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Digitale Tools 02.08.2021, 11:00 Uhr

„Ein niederschwelliges Angebot an die Betriebe“

Im Interview: Die Leitung des GDA-Arbeitsprogramms „Krebserzeugende Gefahrstoffe“ über Hintergründe und Bedeutung des GDA Gefahrstoff-Checks.

Bestimmung der Konzentration lungengängiger Fasern an Luftproben aus Arbeitsbereichen mittels Rasterelektronenmikroskopie. Foto: DGUV/Volker Lannert

Bestimmung der Konzentration lungengängiger Fasern an Luftproben aus Arbeitsbereichen mittels Rasterelektronenmikroskopie.

Foto: DGUV/Volker Lannert

Was beinhaltet die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie?

Dr. Michael Au: Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie, besser bekannt unter ihrem Kürzel GDA, ist ein gemeinsames, im Arbeitsschutzgesetz fest verankertes Präventionsbündnis der drei Träger des institutionalisierten Arbeitsschutzes in Deutschland – Bund, Länder und Unfallversicherungsträger. Die gemeinsamen Ziele dieses Bündnisses zur Förderung des Schutzes der Beschäftigten vor gesundheitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz werden in bundesweiten Präventionsprogrammen, den GDA-Arbeitsprogrammen, umgesetzt.

Was sind die Schwerpunkte des Arbeitsprogramms „Krebserzeugende Gefahr­stoffe“ in der aktuellen GDA-Periode?

Dr. Harald Wellhäußer: Die häufigste arbeitsbedingte Todesursache in Deutschland ist eine berufsbedingte Krebs­erkrankung. Erklärtes Ziel unseres Arbeitsprogramms im Rahmen der laufenden GDA-Periode ist es, diese Gefahr zu minimieren und langfristig diese Erkrankungsfälle möglichst zu verhindern. Um dies zu erreichen, werden wir die Unternehmensverantwortlichen und die Beschäftigten für das Thema sensibilisieren und Lösungswege aufzeigen. Hierzu finden zum Beispiel gezielte Betriebsbesichtigungen der Aufsichtsorgane der Länder und der Unfallversicherungsträger statt, die begleitet werden von einem umfangreichen Informationsangebot. Zu diesen Angeboten zählen unter anderem der GDA Gefahrstoff-Check, Best-Practice-Beispiele und Qualifizierungsmaßnahmen. Parallel erfolgt eine thematische und inhaltliche Anbindung an die europäische Initiative Roadmap on Carcinogens. Eine gezielte Schwerpunktaktion der Bundesländer Hessen, Thüringen und Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass in vielen Betrieben die Gefährdungsbeurteilung zu Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen leider nicht oder noch nicht ausreichend durchgeführt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass der Berufskrebs die arbeitsbedingte Todesursache Nummer eins in Deutschland ist, ist das nicht akzeptabel.

Wie ist das GDA-Arbeitsprogramm mit der European Roadmap on Carcinogens verbunden?

Dr. Romy Marx, Dr. Astrid Smola: Um berufsbedingte Krebserkrankungen zu verhindern, ist gemeinsames Handeln aller betroffenen Interessensgruppen notwendig. Dieses Ziel hat die GDA und dieses Ziel hat auch die Roadmap on Carcinogens, die 2016 auf EU-Ebene ins Leben gerufen wurde. Die Partner der Roadmap – Mitgliedsstaaten, europäische Industrie- und Gewerkschaftsverbände, die EU-Kommission, ECHA1) und EU-OSHA2) – wollen, parallel zu einem fundierten, gesetzlichen Rahmen zu krebserzeugenden Stoffen, bei Arbeitgebern und Beschäftigten Bewusstsein für Krebsrisiken schaffen und Unterstützung beim Arbeitsschutz anbieten. Die Roadmap unterstützt deshalb Betriebe mit Praxishilfen. Im Rahmen unseres GDA-Arbeitsprogramms sind auch eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen und eine wechselseitige Verknüpfung mit denen der Roadmap vorgesehen. Die Roadmap von 2020 bis 2024 und die GDA von 2021 bis 2025 laufen in weiten Teilen parallel ab und eine Vernetzung sowie die Nutzung von Synergien ist unser erklärtes Ziel.

Was genau ist der GDA Gefahrstoff-Check?

