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interlift 2015 in Augsburg 01.02.2016, 00:00 Uhr

Trends in der Aufzugsbranche

Alle zwei Jahre veranstaltet die AFAG Messen und Ausstellungen GmbH aus Augsburg unter der Fachlichen Trägerschaft des VFA-Interlift e. V. - Verband für Aufzugstechnik aus Hamburg die Weltleitmesse interlift. Die 12. interlift 2015 hält viele Bestmarken, so den Rekord bei der Ausstellungsfläche mit 42 500 m².

Bild: Interlift

Bild: Interlift

Der Flächenrekord wurde u. a. erreicht durch den erstmals im Freigelände installierten WITTUR Cube. Dort zeigte das Unternehmen auf rund 1 500 m² sein Angebot.

Ein Blick in den WITTUR Cube. Bild: ProEconomy

Ein Blick in den WITTUR Cube. Bild: ProEconomy

Insgesamt umfasst das Angebot der Messe: Aufzugsanlagen und vorgefertigte Komponenten, Fahrtreppen und Laufbänder, Parksysteme, Aufzugskomponenten, Getriebe, Steuerungen und Regelungen, Überwachungs- und Sicherheitssysteme, Kabinen, Türen, Seile, Bedien- und Anzeigeelemente, Hydraulik, Zubehör und nicht zuletzt Verbände und Fachpresse. Größtes Interesse bei den 97 % Fachbesucherinnen und Fachbesuchern fanden Türen mit 44 %, Steuerungen und Regelungen mit ebenfalls 44 % sowie Aufzugsanlagen/vorgefertigte Komponenten mit 40 %.

Der folgende Bericht gibt die fünf Haupt-Trends wieder. Am Ende findet sich eine erste Einschätzung der Entwicklung der Aufzugstechnik bis zur Messe in 2017.

Home Lifts – ein rasch zunehmender Markt

Im Messeportal wurden vorab nur 47 Innovationen schriftlich angekündigt, davon beschäftigten sich aber immerhin acht d. h. fast 10 % mit Homelifts oder Komponenten, die speziell für den Einsatz in Home Lifts geeignet sind. Auf der Messe unübersehbar waren mit Ständen zum Thema u. a. die Firmen Hiro Lift aus Bielefeld und Arealift aus der Vertico Group aus Bogolese di Sorbolo bei Parma/I. Vor dem Hintergrund der Anforderung der Barrierefreiheit im eigenen Haus im Alter wird dieser Bereich weiter an Bedeutung gewinnen. Im VFA-Forum präsentierte Stephan Kretzschmar von Kretzschmar Lift Expert Consulting aus Pliening, Zahlen und Fakten aus seiner Studie von 2015 über den stark mittelständischen Markt für Plattformaufzüge und Home Lifts in der Region D-A-CH. So ist der Markt von 2012 bis 2014 von knapp über 2 400 auf über 2 800 Anlagen gewachsen. Inzwischen wurde auch die Anzahl der Anbieter beschleunigt durch die neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EU und die EN 81–41 sowie zukünftig die EN 81–42. Die Käufer stammen überwiegend aus dem privaten Umfeld und überbrücken durchschnittlich drei Haltestellen. Die Produkte kommen überwiegend aus den südeuropäischen Ländern und Skandinavien.

Suche und Qualifikation von geeignetem Personal – ein schwieriges und brennendes Thema

Die interlift ist auch die größte Weiterbildungsveranstaltung der Aufzugsbranche. Das kostenfreie VFA-Forum mit 45 Vorträgen aus 12 Ländern wurde von jedem zehnten Messebesucher besucht, d. h. rund 2 000 Personen. Ein Link zu den Vorträgen zum Nachlesen findet sich unter www.vfa-interlift.de/de/akademie/uebersicht.html .

Dem Thema „Fach- und Nachwuchskräfte in der Aufzugsbranche“ widmete sich ein Schwerpunktthema im VFA-Forum. Sechs Expertinnen und Experten aus IHK und Agentur für Arbeit, produzierenden Unternehmen und von Hochschulen hielten Kurzvorträge und diskutierten darüber. Moderiert wurde die Runde von Andreas Hönnige, Liftcore Schwäbisch-Gmünd, der im Vorstand des VFA-Interlift zuständig ist für das Thema „Aus- und Weiterbildung“.

