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„Nachwachsende“ Wärmeversorgung 26.01.2024, 15:43 Uhr

Wohnquartier mit unterirdischer Heizzentrale

Im niedersächsischen Dissen entsteht auf einer Fläche von 4,3 Hektar ein Wohnquartier mit verschiedenen Haus- und Wohnformen. Die Wärmeversorgung sichert ein ausbaufähiges Nahwärmenetz mit BHKW und Gasbrennwertgerät für die Spitzenlast.

Ein BHKW sichert die Grundversorgung des Wohnquartiers. Foto: Schräder Abgastechnologie

Ein BHKW sichert die Grundversorgung des Wohnquartiers.

Foto: Schräder Abgastechnologie

Entwickelt wurde das Baugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Klinikums und Schwesternwohnheims von der oleg Osnabrücker Land Entwicklungsgesellschaft gemeinsam mit der Stadt Dissen. Die Mehrfamilienhäuser im KfW-40-plus-Standard wurden neben der Dachbegrünung mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Der hier gewonnene Ertrag kann von den Mietparteien für den Wohnungsstrom und für E-Mobilität genutzt werden. Im Endausbau wird eine beheizte Wohnfläche von 22.700 Quadratmetern zur Verfügung stehen. Die Wärme- beziehungsweise Energieversorgung des Wohnquartiers an der Robert-Koch-Straße erfolgt durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) in Kombination mit Gas-Brennwerttechnik.

Nahwärme mit BHKW und Spitzenlastkessel

Die zentrale Heizungstechnik wurde in einem unterirdisch erstellten Beton-Fertigbauteil integriert, das unabhängig vom Baufortschritt der einzelnen Gebäude installiert und entsprechend vormontiert wurde. Diese Technologie verkürzt nicht nur die Bauzeit, sie ist auch ressourcenschonend und platzsparend. Das Nahwärmenetz wurde so angelegt, dass die Wärme- und Energieerzeugung modular – je nach Fertigstellung der Bauabschnitte – aus der Zentrale heraus erfolgt. Somit konnte die Hydraulik vereinfacht und die Ausfallsicherheit durch redundante Pumpen erhöht werden. Ein Entleeren der fertiggestellten Bauabschnitte beim Anschluss der weiteren fällt weg.

Verantwortlich für die Planung des Nahwärmenetzes war Jakob Bürger (IngenieurNetzwerk Energie eG, Bad Iburg) und sein Team; betrieben wird es von der SWV Regional GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Stadtwerke Versmold. Bürger übernahm die gesamte planerische Anpassung und die Realisierung der Anlage, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der neuen Wohnsiedlung.

Für die Wärmeerzeugung entschied man sich für ein Brennwertgerät der Baureihe Gas 310 Eco Pro mit einer Nennheizleistung von 500 kW für die Spitzenlast, sowie für ein BHKW des Typs ELW 50–100 mit einem Leistungsbereich 63 bis 100 kW thermisch und 25 bis 49,5 kW elektrisch. Diese Verbraucher werden – nach Angaben des Betreibers – zu mindestens 55 Prozent mit bilanziellem Biomethan versorgt. Aufgrund des hohen Modulationsbereichs der Geräte ist damit nicht nur die Wärmeversorgung gesichert, es ergibt sich auch ein Mehrwert durch die Stromeinspeisung. Zur Effizienzsteigerung der Anlage wurde ein Pufferspeicher mit 10.000 Liter Fassungsvermögen installiert. Besonders beim Einsatz von Blockheizkraftwerken sollte eine solche Konstellation favorisiert werden, damit eine zu häufige Taktung des Aggregats unterbunden wird. Zusätzlich befindet sich in jedem Anschlussgebäude ein 600 Liter-Speicher, sodass das Netz im Sommer zur Reduktion der Netzverluste heruntergefahren werden kann. Die hier beschriebene Heizzentrale wurde zudem so konstruiert, dass – je nach Anforderung – ein bis zwei weitere Blockheizkraftwerke installiert werden können.

Freistehende Abgasanlage nach DIN EN 1993–3

Die Abgase der Wärmeerzeuger werden außerhalb der Heizzentrale über eine frei stehende Abgasstrecke abgeführt. Diese Anlage wurde maßgeblich von Andreas Breuer aus dem Hause Schräder konzipiert und geplant. Die Anbindung des Gas-Brennwertgeräts bis zur Senkrechten konnte mit einer einwandigen Edelstahllösung realisiert werden, die des BHKW über ein PP-Kunststoffabgassystem. Um Schallimmissionen zu minimieren, wurde in die Strecke des BHKW zusätzlich ein Schalldämpfer integriert. Für die Schwingungsentkoppelung ist das Gerät überdies auf Sylomerstreifen gebettet.

Eine Abgasschalldäpfung ermöglicht einen leiseren Betrieb des BHKW.

Foto: Schräder Abgastechnologie

Die senkrechte Abgasführung befindet sich direkt hinter der unterirdischen Heizzentrale. Sie ist etwa 12,5 Meter hoch und umfasst vier doppelwandige Abgasleitungen aus hochwertigem Edelstahl (1.4404/1.4571), die in Elementbauweise als sogenannte Satelliten an dem spiralgeschweißten Trägerrohr montiert wurden. Die Konstruktion weist einen Außendurchmesser von 508 Millimetern auf und wurde mit einem Korrosionsschutz (Außenbeschichtung 160 μm Sika EG, Phosphat + EG 1 + EG 5) durch die Fette GmbH aus Bad Salzuflen ausgeführt.

Die freistehende Abgasanlage misst etwa zwölf Meter in der Höhe. Vier Abgasleitungen hängen als sogenannte Satelliten am spiralgeschweißten Trägerrohr.

Foto: Schräder Abgastechnologie

Klemmbandlose Verbindungstechnik

Zu den Besonderheiten der abgasführenden Edelstahlleitungen zählt beim hier eingesetzten System Future DWD die klemmbandlose Verbindungstechnik. Sie lässt sich im Über- und Unterdruckbereich einsetzen, ist feuchteunempfindlich sowie als BHKW-Leitung bis 5 000 Pa druckdicht. Die Stabilität der Einzelelemente wird über eine patentierte Konusverbindung erreicht, die der Hersteller seit über 25 Jahren im Programm hat. Ein Vorteil des Future Doppelwandsystems besteht darin, dass für die Verbindungen im senkrechten Teil untereinander keine Schellen oder Dichtungen erforderlich sind. Durch die konischen Steckenden der Bauteile ist eine zeitsparende Montage ohne zusätzlichen Kraftaufwand möglich. Zugleich wird eine hohe Dichtheit ohne den Einsatz zusätzlicher Dichtungen erreicht. Der Verzicht auf elastomere Dichtelemente ist speziell bei BHKW von Vorteil, da die Temperatur- und Druckverhältnisse in der Abgasstrecke den Alterungsprozess von herkömmlichen Weichdichtungen in der Regel erheblich beschleunigen.