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Perowskit-Solarzellen: Diskrepanz zwischen Forschung und Industrie 22.02.2024, 16:12 Uhr

„Vakuumbasierte Verfahren werden stiefmütterlich behandelt“

Ein internationales Konsortium unter der Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat die verschiedenen Produktionsansätze für Perowskit-Solarzellen in Laboren und der Industrie verglichen.

Die Perowskit-Photovoltaik verspricht hohe Wirkungsgrade. Forschende des KIT und Partner haben dazu unterschiedliche Produktionsansätze analysiert. Foto: Tobias Abzieher

Die Perowskit-Photovoltaik verspricht hohe Wirkungsgrade. Forschende des KIT und Partner haben dazu unterschiedliche Produktionsansätze analysiert.

Foto: Tobias Abzieher

Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen haben in den vergangenen zehn Jahren eine rasante Entwicklung durchlaufen: In der Forschung konnten Wirkungsgrade von mehr als 33 Prozent erreicht werden. Damit liegen sie bereits heute über den herkömmlichen siliziumbasierten Solarzellen. Die Marktreife steht allerdings noch aus. Eine der Hürden ist die ungeklärte Frage, mit welchem Verfahren sich Perowskit-Solarzellen als Massenprodukt am besten herstellen lassen. Dabei stehen lösungsmittelbasierte Herstellungsverfahren, wie sie weltweit in Laboren angewendet werden, Dampfphasenabscheidungsverfahren im Vakuum gegenüber, die bei etablierten Photovoltaikfirmen genutzt werden.

Eindeutiger Fokus auf lösungsmittelbasierter Herstellung

In einer aktuellen Vergleichsstudie, erschienen in Energy & Environmental Science, zeigte ein internationales Konsortium aus akademischen und industriellen Partnern unter der Leitung Energy’s National Renewable Energy Laboratory (NREL, USA) und des KIT große Unterschiede in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Produktionsverfahren auf. Tenure-Track-Professor Ulrich W. Paetzold vom Institut für Mikrostrukturtechnik sowie vom Lichttechnischen Institut des KIT erklärt: „98 Prozent aller wissenschaftlichen Studien im Jahr 2022 wurden zu lösungsmittelbasierten Verfahren publiziert. Vakuumbasierte Verfahren, die sich seit Jahrzehnten in der Industrie bewährt haben und eine Kommerzialisierung der Solarzellen entscheidend voranbringen könnten, werden stiefmütterlich behandelt.“

Wie unterscheiden sich die Herstellungsverfahren?

Zur Erläuterung: Bei der lösungsmittelbasierten Herstellung werden Tinten genutzt, in denen organische und anorganische Salze in einem Lösungsmittel gelöst werden. Diese Tinten können dann über verschiedene Drucktechniken auf der Oberfläche eines Substrats abgeschieden werden. Im Gegensatz dazu verwendet die vakuumbasierte Herstellung trockene und lösungsmittelfreie Verfahren. Dabei werden die Materialien in einem Vakuum unter Zufuhr von Wärme sublimiert, das heißt vom festen in den gasförmigen Aggregatzustand überführt und auf der Substratoberfläche kondensiert. Prinzipiell sei es auch möglich, beide Verfahren für die Herstellung von Perowskit-Solarzellen zu kombinieren, so die Forschenden des KIT.

Kommerzialisierung durch vakuumbasiertes Verfahren möglich

In der Studie analysierten die Forschenden die Vor- und Nachteile beider Methoden. Die bisherige Dominanz der lösungsmittelbasierten Herstellung in der Forschung liegt demnach in der unkomplizierten Handhabung in Laboren, der sehr guten Ergebnisse im Hinblick auf den Wirkungsgrad unter Laborbedingungen und ihren geringen Kosten begründet. Hinzu komme die Möglichkeit einer skalierbaren Rolle-zu-Rolle-Fertigung – also die Endlosabscheidung zwischen zwei Rollen, ähnlich des Zeitungsdrucks.

Das vakuumbasierte Produktionsverfahren verursache im Vergleich dazu etwas höhere Investitionskosten und liegt aktuell – legt man die in der Forschung angewandten Verfahren zugrunde – hinsichtlich der Abscheidungsgeschwindigkeit, sprich dem Produktionsdurchsatz, noch im Hintertreffen, so das Ergebnis der Vergleichsstudie. Die Forschenden zeigen jedoch eine Vielzahl an Lösungsansätzen auf und schätzen ab, dass es unter Berücksichtigung von realen Parametern wie Stromkosten, Produktionsertrag, Material-, Stilllegungs- oder Recyclingkosten konkurrenzfähig ist. Vor allem die gute Wiederholbarkeit der Abscheidung, die einfache Prozesskontrolle, die Verfügbarkeit von industriellem Prozessequipment und die einfache Skalierung der Abscheidung von den kleinen Solarzellenflächen aus dem Labor hin zu anwendungsrelevanten Produktflächen mache das Verfahren hochinteressant für die Kommerzialisierung.

„Die vakuumbasierte Herstellung schneidet also besser ab als ihr Ruf“, so Tobias Abzieher, einer der Hauptautoren der Studie. Somit sei es auch nicht verwunderlich, dass man bereits heute ein reges Interesse an vakuumbasierten Verfahren für die Herstellung von Perowskit-Solarzellen vonseiten der Industrie nachweisen konnte – trotz der Diskrepanz im Hinblick auf die hauptsächlich eingesetzte Methode in der Forschung.

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