VDI reagiert auf „Verbändeinformation“
Am 1. August haben BTGA, DVGW, figawa, gefma und ZVSHK eine gemeinsame „Verbändeinformation“ veröffentlicht, die Fachleuten im Bereich der Trinkwasserinstallation Orientierung hinsichtlich der anzuwendenden Regelwerke liefern soll. Verwunderlich: VDI-Richtlinien wurden nicht berücksichtigt.
Das Ziel der fünf beteiligten Verbände (Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, figawa, Deutscher Verband für Facility Management, Zentralverband Sanitär Heizung Klima) sei es, „erstmals gemeinsam über gesetzliche Vorgaben und technische Grundanforderungen, die bei der Trinkwasserinstallation in Gebäuden einzuhalten sind“ zu informieren. Weiter heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung zur Motivation: „In den vergangenen Jahren haben sich gesetzliche Rahmenbedingungen, die von Herstellern, SHK-Fachplanern, Sanitär-Installateuren und Gebäudebetreibern berücksichtigt werden müssen, in erheblichem Maße erweitert. Parallel dazu hat sich auch das technische Regelwerk für die Planung, die Errichtung und den Betrieb von Trinkwasserinstallationen in Gebäuden auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene weiterentwickelt. Diesen komplexer werdenden rechtlichen und technischen Voraussetzungen begegnen die beteiligten Verbände mit einer Information, die es SHK-Fachplanern, Sanitär-Installateuren und Gebäudebetreibern ermöglicht, die in der Trinkwasserverordnung formulierten Mindestanforderungen zu erfüllen.“
Die Auflistung soll in regelmäßigen Abständen aktualisiert und auf den Seiten der beteiligten Verbände veröffentlicht werden. In der tabellarischen Übersicht, gegliedert in die Kategorie A1 „Verbindlich zu berücksichtigende gesetzliche Vorgaben für die Trinkwasserinstallation in Gebäuden“, Kategorie A2: „Empfehlungen des Gesetzgebers“, Kategorie B: „Allgemein anerkannte Regeln der Technik zu den technischen und hygienischen Grundanforderungen“ sowie Kategorie C: „Ergänzende Informationen und sonstige Empfehlungen“ werden insgesamt 67 Informationsquellen benannt – darunter allerdings keine einzige Richtlinie des VDI.
Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“
Darauf hat der Verein Deutscher Ingenieure mit einer Stellungnahme reagiert. Grundsätzlich begrüße der VDI den Ansatz. „Jedoch ist die veröffentlichte Liste von Regelwerken aus Sicht des VDI unvollständig. So fehlen entscheidende Regelwerke, zum Beispiel die Richtlinienreihe VDI 6023. Neben VDI 6023, die durch das Umweltbundesamt (UBA) in seiner zentralen Empfehlung zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse als „Dreh- und Angelpunkt“ des sorgfältigen Handelns benannt ist, wurden in der Auflistung der Verbände beispielsweise auch die verpflichtend einzuhaltenden UBA-Bewertungsgrundlagen übersehen.“
Ferner schreibt der VDI in seiner Stellungnahme: „In Planung und Errichtung sind alle allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtend anzuwenden. Auftragnehmer haben ihre Auftraggeber hinsichtlich der Anwendung zu beraten beziehungsweise diese auf die Risiken etwaiger Nichtbeachtung hinzuweisen. Fachleute und Fachunternehmen, die Trinkwasserinstallationen planen, errichten und betreiben, sollten mindestens die relevanten in VDI 6023 aufgelisteten und in den Schulungen nach VDI 6023 vermittelten Regelwerke anwenden.“
Das Bundesministerium der Justiz lege im „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ fest, was mit dem Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ gemeint ist, wenn dieser in Rechtstexten verwendet wird: „Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind schriftlich fixierte oder mündlich überlieferte technische Festlegungen für Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, die nach herrschender Auffassung der beteiligten Kreise (Fachleute, Anwender, Verbraucherinnen und Verbraucher und öffentliche Hand) geeignet sind, das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen und die sich in der Praxis allgemein bewährt haben oder deren Bewährung nach herrschender Auffassung in überschaubarer Zeit bevorsteht.“
„Einem Regelwerk, das von einem anerkannten Regelsetzer, wie dem DIN, aber ebenso dem VDI, nach dessen festgelegtem Verfahren entwickelt wird, ist bis zur Feststellung des Gegenteils durch einen Gerichtsentscheid zu unterstellen, dass es sich um eine allgemein anerkannte Regel der Technik handelt“, so der VDI in seiner Stellungnahme.
