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Bedeutung von Wind, Sonne & Co. für Wärmeerzeugung wächst 05.01.2023, 16:00 Uhr

Stromerzeugung 2022: Erneuerbare legen wieder zu

Nachdem der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Bruttostromerzeugung 2021 im Vergleich zum Vorjahr erstmals seit über 20 Jahren gesunken war, stieg der Ökostromanteil im vergangenen Jahr wieder an. Um die Ziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu erreichen, muss der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland aber deutlich gesteigert werden.

Foto: panthermedia.net/ buchachon_photo

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Nach vorläufigen Daten der Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat) am Umweltbundesamt (UBA) wurden im Jahr 2022 etwa neun Prozent mehr Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt als im Vorjahr. Die gesamte Bruttostromerzeugung aus Wind, Solar & Co. wird nach den Berechnungen mit 256 Terawattstunden zwar über der Erzeugung der Vorjahre (2020: 251,5/ 2021: 233,9) liegen, jedoch unter dem Ziel des im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG 2021) avisierten Strommengenpfads von 269 Terawattstunden. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) errechneten zum Jahresabschluss ähnliche Werte. Um im Jahr 2030 die avisierten 80 % des deutschen Bruttostromverbrauchs mit erneuerbarem Strom zu decken, wird eine Strommenge von etwa 600 Terawattstunden benötigt. Somit müsste sich die grüne Stromerzeugung in den nächsten acht Jahren mehr als verdoppeln.

Windenergie und Photovoltaik mit Zuwächsen

Hauptpfeiler der erneuerbaren Stromproduktion in 2022 waren nach Berechnungen des UBA die Photovoltaik und die Windenergie: Die Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen stieg wegen des Anlagenzuwachses im Vorjahr sowie des sehr sonnigen Wetters um 23 % auf 61 Terawattstunden (ZSW und BDEW: 62,3 Terawattstunden). Auch die Stromerzeugung aus Windenergie lag im vergangenen Jahr mit 128 Terawattstunden zwölf Prozent höher als im windarmen Vorjahr. 103 Terawattstunden entfallen laut UBA auf Windenergieanlagen an Land, rund 25 Terawattstunden auf Windenergieanlagen auf See (Die Berechnungen von ZSW und BDEW weisen 99 beziehungsweise 25 Terawattstunden aus). Der bisherige Spitzenwert aus dem Jahr 2020 (132,1 Terawattstunden) wurde bei der Windenergie jedoch nicht erreicht, was die Analysten des UBA auch mit dem nach wie vor sehr niedrigen Anlagenzubau begründen.

Grafik: Umweltbundesamt

Größere Bedeutung der Erneuerbaren für die Wärmeerzeugung

Für den Wärmesektor verzeichnet das Umweltbundesamt einen deutlichen Rückgang des gesamten Energieverbrauchs. Ursachen seien die milde Witterung und Einsparmaßnahmen infolge des Krieges in der Ukraine. Der Verbrauch erneuerbarer Energien für Wärmezwecke betrug dagegen mehr als 200 Terawattstunden, und damit etwa ein Prozent mehr als 2021. Neben einer starken Zunahme der Nutzung von Umweltwärme und oberflächennaher Geothermie mittels Wärmepumpen (plus 13 % gegenüber dem Vorjahr), stieg auch die Wärmeerzeugung aus Solarthermieanlagen (plus elf Prozent) wegen der sehr sonnigen Witterung deutlich. Auch ein verstärkter Einsatz von Holz als Ersatz für Erdgas dürfte zum Wachstum der erneuerbaren Wärme beigetragen haben, so das UBA.

Weitere Investitionen für den Ausbau erneuerbarer Energien nötig

„Zwar wurden die Ausbauziele für Photovoltaik und Windenergie an Land aus dem EEG 2021 für das Jahr 2022 erreicht. Allerdings kann das Erreichen dieser ersten, eher mäßig ambitionierten Zwischenschritte nicht als großer Erfolg gewertet werden. Glücklicherweise wurden die Ausbauziele inzwischen deutlich angehoben“, so der Präsident des Umweltbundesamtes, Professor Dr. Dirk Messner. Jetzt gelte es insbesondere beim Ausbau der Windenergie an Land dringend alle möglichen Hebel in Bewegung zu setzen, um den Ausbau zu beschleunigen. Entscheidende Weichen für einen erfolgreichen Ausbauverlauf müssten zeitnah gestellt werden. „Nur dann besteht Hoffnung, die Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von russischem Erdgas und fossilen Rohstoffen zu überwinden“, ist Messner überzeugt.

Auch Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt angesichts der vorgelegten Daten: „Für eine sichere, unabhängige Energieversorgung der Zukunft sind Investitionen in Erneuerbare, aber auch in Speicher, Netze und wasserstofffähige Gaskraftwerke unabdingbar. Jede zusätzliche Kilowattstunde erhöht die verfügbare Menge Strom und kann künftig beitragen, die Versorgung zu sichern.“ Der Ausbau der Erneuerbaren müsse daher nicht trotz, sondern wegen der aktuellen Krise weiter vorangetrieben werden. „Das bedeutet vor allem: mehr Flächen für Windenergieanlagen und PV-Anlagen, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie bei der Photovoltaik eine deutliche Verbesserung der Regeln für Prosuming, Mieterstrom und Energy sharing. Gleichzeitig müssen die Netze für einen steigenden Anteil Erneuerbarer Energien fit gemacht werden. Wir können uns aus dieser Krise nur herausinvestieren“, fordert Andreae.

Ökostromanteil: Zwei Berechnungsmöglichkeiten

Den Ökostromanteil am Bruttostromverbrauch zu bemessen, ist die gängige Berechnungsgrundlage. Sie geht zurück auf europäische Vorgaben und steht im Einklang mit den Zieldefinitionen der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Bruttostromverbrauch bildet das gesamte Stromsystem eines Landes ab und beträgt nach vorläufigen Berechnungen von ZSW und BDEW für 2022 knapp 547 Terawattstunden. Eine andere Möglichkeit ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung zu messen. Sie umfasst die gesamte in Deutschland erzeugte Strommenge, also auch die exportierten Strommengen. Der Anteil Erneuerbarer Energien im Jahr 2022 auf Basis der Bruttostromerzeugung beträgt knapp 45 %.

Von Marc Daniel Schmelzer / UBA / BDEW / ZSW