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Energiespeicher 27.04.2023, 15:05 Uhr

KIT: Gewinnung von Lithium aus Tiefenwasser möglich

Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie und der EnBW haben ein Lithium-Ionen-Sieb hergestellt und erfolgreich zur Adsorption von Lithium aus geothermalen Solen eingesetzt.

Lithium aus geothermaler Sole: Unter Laborbedingungen konnte das Leichtmetall durch den Einsatz eines Lithium-Ionen-Siebes erfolgreich gewonnen werden. Foto: Monika Bäuere, IAM-ESS/KIT

Lithium aus geothermaler Sole: Unter Laborbedingungen konnte das Leichtmetall durch den Einsatz eines Lithium-Ionen-Siebes erfolgreich gewonnen werden.

Foto: Monika Bäuere, IAM-ESS/KIT

Geothermie ermöglicht nicht nur eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung, sondern könnte nebenbei auch zur regionalen Lithium-Gewinnung genutzt werden. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben zusammen mit dem Bereich Forschung & Entwicklung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG sowie Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT) und der Hydrosion GmbH dafür ein Lithium-Ionen-Sieb hergestellt und im Labor getestet. Der dazu verfasste Open-Access-Beitrag in der Zeitschrift „Energy Advances“ wurde in die Sammlung „Energy Advances – 2022 Outstanding Papers“ aufgenommen.

Lithium in geothermalen Solen nachgewiesen

Eine nachhaltige Energieversorgung erfordert leistungsfähige Energiespeicher. Lithium kommt dabei eine tragende Rolle zu – das Leichtmetall steckt heute in Batterien vieler technischer Geräte und Fahrzeuge, von Smartphones über Notebooks bis hin zu Elektroautos. In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage weltweit stark gestiegen. Europa ist bis jetzt auf Importe angewiesen. Allerdings gibt es auch europäische Lagerstätten für Lithium, nämlich Thermalwässer in einigen Kilometern Tiefe. Sie enthalten hohe Konzentrationen an Lithium-Ionen. „Je nach geologischem Ursprung enthalten geothermale Solen zwischen 0,1 und 500 Milligramm Lithium pro Liter“, berichtet Professor Helmut Ehrenberg, Leiter des Instituts für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme (IAM-ESS) des KIT. So wurden im Norddeutschen Becken Lithium-Konzentrationen bis zu 240 Milligramm pro Liter gemessen, im Oberrheingraben bis zu 200 Milligramm pro Liter. „Die Gewinnung von Lithium aus geothermalen Solen stellt allerdings eine große Herausforderung dar, weil die Lithium-Ionen mit vielen anderen Ionen konkurrieren“, erläutert Ehrenberg.

Lithium-Ionen-Sieb mit spezieller Kristallstruktur

Eine vielversprechende Möglichkeit, Lithium aus heißem Tiefenwasser zu gewinnen, ist die Adsorption, sprich die Anlagerung von Lithium-Ionen an der Oberfläche von porösen Feststoffen. Dazu bedarf es geeigneter Adsorbentien, die nicht nur lithium-selektiv sind, sondern sich auch umweltverträglich herstellen, einsetzen und entsorgen lassen, sowie geeigneter Desorptionslösungen, um die Lithium-Ionen wieder vom Adsorbens zu lösen.

Das vorgestellte Lithium-Ionen-Sieb basiert auf einem Lithium-Mangan-Oxid mit einer speziellen, als Spinell bezeichneten Kristallstruktur. Die Forschenden stellten es über hydrothermale Synthese her, bei der Substanzen aus wässrigen Lösungen bei hohen Temperaturen und Drücken kristallisieren. In Labortests verwendete das Forschungsteam diese Substanz, um Lithium-Ionen aus geothermaler Sole zu adsorbieren. Die Sole stammt aus der von der EnBW betriebenen Geothermieanlage Bruchsal, die zwischen Karlsruhe und Heidelberg im Oberrheingraben liegt. Dort untersucht der Bereich Forschung & Entwicklung der EnBW in verschiedenen Projekten die Lithiumförderung aus Thermalwasser.

Herausforderungen lösen und Projekt skalieren

Für die in „Energy Advances“ publizierte Arbeit testeten die Forschenden anschließend für die Adsorption von Lithium verschiedene Desorptionslösungen. Essigsäure brachte die besten Ergebnisse, was Lithium-Gewinnung und Adsorbens-Erhaltung betrifft. Allerdings kam es mit allen getesteten Desorptionslösungen zu einer Anreicherung des Lithium-Ionen-Siebs mit konkurrierenden Ionen. Dies führt das Forscherteam auf den hohen Mineralgehalt der Sole in Bruchsal zurück. Die Anreicherung mit konkurrierenden Ionen kann die Adsorptionskapazität für Lithium verringern.

Zukünftig soll das Lithium-Ionen-Sieb so weiterentwickelt werden, dass es sich einfacher handhaben lässt und seine Adsorptionskapazität im Prozess nur geringfügig beeinträchtigt wird. Außerdem ist geplant das Verfahren vom Labor- zu einem Pilotmaßstab hochzuskalieren.

Von KIT / Marc Daniel Schmelzer