Im Mittelpunkt standen auf dem Podium die Fragen:

  • Welche geeigneten Berufsbilder wie z. B. den Mechatroniker gibt es?
  • Wie und wo findet man Nachwuchs aller Altersstufen und Ausbildungstiefen vom Azubi bis zum berufserfahrenen Ingenieur?
  • Wie bildet man die Mitarbeiter/innen aus bzw. fort gezielt auf die speziellen Anforderungen in der Branche?
  • Wie hält man gut und lang eingearbeitete Mitarbeiter im eigenen Unternehmen?

Kein Unternehmen wird darum herumkommen, seinen eigenen Lösungsweg zu suchen und offensiv umzusetzen. Die Aufzugsbranche bietet mannigfaltige attraktive, sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze.

Auch der VDMA Aufzüge und Fahrtreppen beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Nachwuchs. So verleiht das Komitee Wissen und Ausbildung im VDMA z. B. alle zwei Jahre auf der Messe Geldpreise an Lift-Azubis als Filmemacher im YouTube Filmcontest zum Thema „Spannend und abwechslungsreich – Dein Weg nach oben“.

Auf der Messe verzeichnete auch der Aussteller LEJ lift and escalatorjobs aus Loughborough und Glasgow/UK dementsprechend größeres Interesse. Er bietet „full recruitment service, candidate interviews, assigned aligned recruitment plan and offer, resignation and notice management”. Besucht wurde die Messe auch von diversen deutschen, auf die Aufzugsbranche spezialisierten Personalberatern wie Tanja Goll von Arp & Goll Personalberatung in Hamburg.

Dieser Trend setzt sich außerhalb der Messe fort. So findet sich z. B. auf den 33. Heilbronner Aufzugstagen im März 2016 der Vortrag „‘Generation Y‘ verstehen motivieren, fördern und fordern“ von Professor Dr. Sonja Salmen, Social-Media-Management und BWL an der Hochschule Heilbronn.

Endlich der internationale Durchbruch für CANopen-Lift/Anwendungsprofil CANopen CiA 417?

Das Thema war erstmals auf der Messe interlift im Jahr 2003 vertreten. Jörg Hellmich, Geschäftsführung, Elfin GmbH in Köln, als führender Kopf und treibende Kraft des CANopen-Lift-Systems in Europa urteilt deshalb sehr positiv über die diesjährige Messe: „Seit der letzten Interlift 2013 ist die Zahl der Mitglieder vor allem international gestiegen. Inzwischen ist es in über 50 Nationen vertreten. Dementsprechend wurden mehr neue Produkte mit einer CANopen-Schnittstelle ausgestattet. Auf der Messe haben 51 Aussteller CANopen-Produkte gezeigt“.

CANopen-Taster von CMF aus Italien. Bild: ProEconomy

CANopen-Taster von CMF aus Italien. Bild: ProEconomy

Besonders sichtbar waren die Produkte u. a. bei den Firmen SafeLine aus Tyresö/S u. a. mit Liftsteuergerät, Etagenanzeige und Sprachansage sowie W+W Aufzugskomponenten aus Düsseldorf mit ihrer Schachtverdrahtung.

Ausländische Anbieter und Besucher – das eurasische Gesicht der Messe

Begonnen hat alles bereits mit der Werbung für die interlift 2015. Der Claim lautete: „We are the World. Aufzugsmessen zeigen Aufzugstechnik. Nur eine den Weltmarkt: interlift – The World of Elevators.” Dazu wurden rund 15 Gesichter auf Fotos gezeigt, die eindeutig Diversity in Bildsprache umsetzten. Und es hat gewirkt. Weitere Rekorde der interlift 2015 manifestierten sich beim Thema Internationalität:

  • Ausstellerrekord: 541 Aussteller aus 43 Ländern, 70 % kamen aus dem Ausland.
  • Besucherrekord: 18 900, davon 59 % aus dem Ausland und wiederum 88 % davon aus Europa. Spitzenreiter Italien mit 91 Ausstellern gefolgt von China mit 62, Türkei 42 und Spanien 36.

Am deutlichsten zeigte sich dieser Trend an den großen Gemeinschaftsbeteiligungen. Erstmals dabei war Korea. Der noch kleine, aber feine Auftritt einiger Unternehmen wurde angeführt vom KESI Korea Elevator Safety Institute aus Seoul/Rep. Korea. Bereits das zweite Mal dabei und deutlich gewachsen war der ANICA-Gemeinschaftsstand aus Italien.

