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Abnahme – Mängel – Zahlung 11.03.2023, 09:07 Uhr

Baupraxis: Wann ist es sinnvoll eine Abnahme zu verweigern?

Immer wieder kommt es auf Baustellen bei der Ausführung von Aufträgen zu Mängeln. Auftraggeber verweigern dann häufig die Abnahme. Ist das sinnvoll und legitim?

Foto: panthermedia/discovery (YAYMicro)

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Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 29. 4. 2022 – 2 U 16/22) hatte über einen Fall der verweigerten Abnahme zu entscheiden: Der Beklagte hatte die Klägerin mit Heizungs- und Sanitärarbeiten beauftragt. Der Beklagte weigert sich nach Fertigstellung der Leistung, die Schlussrechnung der Klägerin zu bezahlen. Im Badezimmer sei die Beleuchtung des Waschtischs nicht an die Elektroinstallation angeschlossen worden. Der Wandarm mit dem Duschkopf sei schief montiert worden. Die Duschwanne sei beschädigt und nicht ordnungsgemäß repariert worden. Die Frischluftzufuhr zum Brennwertkessel sei nicht so ausgeführt worden, dass sie einen dauerhaft zulässigen raumluftabhängigen Betrieb erlaube. Schließlich habe es wegen eines falsch montierten Duschkopfs einen Wasserschaden gegeben, möglicherweise sei Wasser in die Decke eingedrungen und drohe Schimmelbildung. Die Klägerin macht ihre Zahlungsforderung gerichtlich geltend.

Baustelle: Wann darf die Abnahme verweigert werden?

Grundsätzlich gilt: Die Schlussrechnung wird erst mit erfolgter Abnahme fällig. Der Beklagte hat die Abnahme wegen Mängeln verweigert. Eine endgültig zu Unrecht verweigerte Abnahme führt dazu, dass die Wirkungen der Abnahme sofort eintreten. Zu Unrecht verweigert ist die Abnahme, wenn Abnahmereife vorliegt. Das Gericht hatte also zu prüfen, ob die Abnahmeverweigerung zu Recht erfolgt war. Die Abnahme muss ausgesprochen werden, wenn die Leistung des Auftragnehmers im Wesentlichen vertragsgemäß ist. Unwesentlich ist ein Mangel, wenn es dem Auftraggeber unter Abwägung aller Umstände zumutbar ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mangelrechten zu begnügen. Kleinere Mängel und offene Restarbeiten, die die Nutzbarkeit des Objekts im Kern nicht beeinträchtigen, hindern die Abnahme grundsätzlich nicht. Kann oder darf das Objekt wegen Mängeln nicht oder nur mit deutlichen Einschränkungen genutzt werden, darf die Abnahme grundsätzlich verweigert werden. Bei der Abwägung können etwa Art und Umfang des Mangels, die Höhe des Mangelbeseitigungsaufwandes, der Grad der Nutzungsbeeinträchtigung und ein etwaiges Verschulden des Auftragnehmers eine Rolle spielen.

Nacherfüllung: Unwesentliche Mängel können auch nach der Abnahme beseitigt werden

Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die vom Beklagten geltend gemachten Mängel unwesentlich seien. Das gilt regelmäßig für optische Mängel wie hier die schiefe Montage. Der fehlende Elektroanschluss hindert die Nutzung im Kern ebenso wenig wie die nicht ordnungsgemäß reparierte Duschwanne. Der Beklagte kann zumutbarer Weise darauf verwiesen werden, dass diese Mängel erst nach Abnahme im Wege der Nacherfüllung beseitigt werden. Kritischer erscheint der Mangel der Frischluftzufuhr. Der gerichtsbestellte Sachverständige hat aber offenbar festgestellt, dass ein vorläufiger Betrieb möglich ist, sodass die Mangelbeseitigung auf einen Zeitpunkt nach der Abnahme verschoben werden kann.

Der geltend gemachte Wasserschaden stellt keinen Mangel der klägerischen Leistung dar, sondern einen Mangelfolgeschaden an anderen Rechtsgütern des Beklagten. Unabhängig davon, wie stark sich dieser Mangel auswirkt, kann er nach Ansicht des Oberlandesgerichts Oldenburg nicht als Abnahmehindernis geltend gemacht werden. Für die Abnahme kommt es allein auf Mängel der Leistung, nicht auf etwaige Folgeschäden an. Der Auftraggeber hat insbesondere wegen Mangelfolgeschäden regelmäßig gegen den Auftragnehmer keinen Anspruch auf deren Beseitigung, sondern nur auf Zahlung des zu ihrer Beseitigung erforderlichen Betrages. Daher ist davon auszugehen, dass die Abnahme nicht verweigert werden durfte und die Schlussrechnung damit fällig ist.

Schrittweise Vergütung mit Beseitigung der Mängel

Der Beklagte wird daher verurteilt, die ausstehende Vergütung „Zug um Zug“ gegen Beseitigung der Restmängel an die Klägerin zu leisten. Wegen der bestehenden – wenn auch nicht als wesentlich eingestuften – Mängel steht dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an der Vergütungsforderung zu (Paragraf 641 Abs. 3 BGB, in Höhe in der Regel des Doppelten der Mängelbeseitigungskosten). Er braucht in dieser Höhe die fällige Vergütung nicht zu bezahlen. Mit Beseitigung der Mängel erlischt das Zurückbehaltungsrecht. Mit der Beseitigung der Mängel ist daher die Zahlung zu leisten.

Auch wegen des Wasserschadens steht dem Beklagten grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht – allerdings nur in einfacher Höhe – zu. Das Gericht kommt aber zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch des Beklagten nicht hinreichend dar­gelegt sei. Der Beklagte müsste die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung, den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden sowie den Schadensumfang darlegen und beweisen. Die bloße Vermutung, dass nach vier Jahren möglicherweise der Wasserschaden noch zu Schimmelbildung führen könne, reicht dafür nicht aus.

Von Dr. Reinhard Voppel, Rechtsanwaltskanzlei Osenbrück, Bubert, Kirsten, Voppel, Köln