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Ausschreibung 01.03.2017, 00:00 Uhr

Schätzung des Auftragswertes bei der Vergabe von Leistungen

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge entscheidet der sorgfältig geschätzte Auftragswert der zu vergebenden Leistung darüber, ob diese europaweit oder national auszuschreiben ist. Sowohl bei Bau- als auch bei Planungsleistungen gibt es Zweifelsfälle.

 

 

Foto: PantherMedia / AndreyPopov

Bei Bauleistungen ist unstreitig, dass die Werte sämtlicher zu einem Objekt gehörender Gewerke zusammenzurechnen sind. Dabei wurden immer schon die erforderlichen Lieferleistungen hinzugerechnet, um Umgehungen zu vermeiden. Neu ist nach § 3 Abs. 6 VgV, dass nunmehr auch der geschätzte Gesamtwert aller Dienstleistungen zu berücksichtigen ist, die für die Ausführung der Bauleistung erforderlich sind und vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden.

Hier stellt sich die Frage, welche Dienstleistungen an dieser Stelle gemeint sind, insbesondere, ob – wie zum Teil vertreten wird – der Wert der Leistungen der Architekten und Ingenieure für ein Bauvorhaben in die Schätzung des Auftragswertes der Bauleistung einzubeziehen ist.

Sind Planungsleistungen für Ermittlung des Auftragswerts relevant?

Eine vergleichbare Regelung gab und gibt es in der SektVO. In der Literatur ist dazu angenommen worden, dass Baunebenkosten bei getrennter Vergabe nicht in die Auftragswertermittlung einzubeziehen seien. Demgegenüber hat – soweit ersichtlich bislang nur – die VK Sachsen-Anhalt (zuletzt Beschluss vom 23.7.2014 – 2 VK LSA 02/14 –) entschieden, dass der Auftragswert der Planungsleistungen in die Schätzung des Auftragswertes für die Bauleistung eingehen müsse. Für die Auslegung des § 3 Abs. 6 VgV ist zu berücksichtigen, dass – insoweit über die Regelung in der SektVO aF hinausgehend – in Satz 2 ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die getrennte Vergabe von Bau- und Planungsleistungen von dieser Regelung unberührt bleibt. Das ist nur sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Wert der Planungsleistungen dem Wert der Bauleistung hinzurechnen möchte. Dieser Zusatz hat kein Vorbild in der Vergaberichtlinie 2014. Die Bestimmung des Auftragswertes unterliegt jedoch nicht dem nationalen Gesetzgeber. In Art. 5 Abs. 7 VergRL 2014 dürften mit den „erforderlichen Dienstleistungen“ für die eigentliche Errichtung/Fertigstellung der Bauleistung notwendige Dienstleistungen gemeint sind, etwa Bewachungsleistungen oder Baureinigung. Solche Dienstleistungen gehen wie Lieferleistungen unmittelbar in die Bauleistung ein, während Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure zwar Voraussetzung für die (erfolgreiche) Errichtung des Bauwerks sind, aber stets neben dem Objekt des Bauauftrags stehen und materiell nicht einfließen. Eine verbindliche Klärung steht noch aus.

Nicht alle Leistungen inkludiert

Selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass Architekten- und Ingemieurleistungen bei der Ermittlung des Auftragswertes der Bauleistung zu berücksichtigen seien, kann es sich jedenfalls nur um die Leistungen der Leistungsphasen 1–5 handeln, denn nur diese werden dem Auftragnehmer zur Verfügung gestellt. Die Leistungen im Zusammenhang mit Vergabe, Objektüberwachung und Objektbetreuung finden allein im Interesse des Auftraggebers statt.

2. § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV trifft eine Sonderregelung für Architekten- und Ingenieurleistungen: Bei deren Leistungen sind die geschätzten Auftragswerte nur dann zusammenzurechen, wenn es sich um gleichartige Leistungen handelt.

In Deutschland werden Projektierungsleistungen für ein Objekt üblicherweise an verschiedene Planer vergeben. Die in der HOAI in verschiedenen Leistungsbildern zusammengefassten Leistungen von Objekt- bzw. Fachplanern betreffen zwar denselben Gegenstand (das gemeinsam zu planende Bauwerk) und führen auch zu enger Abstimmung und Koordination unter den beteiligten Planern; es handelt sich aber trotz der gleichgerichteten Zielsetzung und der parallelen Ausgestaltung der Leistung nach allgemeiner Ansicht um verschiedenartige Leistungen, da jeder Planer eine inhaltlich völlig andersartige Leistung zu erbringen hat. Für die Abgrenzung von verschiedenen Planungsleistungen kann grundsätzlich eine Orientierung an den Leistungsbildern der HOAI erfolgen. Bei Vergabe an unterschiedliche Auftragnehmer sind daher für die Projektierungsleistungen der verschiedenen Leistungsbilder die Auftragswerte nicht zu addieren, sondern je für sich zu betrachten. Sollen allerdings mehrere Leistungsbilder an einen Planer oder alle benötigten Leistungen an einen Generalplaner vergeben werden oder ist diese Möglichkeit zumindest vorbehalten, ist der Wert des Gesamtauftrags unter Addition der geschätzten Vergütungen für die einzelnen Leistungsbilder maßgeblich.

Die Technischen Ausrüstung umfasst Anlagengruppen mit sehr unterschiedlichem Inhalt. Trotz der Zusammenfassung in einem Leistungsbild können sie nicht alle als „gleichartige“ Leistungen angesehen werden; es lassen sich vielmehr unterschiedliche Leistungsbereiche ausmachen, die vielfach auch von unterschiedlichen spezialisierten Büros erbracht werden. Als gleichartig anzusehen sind die Anlagengruppen 1, 2 und 3, die von Ingenieuren der Fachrichtung Maschinentechnik beplant werden, parallel gilt dasselbe für die Leistungen der Anlagengruppen 4, 5 und 6, die von Ingenieuren der Fachrichtung Elektrotechnik erbracht werden. Es handelt sich danach bei den Leistungen der Anlagengruppen 1–3 um gleichartige, im Vergleich dazu dagegen bei denen der Anlagengruppe 4–6 um andere Leistungen.

Werden die Leistungen eines Leistungsbildes auf mehrere Auftragnehmer aufgeteilt, handelt es sich um Teillose, bei denen die Werte der Teilaufträge zusammenzurechnen sind.

Ein von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren, mit dem gerade die getrennte Betrachtung der verschiedenen Planungsleistungen bei der Auftragswertermittlung beanstandet wurde, ist Ende 2016 eingestellt worden, weil die betroffenen Aufträge inzwischen vollständig abgewickelt sind; die Kommission hat aber zum Ausdruck gebracht, dass sie dieses Thema bei nächster Gelegenheit wieder aufgreifen wolle. Endgültige Sicherheit besteht daher zur Zeit nicht.

Von Dr. Reinhard Voppel

Dr. Reinhard Voppel Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel Bild: Foto Stephan Behrla/Nöhrbaß GbR