China bot dieses Mal auf insgesamt rund 1 800 m² einen zweiten, zusätzlichen Gemeinschaftsstand und deutlich verstärkt einzelne größere Aussteller auf eigenen Ständen.

Chinesische und deutsche Flaggen als Dekoration in der Messehalle. Bild: ProEconomy

Chinesische und deutsche Flaggen als Dekoration in der Messehalle. Bild: ProEconomy

Bemerkenswert war z. B. Canny Elevator mit Sitz in Foho in der Jiansu Provinz. Sie verwiesen u. a. auf den höchsten Aufzugstestturm der Welt mit 288 m und auf ihre Unternehmensqualifikationen u. a. für die VDI 4707 Blatt 1 mit Zertifikat vom TÜV. Vergleichbare Nachweise fanden sich auch z. B. bei Ningbo Hosting Elevator mit einem Testturm von 165,2 m und diversen weltweiten Zertifikaten. Auch Komponenten-Hersteller wie Ningbo Xinda Elevator Accessories aus Ningbo in der Provinz Zhejiang zeigten ihre schriftlichen Zulassungs- und Prüf-Nachweise. Der chinesische Messeauftritt spiegelt wider, dass China inzwischen das größte Herstellerland für Aufzüge ist und in 2014 fast 80 % der neuen Aufzüge der Welt in China produziert wurden.

Aufzugssicherheit nach EN 81–20/50 noch kein Trend in Deutschland?

Die erwartete Bedeutung des Themas zeigte sich u.a. im Eröffnungsvortrag von Wolfgang Adldinger von Wittur in Wiedenzhausen, der die EN 81–20/50 als die bisher größte Weiterentwicklung der Aufzugsnormen titulierte. Die vier Vorträge zur EN 81–20/50 konnten jeweils Spitzenzahlen von über 120 Zuhörern verzeichnen.

Erwartet wurde auch eine noch nie dagewesene Vielfalt an Innovationen, z. B. bei den Sicherheitskomponenten, Schacht- und Kabinentüren sowie Steuerungen und Frequenzumrichtern, aufgrund der neuen gesetzlichen und normativen Vorgaben. Diese fand sich aber ausdrücklich und deutlich sichtbar überwiegend bei den ausländischen Ausstellern. So wurden vorher im Messeportal nur 47 neue Produkte angekündigt, aber nur acht davon erwähnten die neue Norm EN 81–20/50 überhaupt und von denen kamen wiederum nur vier aus Deutschland.

Deutlich sichtbar dazu waren u.a. die Produkt-Auftritte der Firmen

  • ACLA-Werke Köln mit ihren Aufsetzpuffern aus AUTAN HE zertifiziert nach neuer Norm DIN EN 81–20/50
  • Formula Systems a Division of Airdri aus Eynsham-Oxford/UK mit ihrem SlimScreen gemäß der neuen Norm EN 81–20
  • Riedl Aufzüge aus Feldkirchen mit ihren schlanken Aufzugtüren, deren doppelwandige Blätter nach EN 81–20/50 geprüft sind.

Dort wurden bereits erste Lösungen gezeigt. Klaus-Peter Kapp, Unternehmensberater aus Hamburg sowie VFA-Vorstand Normen und Richtlinien, bestätigt diese Beobachtung: „Die neue Norm EN 81–20/50 „Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen“ wird bei den multinationalen Konzernen bereits stillschweigend umgesetzt. Während die internationalen Zulieferer damit bereits durch sind, laufen die Arbeiten zu den neuen Normen in den deutschen Unternehmen erst seit Anfang Oktober 2015 auf Hochtouren. Der Fokus liegt in Deutschland zurzeit noch auf der Umsetzung der neuen Betriebssicherheitsverordnung ab 1. Juni 2015 mit seinen 21 definierten und gelisteten Gefährdungen inkl. der dafür notwendigen Korrekturmaßnahmen sowie anschließend zum 20.04.16 auf der Aufzugrichtlinie 2014/33/EU. Auch beansprucht das äußerst erfolgreiche Tagesgeschäft beim Kunden derzeit viele Kapazitäten. Deutsche Produzenten sind deshalb nicht nur hier auf der Messe zum Thema EN 81–20/50 noch deutlich unterrepräsentiert.

