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Online-Serie erneuerbare Energien 2019, Teil 4 16.10.2020, 12:00 Uhr

Windenergie: Offshore gewinnt an Bedeutung

Die meisten Windkraftanlagen entstehen nach wie vor an Land. Doch vor allem in Europa sind Windparks auf dem Meer eine gesellschaftlich akzeptierte Alternative.

Windpark Ebersheim. Bild: juwi

Windpark Ebersheim. Bild: juwi

4 Windenergie

Welt. Ende 2019 waren weltweit rund 650 GW elektrischer Leistung an Windkraftanlagen installiert, die rund 1 290 TWh (2019) an Strom erzeugten (Bild 6). Der Großteil dieser Anlagen befindet sich auf dem Festland (Onshore); nur 4,5 % sind auf See installiert (Offshore). Im Vergleich zu 2018 bedeutet dies ein Zubau von rund 60 GW beziehungsweise ein Wachstum von 10 % der global vorhandenen Anlagenleistung. Nach dem Rekordzubau im Jahr 2015 (64 GW) haben sich die Neuinstallationen in den vergangenen Jahren auf einem ähnlichen Niveau eingependelt [1; 11].

Bild 6 Jährliche und kumulierte installierte Windkraftanlagenleistung weltweit (On- und Offshore) und in der EU (eigene Darstellung nach [1; 7; 11; 12].

  • In Asien wurde 2019 der global stärkste Ausbau der Windkraftanlagenleistung mit rund 30,6 GW realisiert. Dabei ist China seit 2008 ununterbrochen der größte Einzelmarkt. Hier wurden 2019 rund 26 GW neu installiert. Damit sind in China derzeit rund 230 GW an Windleistung installiert [11]. In Asien gewinnen aber auch die im Vergleich zu China kleineren Märkte mehr an Bedeutung; beispielsweise wurde in Indien 2019 die Windenergie mit 2,4 GW – und damit vergleichbar zum Vorjahr (2018: 2,2 GW) – ausgebaut [11].
  • In Nordamerika wurde 2019 ein Zubau von insgesamt rund 11 GW realisiert. Davon entfällt der Großteil – wie auch in den Jahren zuvor – mit 9,1 GW auf die USA; hier wurde die 100-GW-Marke mit einer insgesamt installierten Leistung von 105,6 GW überschritten. Aber auch in Mexiko (1,3 GW) und in Kanada (0,6 GW) wurde die Windnutzung weiter ausgebaut, wenn auch im Vergleich zu den USA auf einem deutlich geringeren Niveau [11; 12].
  • In Südamerika wurden insgesamt 2,3 GW an Anlagenleistung neu installiert; davon entfallen 0,9 GW auf Argentinien. Weitere Anlagen wurden hauptsächlich in Brasilien (0,7 GW) und Chile (0,5 GW) errichtet [11].
  • In Afrika gab es 2019 einen Zubau von insgesamt rund 0,9 GW; hiervon entfielen 0,3 GW auf Ägypten [11].

Die mit Abstand meisten Windkraftanlagen wurden 2019 Onshore installiert (rund 90 % der Neuanlagenleistung). Allerdings gewinnt die Offshore-Windkraftnutzung sukzessive an Bedeutung. Weltweit wurden 2019 rund 6,1 GW an Offshore-Anlagen neu errichtet (2018: 4,5 GW), sodass Ende 2019 weltweit rund 29 GW im Meer installiert waren. Davon befinden sich rund 22 GW beziehungsweise rund 76 % in den europäischen Meeren und rund 7 GW in Asien; damit ist eine Offshore-Windstromerzeugung auch weiterhin eine vorwiegend europäische Option, wobei in den vergangenen Jahren ein relativer Zuwachs der Offshore-Leistung erkennbar ist [11; 13].

Auch wenn 2019 der globale Zubaurekord von rund 67 GW aus dem Jahre 2015 nicht erreicht wurde, wird die Windkraftnutzung global weiter stark ausgebaut [1; 11]. Weltweit sind noch viele unerschlossene Standorte mit zum Teil sehr guten Windverhältnissen und gut umsetzbarer infrastruktureller Anbindung vorhanden. Auch gibt es teilweise ambitionierte nationalstaatliche Ausbauziele der Windenergie; beispielsweise plant Vietnam, bis 2025 rund 4 GW an Windkraftanlagen zu installieren (derzeit sind knapp 0,5 GW vorhanden) [11]. Im Bereich Offshore hat beispielsweise China sein selbst gesetztes Ziel von 5 GW installierter Offshore-Leistung mit 6,8 GW bereits deutlich übertroffen [11].

