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Stromerzeugung in Deutschland 31.03.2020, 11:00 Uhr

Erneuerbare Energien übertreffen erstmals fossile Energieträger

Noch nie war die Energie aus Deutschlands Steckdosen so grün wie im vergangenen Jahr: Der Anteil erneuerbarer Energie am deutschen Strommix betrug 2019 fast 50 %. Vor allem die Windkraft legte deutlich zu.

Offshore Park Windräder

Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix hat 2019 deutlich zugenommen. Die Windkraft war erstmals der stärkste Energielieferant in Deutschland.

Foto: panthermedia.net/Paul Hardy

Erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch: Fast die Hälfte (46 %) des in Deutschland in 2019 verbrauchten Stromes wurde durch erneuerbare Energien (Wind, Solar, Biomasse, Wasserkraft) erzeugt. 2018 waren es noch 40,6 %. Die fossilen Energieträger Steinkohle, Braunkohle, Öl und Gas kommen in Summe auf 40 %. 13,8 % entfallen auf Kernenergie. Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg haben Wissenschaftler die Marktzahlen zur Stromerzeugung in Deutschland für 2019 analysiert. Betrachtet wurde die so genannte Nettostromerzeugung, sprich der Strommix, der aus der Steckdose kommt.

Windkraft im Aufwind

Die Windkraft war 2019 mit 127 Terawattstunden (plus 17,3 Terawattstunden) erzeugtem Strom erstmals der stärkste Energielieferant in Deutschland. Mehr als 80 % des Stroms wurde durch Anlagen im Binnenland, so genannte Onshore-Anlagen, gewonnen (102,6 Terawattstunden). Offshore, sprich in Windparks vor der Küste, wurden 24,4 Terawattstunden erzeugt. Somit übertraf die Windstromproduktion in 8 Monaten die Erzeugung aus Braunkohle, in allen 12 Monaten lag die Windenergie vor der Kernenergie.

Photovoltaik auf Platz 2 der erneuerbaren Energieerzeuger

Zweitwichtigste Erzeugerquelle unter den erneuerbaren Energien sind Photovoltaikanlagen (PV). Sie speisten 2019 rund 46,5 Terawattstunden Strom ins öffentliche Netz ein (plus 1,7 % im Vergleich zu 2018). Von März bis September 2019 war die monatliche Stromerzeugung von PV-Anlagen höher als die von Steinkohlekraftwerken.

Wasserkraft legt zu

Konstant blieb der Anteil von aus Biomasse erzeugtem Strom. Er lag mit 44 Terawattstunden leicht unter dem von 2018. Die Wasserkraft steuerte zum Strommix 2019 zwar nur 19,2 Terawattstunden bei, erlebte unter den erneuerbaren Energien aber den prozentual stärksten Anstieg (21,2 %). Unter dem Strich produzierten die erneuerbaren Energiequellen im Jahr 2019 rund 237 Terawattstunden Strom (plus 7 % gegenüber 2018).

Kohlestromerzeugung rückläufig

Während der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix deutlich wuchs, ist bei den fossilen Energieträgern ein deutlicher Rückgang sichtbar. Die Braunkohle hat 2019 massiv an Bedeutung verloren: Ihr Anteil an der Nettostromproduktion sank um 29,3 Terawattstunden auf 102,2 Terawattstunden. Ähnlich verhält es sich bei der Steinkohle, die ein Minus von 23,7 Terawattstunden auf 48,7 Terawattstunden zu verzeichnen hat.

Kohle leidet unter CO2-Zertifikaten

Verantwortlich für die starken Rückgänge bei Braun- und Steinkohle sind nach Auffassung der Wissenschaftler vom Fraunhofer ISE mehrere Faktoren: Erstens ist die Stromerzeugung aus Windenergie deutlich angestiegen, wodurch die Kohlestromproduktion gedrosselt werden musste. Zweitens sind CO2-Zertifikate deutlich teurer geworden. Im Rahmen des Weltklimagipfels im japanischen Kyoto hatten sich die Teilnehmerstaaten 1997 erstmals auf verbindliche Klimaschutzziele geeinigt, die bis 2030 erreicht werden sollen.

Die Vergabe von CO2-Zertifikaten ist in diesem Zusammenhang ein Mittel, um die Ausschüttung von Kohlendioxid weiter zu reduzieren. Ein CO2-Zertifikat berechtigt ein Unternehmen dazu, innerhalb einer bestimmten Periode eine Tonne Kohlendioxid zu produzieren. Am Ende des festgelegten Zeitraums muss das Unternehmen nachweisen, dass seine gesamten Emissionen durch Zertifikate abgedeckt sind. Der durchschnittliche CO2-Zertifikatspreis stieg von 15,79 Euro/Tonne in 2018 auf 24,80 Euro/Tonne. Dadurch wurde Kohle-Strom 2019 in der Erzeugung deutlich teurer als an der Energiebörse gehandelter Strom aus erneuerbaren Energien.

Auch der niedrige Gaspreis spiele eine wichtige Rolle, so die Freiburger. Obwohl bei der Stromerzeugung aus Gas auch CO2-Zertifikate für die Emissionen der Gaskraftwerke erworben werden müssen, sei die Strom-Erzeugung aus Gas im vergangenen Jahr dennoch günstiger gewesen als die aus Braunkohle.

Von Marc Daniel Schmelzer