Wellhäußer: Der GDA Gefahrstoff-Check ist ein Angebot an alle Mitwirkenden und Interessierten eines Unternehmens, die sich mit dem Thema Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beschäftigen, um vorausschauend und effizient die Gefährdungen für die Beschäftigten durch krebserzeugende Gefahrstoffe am Arbeitsplatz zu erkennen und wirkungsvolle Schutzmaßnahmen treffen zu können. Der Check unterstützt dabei, einen Handlungsbedarf überhaupt zu erkennen und dann die Gefährdungsbeurteilung schrittweise durchzuführen, zu vervollständigen, zu verbessern oder zu aktualisieren. Hierzu werden die besonderen Pflichten und Maßnahmen, die sich aus Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen ergeben, leicht verständlich und kompakt mithilfe von konkreten Hinweisen beschrieben. Zudem werden als Umsetzungshilfe umfangreiche branchenspezifische Praxishilfen angeboten.

Was ist das Besondere am GDA Gefahrstoff-Check und wer profitiert besonders davon?

Au: Mit dem Arbeitsprogramm „Sicherer Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ beabsichtigen die GDA-Träger, ein starkes Zeichen im Kampf gegen berufsbedingte Krebserkrankungen zu setzen. Hier kommt dem GDA Gefahrstoff-Check eine besondere Rolle zu, weil er ein niederschwelliges Angebot an die Betriebe ist, sich anhand von mehreren gut verständlichen Bausteinen selbst zu prüfen und zu bewerten, wie gut die betriebliche Gefährdungsbeurteilung unter dem besonderen Aspekt des Schutzes der Beschäftigten vor krebserzeugenden Gefahrstoffen bereits umgesetzt ist. Aufgrund seiner selbsterklärenden Struktur, der Verlinkung mit zusätzlichen Hintergrundinformationen und einer Übersicht über branchenspezifische Praxishilfen bietet der GDA Gefahrstoff-Check insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, einen aktuellen Handlungsbedarf zu erkennen und konstruktive Lösungen zu finden.

Wer entwickelt den GDA Gefahrstoff-Check?

Marx, Smola: Er wurde von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern unter Federführung der Unfallversicherungsträger als wichtiges Element des Arbeitsprogrammes zu krebserzeugenden Gefahrstoffen erarbeitet. Er hat aus unserer Sicht eine übergeordnete Bedeutung, weil er allen Unternehmen ein kostenloses, niederschwelliges Instrument zur Selbstbeurteilung anbietet. Auch hier ist eine Verknüpfung mit der Roadmap geplant.

Wie komme ich zum GDA Gefahrstoff-Check?

Au: Der GDA Gefahrstoff-Check steht als ausführliches Onlinetool sowie als verkürzte Druckfassung in Form einer Broschüre und als barrierearmes PDF zur Verfügung. Beide Versionen enthalten als Kernelemente die neun Bausteine mit den dazugehörigen Fragen. Naturgemäß kann jedoch die Onlinevariante des GDA Gefahrstoff-Checks den Nutzerinnen und Nutzern noch mehr bieten als die Druckfassung. So gibt es unter anderem eine Ergebnisübersicht der durchgeführten Selbstüberprüfung, einen Ausgabereport zur Unterstützung bei der Ableitung von betrieblichen Maßnahmen und ein ausführliches Glossar mit Erläuterungen von Fachbegriffen. Diese ausführliche Fassung des GDA Gefahrstoff-Checks steht online unter www.gda-gefahrstoff-check.de zur Verfügung. Der GDA Gefahrstoff-Check als Broschüre kann über die am GDA-­Arbeitsprogramm „Krebserzeugende Gefahrstoffe“ beteiligten Aufsichtsbehörden der Länder und Aufsichtsdienste der Unfallversicherungsträger bezogen werden.

Sind zusätzliche digitale Angebote/Werkzeuge mit dem GDA Gefahrstoff-Check verknüpft? Sind zukünftige Erweiterungen geplant?

Marx, Smola: Ja, die jeweils aufeinander aufbauenden Bausteine enthalten Hinweise zu weiterführenden Quellen. Bei der Informationsermittlung wird z. B. auf die GESTIS-Stoffdatenbank des IFA3) oder das Informationssystem für gefährliche Stoffe – IGS – des Landes NRW verwiesen, im Baustein zur Exposition auf das einfache Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe der BAuA4) oder im Expositionsverzeichnis auf die ZED5) der DGUV6). Der Check wird ständig aktualisiert, so dass neue Angebote jederzeit integriert werden können. 

1) European Chemicals Agency

2) Occupational Safety and Health Administration

3) Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

4) Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

5) Zentrale Expositionsdatenbank

6) Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

Dr. Michael Au
Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (HMSI), Wiesbaden. Foto: Autor Dr. Romy Marx
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund. Foto: Autorin Dr. Harald Wellhäußer
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg. Foto: AutorDr. Astrid Smola
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Bonn.