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Kommunikationsstandard BO4E für die Energiewirtschaft 07.06.2022, 08:00 Uhr

Wie Standards helfen, die zunehmend automatisierte Energiewelt zu gestalten

Neue Projekte, Kooperationspartner sowie Mitgliedergewinn sind das Resümee der Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft e. V aus den letzten Monaten. Trotz coronabedingter Verzögerungseffekte hat sich der Softwarestandard „Business Objects for Energy“ – kurz BO4E – in der Energiewirtschaft weiter verbreitet.

Reibungslose Datentransfers zwischen Software-Applikationen: Dafür sorgen die „Business Objects for Energy“ (BO4E) innerhalb eines Energieversorgungsunternehmens. Grafik: Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft

Reibungslose Datentransfers zwischen Software-Applikationen: Dafür sorgen die „Business Objects for Energy“ (BO4E) innerhalb eines Energieversorgungsunternehmens. Grafik: Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft

„Ich sehe Automatisierungspotenziale mit unendlichen Möglichkeiten“, sagt Konstantin Klein, Leiter eines Softwareentwicklungsteams bei der Hochfrequenz Unternehmensberatung mit Hauptsitz in Grünwald, „wir müssen die Chancen nur ergreifen.“ Hochfrequenz zählt zu den Mitgliedern der Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft e. V. (BO4E-Interessengemeinschaft), Hückelhoven, und engagiert sich für die Entwicklung und Verbreitung des Softwarestandards BO4E. Das Unternehmen berät Energieversorger und deren Dienstleister bei strategischen sowie operativen Fragen und ist seit 2021 Kooperationspartner der Firma Lynqtech, Hannover.

Inhalt dieser Partnerschaft ist die Realisierung einer Cloud-Plattform für Energieversorger zur Optimierung des Vertriebsgeschäfts, die den BO4E-Standard konsequent unterstützt. „Wir konnten bereits hunderttausende Kundendatensätze reibungslos auf die Lynqtech-Cloud-Plattform migrieren“, heißt es bei Hochfrequenz, „dabei haben die BO4E sehr gute Dienste geleistet.“ Das Grünwalder Unternehmen strebt grundsätzlich den Einsatz der Business Objects for Energy an – zur flexibleren Gestaltung von Geschäftsprozessen, deren Datenflüsse auf entsprechend standardisierter Software beruhen.

BO4E als logische Konsequenz

Die Lynqtech-Plattform ist nur eines von mehreren Praxisbeispielen aus der jüngeren Vergangenheit, auf die die BO4E-Interessengemeinschaft mit Stolz zurückblickt. „Unsere Förderer haben den Business Objects eine gute Entwicklung prophezeit“, sagt Peter Martin Schroer, Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins, und freut sich: „Zwar haben auch uns die Folgen von Corona gebremst, doch zeigt die Erfolgskurve nach oben.“ Neue Projekte, Kooperationspartner sowie zuletzt auch ein neues Mitglied – die items aus Münster ist der Gemeinschaft beigetreten – sind das Resümee einer fortlaufenden Aufklärungsarbeit und Informationspolitik der kleinen, aber überzeugenden Schritte. „Über Jahrzehnte gewachsene monolithische Softwarestrukturen brechen nicht über Nacht auf“, sind sich Schroer und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Situation im Energiemarkt bewusst, „aber immer dann, wenn neue Applikationen einer bestehenden Softwarearchitektur hinzugefügt werden, sind BO4E die logische Konsequenz. Standardisiert und herstellerunabhängig passt dann Applikation zu Applikation – ganz ohne individuelle Schnittstellen.“

Peter Martin Schroer, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft e. V.: „Über Jahrzehnte gewachsene monolithische Softwarestrukturen brechen nicht über Nacht auf.“

Foto: Interessengemeinschaft Geschäftsobjekte Energiewirtschaft

Vertrauen der Softwareentwickler gewinnen

Die Mitglieder der BO4E-Interessengemeinschaft arbeiten kontinuierlich an neuen und kreativen Ideen, damit der Standard prosperiert. Eine davon hat Klein angesichts der „unendlichen“ Automatisierungspotenziale im Sinn. „BO4E können einen Siegeszug antreten – wenn man Softwareentwicklerinnen und -entwickler auf seiner Seite hat.“ Klein präzisiert seine Aussage, indem er auf eine offene und transparente Austauschplattform hinweist, derer sich interessierte Programmiererinnen und Programmierer bedienen und auf der sie eigene Vorschläge platzieren. Das heißt konkret: BO4E auf „Github“, der weltweit genutzten Versionsverwaltung von Softwareentwicklungsprojekten.

Von den ganz Großen lernen

„Die ganz Großen wie Google oder Microsoft machen uns Open Source auf Github vor“, äußert sich Klein und unterstreicht: „Quelloffene Software ist keine Sache für Nerds, sondern ganz normal. 90 % des Internets oder auch der Android-Telefonie beruhen auf offenen Quellcodes.“ Es geht dem IT-Experten um Akzeptanz, Vertrauen und Arbeitserleichterung bei den Softwareentwicklerinnen und -entwicklern, die „niederschwellig“ zusammenkommen und sich austauschen können: eine Argumentation, die überzeugt. Und so ist sich die BO4E-Interessengemeinschaft im Mitgliederkreis einig: Die „Business Objects“ stehen neben dem öffentlichen Zugang über die eigene Internetseite auch mit Open-Source-Lizenz zur Verfügung.

