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Bauindustrie in der Krise 31.08.2023, 11:51 Uhr

Wachstum nur bei Modernisierungen

Nach den ertragreichen Jahren der jüngsten Vergangenheit muss sich die Bauindustrie für 2023 auf deutlich geringere Umsätze einstellen. Doch es gibt nach wie vor auch Wachstumsmärkte.

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Der private Wohnungsbau steckt in der Krise: Die Zahl der Baugenehmigungen in 2023 ist deutlich rückläufig.

Foto: panthermedia.net/ Kzenon

Tim-Oliver Müller hat sich die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes genau angesehen. Vor allem im privaten Wohnungsbau sei ein klarer Trend erkennbar: „Die Bilanz für das erste Halbjahr 2023 zeigt im Wohnungsbau ein ungemein düsteres Bild“, so der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Nach einem erneuten Rückgang im Juni um 28 Prozent – dem neunten Monat mit einem zweistelligen Rückgang in Folge – sind im ersten Halbjahr 2023 27 Prozent weniger Wohnungen im Neu- und Umbau genehmigt worden als im Vorjahreszeitraum“, berichtet Müller. Eine Besserung sei unter den Eindrücken des Ukrainekrieges, einer hohen Inflationsrate und einer gehemmten Konsum- und Investitionsbereitschaft der Verbraucher nicht in Sicht.

Auch bei den Ein- und Zweifamilienhäusern zeigt die Kurve nach unten: Von Januar bis Juni sind nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes insgesamt 40 Prozent weniger Eigenheime genehmigt worden als 2022. Weniger dramatisch, aber doch auffällig spürbar, sind die Effekte im Nichtwohnungsbau: Hier ist das Volumen der Neubaugenehmigungen im ersten Halbjahr real um gut 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. „Aus dem Wirtschafts- und dem Öffentlichen Hochbau ist daher zumindest 2023 keine Entlastung für die Baubetriebe zu erwarten“, resümiert Verbandschef Müller.

Neubauflaute trifft auf Modernisierungstrend

Und wie sieht die Prognose für die Zukunft aus? Im Rahmen seiner „Jahresanalyse 2023/2024“ hat das Meinungsforschungsinstitut Bauinfoconsult 600 Bauakteure um ihre Einschätzung gebeten. Das Ergebnis: Den Nachfragerückgang im Neubau versuchen die Bauakteure zunehmend durch Aufträge aus dem Modernisierungssektor zu kompensieren. Der Trend zu mehr Energieeffizienz wird dabei zunehmend auch im Geschosswohnbau beobachtet. Insbesondere die Dämmung von Dach und Fassade verspricht vollere Auftragsbücher; im Heizungsbereich werde wohl weiter die Nachfrage nach Wärmepumpe am deutlichsten spürbar sein, so Bauinfoconsult. Aber auch das Bauherreninteresse am Thema Solarthermie wird hoch eingeschätzt.

Verlässliche Rahmenbedingungen für neue Investitionen

Mit einer schnellen Erholung im Wohnungsneubau rechnen die Marktbeobachter von Bauinfoconsult indes nicht. Nach den rückläufigen Baugenehmigungen in 2023 erwarten die Analysten für 2024 zwar Nachholeffekte, diese seien aber nicht nachhaltig genug, um 2025 für Impulse bei den Fertigstellungen zu sorgen. „Auf Gebäudeebene betrachtet, werden sich die Fertigstellungen bei den Mehrfamilienhäusern schneller und weitreichender erholen als im Eigenheimsegment“, heißt es in einer bis 2025 ausgerichteten Neubauprognose der Düsseldorfer.

„Nach wie vor sorgen Zinssteigerungen, deutlich zulegende Baukosten, nochmals erhöhte energetische Anforderungen und die Unsicherheit über das weitere Vorgehen der Politik für ein Umfeld, in dem Investoren auf der Bremse stehen“, so Verbands-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Daher fordert er: „Wichtig für private Haushalte und Investoren sind langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. So hat sich zum Beispiel bei den Wärmepumpen die Zahl der Anträge auf Förderung im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr auf 50 000 halbiert. Dies zeigt, wie eigentlich gut gemeinte, aber schlecht gemachte und kommunizierte Initiativen die Menschen verunsichern.“

Von Bauinfoconsult / Hauptverband der Deutschen Bauindustrie / Marc Daniel Schmelzer