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Planung im Klimawandel 17.08.2023, 08:48 Uhr

Tool simuliert die Effekte von Bauprojekten

Was wäre wenn? Mit dem Stadtklimamodell PALM-4U können die Auswirkungen geplanter baulicher Maßnahmen auf das urbane Klima simuliert werden. Kontraproduktive Entwicklungen lassen sich dadurch vermeiden.

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Zunehmende Extremwetterereignisse stellen neue Anforderungen an die Planung von Gebäuden und Quartieren.

Foto: panthermedia.net/Smith

Starkregen, Hitze und Unwetter: Durch den Klimawandel kommt es immer häufiger zu Extremwetterereignissen, die auch für die intelligente Entwicklung von Städten eine Herausforderung darstellen. Das Stadtklimamodell „PALM-4U“ ermöglicht es Mitarbeitenden von Kommunen sowie Stadtplanerinnen und Stadtplanern, die Auswirkungen geplanter baulicher Maßnahmen auf das urbane Klima umfangreich zu simulieren. Die Folgen extremer Wetterlagen sollen dadurch im Vorhinein besser einschätzbar, die Lebensqualität in der Stadt verbessert und die Gesundheit älterer oder kranker Menschen geschützt werden. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP haben die Bedienoberfläche des Tools (PALM-4U GUI) gestaltet und dabei ihre Expertise in Fachbereichen wie Hygrothermik und Raumklima eingebracht.

Simulation basiert auf vielfältigen Daten

„Dicht besiedelte urbane Räume sind besonders anfällig für extreme Wetterlagen. Sie belasten nicht nur das Wohlbefinden – für Menschen, die schwächer oder gesundheitlich angeschlagen sind, kann das extreme Wetter auch gefährlich sein“, erläutert Matthias Winkler, Experte für Hygrothermik am Fraunhofer IBP. Hier soll das Tool helfen. Mit „PALM-4U“ kann man beispielsweise simulieren, welche Effekte die Begrünung einer Fassade oder das Pflanzen von Bäumen auf den thermischen Komfort der Bewohnenden hat. Mit der Software können auch Schwerpunkte der Hitzebelastung identifiziert und vor der Umsetzung baulicher Maßnahmen – beispielsweise der Entsiegelung von Flächen – deren klimatische Folgen für das jeweilige Umfeld berechnet werden. Dazu nutzt das Tool meteorologische Daten, beispielsweise die des Deutschen Wetterdienstes oder auch aus Regionalklimamodellen. Wetterdaten aus regionalen Messstationen können ebenfalls eingebunden werden (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Feinstaubbelastung). Außerdem fließen die kompletten Geodaten und Stadtkarten mit ein. Darin sind Straßen, Plätze, Häuser, Gewässer und Grünanlagen verzeichnet. Je genauer und detailreicher diese Elemente dargestellt sind, desto zuverlässiger gelinge die Simulation, so das Fraunhofer IBP.

PALM-4U analysiert die Effekte von städtebaulichen Maßnahmen auf das lokale Klima – amgefangen beim Einzelgebäude über das Stadtviertel bis hin zur ganzen Stadt. Grafik: Fraunhofer IBP

Wie angenehm ist das städtische Klima?

Die Analyse des urbanen Klimas legt den Schwerpunkt auf drei typische Themenkomplexe: Erstens thermischer Komfort und nächtlicher Kaltlufthaushalt. Dazu zählen beispielsweise die Wärmebelastung bei Hochdruckwetterlagen in Gebäuden, Plätzen und Straßen sowie die Frage, ob ausreichend Frischluftschneisen vorhanden sind, die das Gebiet nachts durchlüften. Zweitens der Windkomfort. Dabei werden aus den Simulationen und der lokalen Windstatistik Gebiete mit unterschiedlichen Windkomfortkriterien identifiziert. Daraus lassen sich Aussagen über die potenzielle Nutzbarkeit der Flächen ableiten, beispielsweise für die Außengastronomie. Und drittens die Feinstaubbelastung der Luft, etwa infolge von Hausbrand oder des Autoverkehrs – sofern die entsprechenden Daten vorhanden sind.

Die Stadtklimasimulation identifiziert Schwerpunkte der Hitzebelastung und berechnet ihre klimatischen Folgen für das Umfeld. Abbildung: Fraunhofer IBP

Prüfen, vergleichen und Fehlplanungen vermeiden

„Das Tool ist skalierbar und kann das Klima der ganzen Stadt, eines Viertels, einzelner Quartiere oder einzelner Plätze betrachten“, berichtet Winkler. Mitarbeitende in Kommunen und Stadtplanungsbüros könnten beispielsweise prüfen, welche Folgen der Bau eines Hochhauses auf das Nebengebäude, auf die umliegenden Straßen oder auf das ganze Quartier hätte. Zudem sei „PALM-4U“ in der Lage, verschiedene Planungsvarianten miteinander zu vergleichen. „So können wir frühzeitig typische Fehlplanungen vermeiden, die etwa dazu führen, dass Kinder auf einem falsch angelegten Spielplatz starker Hitze ausgesetzt sind“, erklärt Fraunhofer-Expertin Sabine Giglmeier, zuständig für Business Development im Bereich Hygrothermik. Auf die gleiche Weise lassen sich auch der Anbau für die Seniorenresidenz oder für das Krankenhaus bereits in der Planungsphase auf klimatisch heikle Bedingungen abklopfen.

Konzipiert und entwickelt wurde das Simulationstool im Rahmen der Initiative „Stadtklima im Wandel“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Von Fraunhofer IBP / Marc Daniel Schmelzer