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Energiebilanz ausbaufähig 07.09.2020, 14:07 Uhr

Studie: Deutschlands typisches Mehrfamilienhaus

Es ist 42 Jahre alt, verfügt über sieben Wohnungen und eine Erdgasheizung: Statistiker der Technischen Universität Dortmund haben in Kooperation mit dem Energiedienstleister ista untersucht, wie das typische Mehrfamilienhaus in Deutschland aussieht. Ein Ergebnis: Energetisch herrscht deutlicher Nachholbedarf.

Wie sieht das typische Mehrfamilienhaus in Deutschland aus? Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Gebäudedaten von insgesamt 74.260 Objekten analysiert. Foto: panthermedia.net/kzlobastov

Wie sieht das typische Mehrfamilienhaus in Deutschland aus? Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Gebäudedaten von insgesamt 74.260 Objekten analysiert.

Foto: panthermedia.net/kzlobastov

Welche Bedeutung Mehrfamilienhäuser für den deutschen Immobilienmarkt haben, offenbart bereits ein erster Blick auf die Zahlen: Beinahe 50 % aller Wohnungen bundesweit befinden sich in Gebäuden mit mehreren Einheiten. Doch wie steht es um deren energetischen Zustand? Um Antworten auf diese Frage liefern zu können, haben die Statistiker der TU Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Energiedienstleister ista die Gebäudedaten von deutschlandweit 74.260 Mehrfamilienhäusern ausgewertet.

Wenn modernisiert wird, dann vor allem die Heizung

Und so sieht der Steckbrief des typischen Mehrfamilienhauses in Deutschland aus: Erbaut wurde es im Jahr 1978. Es verfügt über sieben Wohnungen (Nutzeinheiten), die im Durchschnitt je 65 Quadratmeter groß sind. Erwärmt werden sie von einer im Jahr 1997 eingebauten Erdgasheizung. Die Heizfläche des gesamten Gebäudes beträgt 521 Quadratmeter.

Trotz seines Alters ist das Gebäude nicht zwangsläufig saniert. Wenn es bei den betrachteten Objekten zu Erneuerungen kam, wurde am häufigsten in die Modernisierung der Heizungsanlage investiert (48 %). Auf den weiteren Plätzen folgen das Dach, die Fenster und die oberste Geschossdecke (je 43 %).

Grafik: ista

Im Osten mehr saniert als im Westen

Betrachtet man das Bundesgebiet in Gänze, liegt der Energiekennwert des typischen Mehrfamilienhauses bei 118. Das entspricht der mittleren Kategorie D auf dem Energieausweis. Somit ist durchaus weiteres Energieeinsparpotenzial vorhanden. „Das typische Mehrfamilienhaus kann in Sachen Energieeffizienz eine Renovierung vertragen“, fasst Professor Walter Krämer von der TU Dortmund die Ergebnisse zusammen. „In Westdeutschland noch etwas mehr als im Osten. Das zeigen die Ergebnisse unserer Studie mit Blick auf den Energiekennwert und den Sanierungsgrad der Gebäude in den einzelnen Bundesländern.“ Bei den Sanierungen liegt das typische Mehrfamilienhaus in Brandenburg im Ländervergleich klar vorn (Fenster: 71 %, oberste Geschossdecke: 67 %, Dach: 66 %, Außenwand: 61 %, Kellerdecke 49 %). Einzige Ausnahme: Die Sanierung der Heizungsanlage. Hier schneidet das Haus in Schleswig-Holstein mit 58 % besser ab.

Beim Energiekennwert gibt es ein deutliches West-Ost-Gefälle: Die mit Abstand besten Werte entfallen auf die Mehrfamilienhäuser in Mecklenburg-Vorpommern (96), Sachsen (101) und Thüringen (101). Die höchsten Energiekennwerte weisen die Gebäude in Berlin (128), Hamburg (128), Bremen (126) und Schleswig-Holstein (126) auf.

Energie sparen durch verändertes Nutzerverhalten

Neben der baulichen Sanierung und der Modernisierung der Heizanlage ist das Heizverhalten ein wichtiger Hebel für mehr Energieeffizienz. „Das Nutzerverhalten kann bei der Energieeffizienz im Mehrfamilienhaus den Unterschied machen“, so Thomas Zinnöcker, CEO von ista. Ein optimiertes Heizverhalten trage enorm dazu bei die Energiebilanz eines Gebäudes zu verbessern. Allein durch eine häufigere und zeitnahe Verbrauchsinformation für die Bewohner – wie es die neue europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EED) ohnehin fordert – lassen sich zehn Prozent der Heizenergie im Gebäude einsparen, ist Zinnröcker überzeugt. Für die sieben Parteien im typischen bundesdeutschen Mehrfamilienhaus würde das bedeuten: Die jährlichen Heizkosten könnten in Summe von durchschnittlich 3.524 auf 3.172 Euro gesenkt werden. Die dafür nötige, digitale Erfassung der Verbräuche sei im typischen Mehrfamilienhaus bereits Standard.

 

 

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Von Marc Daniel Schmelzer