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Simulationsstudie 20.11.2023, 11:02 Uhr

Günstigere Speicherlösung: Methanol statt Wasserstoff

Forschende der TU Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung fordern die Aufnahme von Methanol in die Kraftwerksstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums. Bei der Zwischenspeicherung von Strom aus erneuerbaren Energien könne man im Vergleich zur Verwendung von Wasserstoff durch den Einsatz von Methanol bis zu 40 Prozent der Kosten sparen.

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Methanol statt Wasserstoff? Gerade für energieintensive Industrien wie die Stahlproduktion könne Methanol eine Alternative sein.

Foto: panthermedia.net/StudioLaMagica

Um die Überschussproduktion von Strom aus Windrädern und Solarzellen zwischenzuspeichern benötigt man Energiespeicher. Batterien sind ab einer bestimmten Menge von zu speichernden Kilowattstunden nicht mehr wirtschaftlich; Wasserstoff kann hingegen in großen Mengen gelagert werden. Mittels Elektrolyse wird er aus Wasser und Strom hergestellt, gespeichert und anschließend in Brennstoffzellen oder in großem Maßstab mit Gasturbinen wieder in Strom umgewandelt. Allerdings kommt es dabei zu erheblichen Verlusten. In einer Simulationsstudie haben Forschende der TU Berlin und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) deshalb die Alternative Methanol betrachtet. Deren Vorteile, so das Ergebnis, könnten vor allem im Zusammenspiel mit einer neuartigen Turbinenart genutzt werden: der Allam-Turbine.

Wasserstoff: Lange Wege zu den Verbrauchsstellen

„Was in den Diskussionen und auch in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung bisher zu kurz kommt, ist der Einbezug der Speicherorte in die Überlegungen“, so Professor Dr. Tom Brown vom Fachgebiet Digitale Transformation in Energiesystemen der TU Berlin. Zu sehr habe man sich auf die Möglichkeit fokussiert, Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen zu speichern. „Solche natürlichen, geologischen Salzablagerungen finden sich aber vor allem in Norddeutschland“, erläutert Brown. Zudem bräuchte man ein Leitungsnetz, um den Wasserstoff über weite Strecken transportieren und so die industrielle Nachfrage bedienen zu können. Brown beschreibt ein bisher wenig bedachtes Szenario: Was wäre, wenn sich energieintensive Industrien wie zum Beispiel die Stahlproduktion dahin verlagern, wo es sowohl Rohstoffe wie auch billigen Strom aus erneuerbaren Energien vor dem Werkstor gibt? Im Falle des Stahls also zum Beispiel nach Schweden, Mauretanien in Afrika oder gar Australien, wo sowohl Eisenerz als auch günstiger grüner Wasserstoff das ganze Jahr über verlässlich verfügbar sind. „Dann könnte es schlicht nicht wirtschaftlich sein, in Deutschland ein Wasserstoffnetz zu betreiben, das das Gas aus den Salzkavernen in Norddeutschland in die Industriezentren in Mittel- und Süddeutschland transportiert.“ Für solche Fälle sollte man einen Plan B haben, fordert der Wissenschaftler.

Als alternativer Energieträger zu Wasserstoff biete sich Methanol an. Dieser einfache organische Alkohol müsse nicht energieaufwendig verdichtet werden wie Wasserstoff und habe gegenüber diesem einen fünfmal so hohen Energieinhalt pro Volumen, so das Forscherteam. Der hohe Energiegehalt sei nicht nur für den Transport günstig, sondern vor allem für die Speicherung. „Dort, wo es keine Salzkavernen gibt, muss Wasserstoff in Stahltanks gespeichert werden. Aufgrund des hohen Drucks des verdichteten Wasserstoffs müssen diese besonders dickwandig sein und sind deshalb um ein Vielfaches teurer als einfache Tanks für Methanol“, berichtet Brown.

Allam-Turbine: CO2-neutrales Speicherkonzept

Um ihre Überlegungen zum Einsatz von Methanol mit konkrete Zahlen belegen zu können, haben die Forschenden Daten der dänischen Energie-Agentur sowie Wetterdaten der vergangenen 71 Jahre mit der von ihnen entwickelten Simulationssoftware PyPSA betrachtet. Im Zentrum der Analyse steht dabei eine neuartige Turbine zur Stromproduktion: Die sogenannte Allam-Turbine wird in einem Kraftwerk in Texas bereits genutzt. In ihr findet die Verbrennung mit reinem Sauerstoff statt, sodass die Abgase nur aus Wasser und CO2 bestehen. Dieses kann leicht abgeschieden und gespeichert werden, um daraus später mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien und Wasserstoff wieder Methanol herzustellen.

Auf diese Weise entsteht ein geschlossener CO2-Kreislauf. Das Speicherkonzept könne quasi CO2-neutral arbeiten: „Die Wirtschaftlichkeit kann noch weiter verbessert werden, wenn der bei der Wasserstoffproduktion mit Hilfe von Elektrolyse als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff ebenfalls gespeichert wird. Dieser kann dann in der Allam-Turbine für die Verbrennung des Methanols genutzt werden“, sagt Brown.

Simulationsstudie: Stromspeicherung mit Methanol deutlich wirtschaftlicher, wenn keine Salzkavernen in der Nähe 

„Da die Allam-Technik noch nicht im großen Stil verwendet wird, sind unsere Preisabschätzungen sehr konservativ. Es ist zu erwarten, dass sie mit weiterer Verbreitung wesentlich billiger wird“, so Brown. Doch selbst unter den aktuellen Voraussetzungen schneidet Methanol sehr gut gegenüber Wasserstoff ab: Kann dieser nicht in Salzkavernen gespeichert werden, sondern benötigt Drucktanks aus Stahl, ist der Strom mit Methanol als Speichermedium laut der Simulationsstudie je nach Wetterbedingungen 29 bis 43 Prozent günstiger.

Sind Salzkavernen in der Nähe der Wasserstoff-Erzeugung, so hat Wasserstoff die Nase vorn und der Strom mit Methanol als Speichermedium ist 16 bis 20 Prozent teurer. „Wir erwarten, dass mit sinkenden Kosten aufgrund fortschreitender Verbreitung der Allam-Technik diese Lücke auf sechs bis sieben Prozent schrumpft“, erklärt Tom Brown. Interessant an den Simulationen sei zudem, dass die Allam-Turbinen in Deutschland nur für knapp zehn Prozent der benötigten elektrischen Energie aufkommen müssten. Der Rest könnte durch erneuerbare Energien beziehungsweise durch kleinere Kurzzeit-Batteriespeicher gedeckt werden. Im nächsten Schritt seien weitergehende, auch EU-weite Simulationen nötig, um Eckdaten für strategische Entscheidungen liefern zu können, so das Forschungsteam.

Von Marc Daniel Schmelzer /TU Berlin