„Allgemein anerkannte Regeln der Technik gelten als generelle Vertragsbestandteile bei Verträgen über technische Leistungen. Ihre Erfüllung ist grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn sie nicht gesondert vertraglich vereinbart wird. Dies leitet sich insbesondere aus § 633 (2) BGB ab. Die dort grundsätzlich geschuldete „Beschaffenheit (…), die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann“ wird just durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik konkretisiert.
Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit ist vorsorgend so weit wie möglich auszuschließen
Hartmut Hardt, Rechtsanwalt, Mitglied im Vorstand der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, erklärt: „Die Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist grundsätzlich freiwillig. Ihre Anwendung gibt Anlass zu der Vermutung, dass das Werk üblichen, per se geschuldeten Standards entspricht. Werden sie nicht angewendet, kehrt sich die Beweislast um, und der Ersteller des Werks muss die Einhaltung der jeweiligen Schutzziele seinerseits nachweisen können.“
Für Trinkwasser gelten besonders strenge Maßstäbe. Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit ist vorsorgend so weit wie möglich auszuschließen. Daher gilt die Nichteinhaltung von allgemein anerkannten Regeln der Technik in Planung, Errichtung oder Betrieb von Trinkwasserinstallation sofort als Mangel.
Ein Fachunternehmen schuldet nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Kunden durch die Inanspruchnahme des Status „Fachunternehmen“ die Kenntnis der einschlägigen allgemein anerkannten Regeln der Technik und die entsprechende Beratung auf deren Grundlage.
Bauingenieur Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, stellt daher die Frage „Wer haftet eigentlich, wenn ein Handwerksbetrieb aus Unkenntnis oder durch Fehlinformation beispielsweise die VDI 6023 oder die VDI 2050 Blatt 2 nicht anwendet und dies als Mangel gerügt wird?“
Die Verbändeinformation möchte eine Bewertung liefern, welche technischen Regeln als allgemein anerkannt zu betrachten sind. Diese Kategorisierung obliegt tatsächlich jedoch nicht Interessengruppen, sondern ergibt sich durch die tatsächliche Akzeptanz in den Verkehrskreisen, die dann letztlich in der im oben zitierten § 633 BGB erwähnten „üblichen Beschaffenheit“ Niederschlag findet. In gerichtsanhängigen Streitfällen greifen Gerichte zur Klärung regelmäßig auf die Dienste von neutralen, sachverständigen Gutachtern zurück.
Bedauerlich, dass VDI 6023 übersehen wurde
Arnd Bürschgens, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Fachgebiet Trinkwasserhygiene im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk, stellt dazu fest: „Es ist bedauerlich, dass in der genannten Verbändeinformation die VDI 6023, ein zweifelsfrei in der Praxis etabliertes und anerkanntes Regelwerk, übersehen wurde. Dies umso mehr, als sie in einer der als allgemein anerkannte Regel der Technik aufgelisteten Normen, DIN 1988–200 und DVGW W 551 (A), als maßgeblich für die Hygiene in der Trinkwasserinstallation genannt ist.“
Das Fazit formuliert der VDI so: „Die Richtlinienreihe VDI 6023 und weitere VDI-Richtlinien, wie die Reihe VDI 3810, ist also ebenso relevant wie die seitens DIN oder DVGW ausgefertigten Regelwerke. Eine hilfreiche Einordnung der aufgelisteten Veröffentlichungen in ein Gesamtbild der Trinkwasserhygiene liefert die Verbändeinformation aus Sicht des VDI nicht. Dieses Gesamtbild wird seit crica 25 Jahren allein durch die Richtlinienreihe VDI 6023 gezeichnet, deren erster Weißdruck im Dezember 1999 als ein vom Umweltbundesamt initiiertes Projekt mit genau diesem Ziel erschien. Inzwischen haben sich in vom VDI qualitätsüberwachten Partnerschulungen mehr als 45 000 Fachleute für die hygienebewusste Planung, Errichtung und den Betrieb von Trinkwasserinstallationen qualifiziert. Die qualitätsgesicherten VDI-Partnerschulungen vermitteln, abgestimmt auf die Tätigkeit der teilnehmenden Person, das umfassende Bild der Trinkwasserhygiene und ermöglichen den Teilnehmenden, in der direkten Interaktion mit praxiserfahrenen, vom VDI geprüften Vortragenden ihr Wissen zu vertiefen und mit diesem Wissen technisch richtig zu handeln.“