Ausblick auf die Aufzugstechnik und die Messe interlift 2017

Als möglicherweise zukunftsweisend sind die beiden folgenden Themen zu werten:

Planer und Architekten bauen auf BIM Building Information Modeling zur optimierten Planung, Realisierung und Bewirtschaftung eines Gebäudes mit Hilfe eines digitalen 3D-BIM-Models. Der Vorteil des BIM-Prozesses besteht darin, die Schnittstellen zwischen Gebäude und Aufzug überprüfen zu können. Als Experte für BIM in der Aufzugsbranche präsentierte sich auf der Messe die Firma DigiPara GmbH aus Frechen mit dem Motto „BIM up your elevator!“ Nach der europäischen Direktive 2014/24/EU sollen schon heute alle öffentlichen Gebäude mit BIM-Methoden geplant werden. In einigen Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien wird das bereits verpflichtend gefordert. BIM wird also auch den Aufzugsbau ereilen und verändern.

Das Thema Energieeffizienz ist auf der Messe nach wie vor allgegenwärtig und gehört inzwischen zum Gemeingut von Aufzugsanlagen und deren Komponenten. Das erweiterte Thema Nachhaltigkeit mit den bisher vier neuen Aspekten Lebenszyklusbewertungen LCA, ressourcenschonende Lösungen, lebensdauerverlängernde Wartung und Demontage tauchte aber bereits hier und da auf. Eine verstärkte Entwicklung in diese Richtung zeichnet sich ab. Besonders das Ergebnis einer Lebenszyklusbewertung gibt die Möglichkeit, neue umweltgerechte Selektionskriterien für Aufzüge aufzustellen.

Mit einer Lebenszyklusbewertung für einen 4 Haltestellen – 1 000 kg Aufzug in einem neuerbauten Wohnhaus in Berlin war z. B. die Firma Hydroware AB aus Alvesta/S vertreten. In diesem Beispiel werden zwei Systeme verglichen. Der Hydraulikaufzug wird 3-mal also alle 20 Jahre modernisiert, der Seilaufzug zur selben Zeit komplett erneuert. Als Fazit halten sie fest, dass die Produktion des verwendeten Materials einen weitaus größeren Einfluss auf die Umwelt hat, als der Energieverbrauch während der Nutzung des Gebäudes.

Ein neues Produkt zum Thema Überwachung spart unnötige Wartung mit den dazu notwendigen Anfahrten der Monteure und verlängert gleichzeitig auch noch weiter das Leben von Aufzügen durch Verhinderung von unerwarteten Schäden. Die Firma Henning aus Schwelm zeigte den sog. WEAR WATCHER einen Lastsensor zum Condition Monitoring an Aufzügen. Das autark arbeitende Mess- und Auswertesystem erfasst und wertet kontinuierlich über den integrierten 3-Achs-Beschleunigungssensor Vibrationen und Beschleunigungen aus.

Als Entwickler von Nachhaltigkeitslösungen wie z. B. Weight reduction oder Traffic optimization aber auch als Durchführer von LCAs war auf der Messe auch Itainnova Instituto Tecnológico de Aragón aus Zaragoza/SPA vertreten.

Den Schlusspunkt in diesem Bericht und gleichzeitig auch das Lebensende eines Aufzuges bedeutet die Demontage. Bemerkenswert umwelt- und gewässerschützend ist hierzu das Angebot der Firma Tankschutz Service Remshagen aus Rösrath. Der Fachberater des Unternehmens Thorsten Walper berichtet dazu: „Wir haben bis heute in 2015 bereits drei Aufzüge nach dieser Methode fachgerecht stillgelegt. Drei weitere Anfragen liegen bereits vor. Wir erwarten in den kommenden Jahren einen deutlichen Anstieg der Nachfrage, vor allem über Wartungsfirmen und auch direkt über das Internet.“

Unter dem Motto „Meet the World“ findet die interlift 2017 von Dienstag 17. bis Donnerstag 20. Oktober 2017 wieder in Augsburg statt. Nach der interlift ist vor der interlift! Dies gilt gleichermaßen für Aussteller und Besucher. Die Vorbereitungen sind überall angelaufen. Die 13. interlift wird zeigen, wie Mensch und Technik sich weiterentwickelt haben.

Von Dipl.-Ing. Undine Stricker-Berghoff

Dipl.-Ing. (TU) Undine Stricker-Berghoff, CEng MEI VDI, ProEconomy, Travemünde.