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Aufwind für die Brennstoffzelle? 01.08.2023, 14:50 Uhr

Nationale Wasserstoffstrategie: Was bis 2030 passieren soll

Das Bundeskabinett hat am 26. Juli 2023 die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen und die Strategie aus dem Jahr 2020 an aktuelle Entwicklungen angepasst. Daneben wird derzeit eine Importstrategie für Wasserstoff und dessen Derivate erarbeitet. Die Wärmeversorgung hat trotz des Drucks aus der Gaswirtschaft in der Strategie nur einen geringen Stellenwert.

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Foto: panthermedia.net/aa-w

Die Vorlage ist kein Gesetz, sie ist mehr ein Aktionsplan der Bundesregierung. Das heißt, sie muss nicht zur Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat, die Bundesregierung hat ihre entsprechenden Absichten dem Parlament am 26. Juli lediglich zur Kenntnis gebracht. Die einzelnen Maßnahmen sollen in den kommenden Jahren umgesetzt werden. Sind dafür Gesetzesänderungen oder die Schaffung neuer Gesetze notwendig, geht deren Weg bis zum Inkrafttreten natürlich durch die parlamentarischen Instanzen.

Die Absichten bis 2030 im Überblick

  • Beschleunigter Markthochlauf von Wasserstoff: Der Markthochlauf von Wasserstoff, seinen Derivaten und Wasserstoffanwendungstechnologien wird deutlich beschleunigt und das Ambitionsniveau entlang der gesamten Wertschöpfungskette massiv gesteigert. Das Ziel für heimische Elektrolysekapazität in 2030 wird von fünf Gigawatt auf mindestens zehn Gigawatt erhöht. Der damit erzeugbare Wasserstoff reicht aus, um rund 30 bis 50 Prozent des identifizierten deutschen Wasserstoff-Bedarfs 2030 zu decken. Den Rest muss Deutschland aus dem Ausland importieren.
  • Die Effizienz von serienmäßig hergestellten Elektrolyseuren zur Wasserstoff-Herstellung dürfte zunächst bei maximal 70 Prozent liegen. Allerdings sind derartige Anlagen derzeit noch recht teuer in der Herstellung. Das Wasserstoff-Leitprojekt H2Giga arbeitet daher daran, die Produktion von Elektrolyseuren aufs Fließband zu bringen.
  • Eine gesonderte Importstrategie wird entwickelt. Mit Australien testet Deutschland schon gemeinsame Lieferketten und prüft den Wasserstoff-Import über den Hafen von Rotterdam. Für über 30 afrikanische Staaten hat zudem ein Potenzialatlas analysiert, wo in Afrika die Produktion von Wasserstoff unter welchen Bedingungen günstig und sinnvoll ist. Hier laufen bereits sechs Projekte des BMBF, die eine deutsch-afrikanische Wasserstoff-Partnerschaft vorbereiten. Weitere Wasserstoff-Partnerschaften sind unter anderem mit Kanada, den USA und Neuseeland initiiert.
  • Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur: Bis 2027/2028 entsteht über die IPCEI-Förderung ein Wasserstoffstartnetz mit mehr als 1.800 Kilometer umgestellten und neu gebauten Wasserstoffleitungen in Deutschland. Europaweit kommen etwa 4.500 Kilometer hinzu (European Hydrogen Backbone). IPCEI ist die Abkürzung für „Important Project of Common European Interest“. Dabei muss es sich um ein transnationales, wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse handeln, das mittels staatlicher Förderung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leistet. Zusätzliche Erweiterung sollen zu einem Kernnetz führen, das bis 2032 alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern in Deutschland verbindet.
  • Etablierung von Wasserstoffanwendungen in folgenden Sektoren: Bis 2030 werden Wasserstoff und seine Derivate insbesondere bei Anwendungen in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr eingesetzt. Im Stromsektor will Wasserstoff zur Energieversorgungssicherheit beitragen: durch auf klimaneutrale Gase umrüstbare Gaskraftwerke (H2-ready) und durch Elektrolyseure als variable und systemdienliche Stabilisatoren beziehungsweise flexible Lasten.
  • Zur perspektivischen Nutzung von Wasserstoff in der zentralen und dezentralen Wärmeversorgung werden die Rahmenbedingungen aktuell im GEG, in der Wärmeplanung sowie im europäischen Gasmarktpaket weiterentwickelt. Das Update der Wasserstoffstrategie schafft die Grundlagen dafür, Wasserstoff in der Wärmeversorgung rechtlich und technisch möglich zu machen. Für die kommenden Jahre ist jedoch davon auszugehen, dass Wasserstoff im Bereich Wärme eine untergeordnete Rolle spielen wird. Grund hierfür ist die Existenz alternativer, marktreifer Heiz-Technologien, nimmt das BMBF als einer der verantwortlichen Akteure der Vorhaben zu diesem Punkt Stellung.
  • Kein Brennstoff hat eine so hohe Energiedichte (Heizwert) wie Wasserstoff. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält ein Äquivalent von 33,3 Kilowattstunden (Heizöl 9,8 bis 11,4 Kilowattstunden). Gasförmig nimmt bei normalen Temperaturen und normalem Luftdruck ein Kilogramm jedoch ein großes Volumen in Anspruch: Die volumenspezifische Energiedichte ist mit gerade mal etwa drei Wattstunden/Liter äußerst gering.
  • Etwa 700 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff werden heute weltweit jährlich hergestellt. Beim Dampfreforming dient als Wasserstoff-Quelle meist Methan, das bei einem Druck von 25 bar und einer Temperatur von 900 °C zusammen mit Wasserdampf in H2 und CO2 umgesetzt wird.
  • Deutschland soll bis 2030 Leitanbieter für Wasserstofftechnologien werden: Deutsche Unternehmen bauen nach Vision der Strategie ihre Technologieführerschaft aus und bieten die gesamte Wertschöpfungskette von Wasserstofftechnologien von der Produktion (zum Beispiel Elektrolyseure) bis hin zu den unterschiedlichen Anwendungen (etwa Brennstoffzellentechnologie) an.
Von Dipl.-Ing. Bernd Genath, TGA-Fachjournalist