Schnittmengen mit edna eruieren

Doch nicht nur in Bezug auf die direkte Anwendung und operative Weiterentwicklung macht der BO4E-Standard Fortschritte, auch marktstrategisch streckt die BO4E-Interessengemeinschaft ihre Fühler aus. So wurde im vergangenen Jahr mit dem edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation, Lörrach, eine Zusammenarbeit begründet. Diese lotet die Schnittmengen beider Organisationen aus und ermöglicht sowohl den Mitgliedern des einen als auch des anderen Vereins gegenseitigen Zugang zu Informationen und Netzwerken. Zur näheren Erläuterung der Kooperation ruft Schroer zunächst die Grundfunktionen der BO4E in Erinnerung: „BO4E fokussieren auf die Standardisierung von Datentransfers im internen Softwaregefüge eines EVU. Da geht es zum Beispiel um die Struktur von Kundenstammdaten, um Marktlokationen, Angebotskalkulationen, Rechnungsverfolgung oder auch um Customer Relationship Management, um nur einige wenige Einsatzgebiete zu nennen.“

Brücke zwischen internen und externen Prozessen

Der Vorsitzende der BO4E-Interessengemeinschaft fährt fort, dass diese unternehmensinternen Prozesse im Zuge der Digitalisierung vielfältiger und komplexer werden sowie die Versorger vor die Aufgabe stellen, immer mehr Software-Applikationen einzusetzen. „Damit jede dieser neuen Applikationen reibungslos in ein bestehendes IT-Gefüge integriert werden kann, haben wir die BO4E als Kommunikationsstandard entwickelt.“ Schroer schlägt die Brücke zu edna, stellt Unterschiede und Gemeinsamkeiten dar: „Im Gegensatz zur BO4E-Interessengemeinschaft legt edna sein Augenmerk nicht auf EVU-interne, sondern auf unternehmensexterne Prozesse und konzentriert sich dabei auf die Kommunikation der verschiedenen Marktakteure untereinander.“ Auf den ersten Blick hat dies, so Schroer, nicht viel mit dem BO4E-Konzept gemein. Bei näherem Hinsehen jedoch ergeben sich einige Berührungspunkte zwischen unternehmensinternen und -externen Datenflüssen. „Diese Berührungspunkte wollen wir mit edna eruieren und bei Bedarf optimieren.“

Neuzugang items: Inspiration und Mitgestaltung

Dass vor Kurzem das IT-Unternehmen items zur BO4E-Interessengemeinschaft hinzugestoßen ist, bewertet Schroer als weiteres wichtiges Signal für die Zukunft: „items repräsentiert ein agiles und interdisziplinäres Team, das etwas bewegen will. Wir sind auf einer Wellenlänge.“ Das Unternehmen ist vom BO4E-Softwarestandard überzeugt. Dazu sagt Christian Wessel, Squad Lead „Digitale Netze“ bei items: „Wir wollen unseren Kunden und anderen Geschäftspartnern zeigen, dass wir wissen, worauf es bei der fortschreitenden Digitalisierung ankommt.“ Er ergänzt: „Künftig müssen nicht mehr nur weitgehend homogene, sondern viele verschiedene Systeme und Softwareanwendungen miteinander intelligent und sicher kommunizieren. Applikationen, die der BO4E-Norm entsprechen, helfen uns dabei.“

Christian Wessel, Squad Lead „Digitale Netze“ bei der items GmbH: „Künftig müssen nicht mehr nur weitgehend homogene, sondern viele verschiedene Systeme und Softwareanwendungen miteinander intelligent und sicher kommunizieren.“

Foto: items

Agieren im bunt gemischten Kreis

Von seiner BO4E-Mitgliedschaft erwartet items vor allem Erkenntnis und Inspiration. Dazu Wessel weiter: „In einem bunt gemischten Kreis aus Beratungs-, Dienstleistungs-, Energieversorgungs- und Softwareunternehmen über neue Lösungen in der Digitalisierung zu diskutieren, wird spannend. Jedes Mitglied hat seine eigene Position und Zielvorstellung. Das ermöglicht uns den stets so wichtigen Blick über den Tellerrand.“

Im Übrigen möchten die Münsteraner aber auch eigene Impulse setzen und den BO4E-Softwarestandard aktiv mitgestalten, wie zum Beispiel in Bezug auf die Netz- und Wasserwirtschaft. „Wir verstehen uns als Innovationstreiber mit dem Ziel, in unserer Branche auch weiterhin neue Maßstäbe zu setzen“, unterstreicht Wessel, „in diesen Kontext fügen sich die BO4E hervorragend ein. Sie können für uns zur wichtigen Voraussetzung für Progression werden, sowohl im eigenen Unternehmen als auch im Markt.“

E-world: Halle 3, Stand 109

www.bo4e.de

Von Christiane Straßenburg-Volkmann

Christiane Straßenburg-Volkmann, Inhaberin sv communication + consulting