gebäude um 4,3 Millionen Tonnen CO2 seiner Vorgabe für das Jahr 2022 hinterher. Konsequenz: Die für diese Emissionsquellen zuständigen Ministerien müssen innerhalb von drei Monaten nach Präsentation des Prüfberichts ein Sofortprogramm vorlegen, das die Einhaltung der Schadstoffmengen in ihrem Zuständigkeitsgebiet für die folgenden Jahre sicherstellt. Das verlangt das KSG in Paragraf 8 „Sofortprogramm bei Überschreitung der Jahresemissionsmengen“. Dies könnte unter anderem zum Beispiel die rasche Verabschiedung des GEG sein. Doch nur unter Einbeziehung des Bestands. Der ERK dazu: „An der Struktur des Heizsystembestands hat sich auch 2022 wenig geändert. Weiterhin dominieren fossile Heizungen mit einem Anteil von über 75 %. Trotz eines stark wachsenden Marktanteils von Wärmepumpen waren Gasheizungen bei den neu eingebauten Heizungen die mit Abstand meistverkaufte Heiztechnologie.“

Schlusslicht Deutschland

Der Prüfbericht geht deshalb tiefer auf den Wärmepumpenmarkt ein. „Zur Erreichung der Klimaneutralität im Gebäudesektor spielt laut den verschiedenen Klimaneutralitätsstudien der Einsatz von Wärmepumpen eine wesentliche Rolle. Im Jahr 2030 wird politisch das Ziel von sechs Millionen verbauten Wärmepumpen angestrebt, ab 2024 sollen dafür jedes Jahr mindestens 500.000 Wärmepumpen verkauft werden (BMWK 2022a). Für das Erreichen dieses Zielwertes und den von den Klimaneutralitätsstudien errechneten Ausbaukorridoren sind weiterhin hohe Wachstumsraten beim Absatz von Heizungswärmepumpen über das politische Ziel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr hinaus notwendig. Im Jahr 2022 lag der Anteil von Wärmepumpen an Heizungssystemen in Neubauten (nach Baugenehmigungen) erstmalig über 50 % (BDEW 2022). Insgesamt wurden nach Verbandsangabe 236.000 Heizungs-Wärmepumpen abgesetzt; dies entspricht einem Anstieg von 53 % gegenüber 2021. Somit wurde das Ziel von 500.000 installierten Wärmepumpen pro Jahr noch sehr deutlich verfehlt.“ Und weiter: „Auch im internationalen Vergleich sind die Verkaufszahlen im Verhältnis zur Bevölkerung niedrig: Im Vergleich zu 14 anderen EU-Mitgliedsstaaten, für die bereits Daten vorliegen, belegt Deutschland bei der Anzahl der pro Haushalt verkauften Wärmepumpen den letzten Platz. Der Bestand von mehr als 1,4 Millionen Wärmepumpen macht im Jahr 2022 zudem nur einen Anteil von drei Prozent in Bestandsgebäuden aus (BDEW 2022).“

Von Dipl.-Ing. Bernd Genath