Ausgehend davon dürften in den kommenden Jahren durchschnittlich 60 GW/a global neu installiert werden. Der größte Zubau wird auch weiterhin in Asien stattfinden, gefolgt von Europa und Nordamerika. Dementsprechend könnte Ende 2025 eine weltweit installierte Leistung von 1 060 bis 1 130 GW vorhanden sein. Mit diesem Anlagenpark ließen sich rund 2 150 bis 2 300 TWh (2025) Windstrom erzeugen. Auf den Bereich Offshore werden dabei voraussichtlich bis zu 60 bis 80 GW an Anlagenleistung entfallen; dies könnte einer potenziellen Stromerzeugung von 150 bis 200 TWh (2025) entsprechen. Offshore-Windenergieanlagen führen somit weltweit betrachtet weiterhin eher ein Nischendasein, auch wenn ihr relativer Anteil potenziell zunehmen wird. Bis 2030 könnte unter der Annahme eines weiter progressiven Ausbaus eine weltweit installierte Windkraftleistung von 1 940 bis 2 060 GW vorhanden sein; davon wären 150 bis 200 GW an Offshore-Anlagen denkbar. Dieser Anlagenpark könnte somit potenziell 3 950 bis 4 200 TWh (2030) an Energie bereitstellen (davon 350 bis 400 TWh (2030) von Offshore-Anlagen).

EU. Ende 2019 waren in der EU 192 GW an Windkraftanlagen installiert. Sie produzierten 426 TWh (2019) Strom (355 TWh Onshore und 71 TWh Offshore) [12]. Im letzten Jahr wurden in der EU rund 12,2 GW neu installiert und 0,2 GW an Altanlagen stillgelegt. Im Vergleich zu 2018 (rund 10 GW) hat der Ausbau um 22 % zugenommen und sich auf dem Durchschnitt der vergangenen Jahre (rund 12 GW) eingependelt [12].

Der größte EU-Einzelmarkt ist Spanien mit 2,3 GW neu errichteter Leistung und einer insgesamt installierten Kapazität von 25,8 GW (das heißt ein Zuwachs von rund 10 % in 2019). Aber auch in Schweden wurden mit 1,6 GW, in Frankreich mit 1,3 GW, in Deutschland mit 1,0 GW sowie in Griechenland mit 0,7 GW nennenswerte Leistungen neu installiert [13].

Im Onshore-Windbereich gibt es EU-weit gesehen noch viele unerschlossene Standorte mit einem hohen Windenergieangebot. Jedoch wird zunehmend immer mehr auch die Nutzung der Windkraft auf See ausgebaut, da dies tendenziell gesellschaftlich eher akzeptabel ist und durch merklich sinkende Stromgestehungskosten gekennzeichnet ist. Durch die weiter fortschreitende Kostenreduktion von Offshore-Anlagen bei parallel steigenden Genehmigungsauflagen für die Erschließung neuer Onshore-Standorte (zum Beispiel für Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen) können Anlagenparks beispielsweise in der Nordsee mit naher Küstenanbindung teilweise bereits mit den Stromgestehungskosten von Windparks auf dem Festland konkurrieren.

Im Bereich Offshore nimmt – wie auch in den Vorjahren – das Vereinigte Königreich mit rund 10 GW an insgesamt installierter Leistung die Spitzenposition ein; 2019 wurden hier etwa 1,8 GW zugebaut. Darauf folgen Deutschland mit 7,4 GW (1,1 GW Zubau) und Dänemark mit 1,7 GW (0,4 GW Zubau). Zusätzlich war lediglich in Belgien ein nennenswerter Zubau im Offshore-Bereich von 0,4 GW zu verzeichnen [13].

Die durchschnittliche Anlagenleistung neu installierter Onshore-Windkraftanlagen variiert sehr stark; in Finnland beträgt die gemittelte Leistung 4,3 MW pro Turbine, wohingegen in Griechenland durchschnittlich nur 2,3-MW-Turbinen verbaut werden. Insgesamt liegt die mittlere europaweit installierte Anlagenleistung bei 3,1 MW. Demgegenüber sind im Bereich Offshore die mittleren Anlagenleistungen bei Neuinstallationen mit 7,2 MW weitaus höher. Belgien weist bei 44 installierten Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 8,4 MW hier die höchsten mittleren Leistungen auf [13].

Aktuell sind bereits Anlagen mit 9 bis 10 MW am Markt verfügbar; die derzeit weltweit leistungsstärkste Anlage hat eine installierte Leistung von 9,5 MW [14]. Diese Entwicklung wird weitergehen und die 10-MW-Grenze dürfte bald überschritten werden; derzeit wird eine 12-MW-Offshore-Anlage entwickelt und seit 2019 als Prototyp im Hafen von Rotterdam versuchsweise betrieben [13]. Neben höheren Nennleistungen der Einzelanlagen konzentrieren sich im Offshore-Bereich die Entwicklungen auf eine weitere Material- und letztliche Kostenreduzierung sowie insbesondere einen wartungsärmeren und ausfallsichereren Betrieb. Bei den Fundamenten geht der Trend nach wie vor zum Monopile, der in immer größeren Wassertiefen eingesetzt wird und nach wie vor den Markt dominiert [15]. Zusätzlich dazu laufen Forschungen im Bereich schwimmender Windkraftanlagen.

Zukünftig wird die Windkraft in der EU im On- und Offshore-Bereich weiter ausgebaut. 2019 sind finale Investitionsentscheidungen über 11,5 GW an Windkraftanlagen innerhalb der EU gefallen; davon entfallen 1,4 GW auf den Bereich Offshore. Auch wenn dies einen Rückgang von rund 25 % zum Vorjahr bedeutet, sind dies die bisher zweithöchsten Investitionsentscheidungen für Windkraft in der EU [13].

Bis Ende 2025 dürften in der EU insgesamt 270 bis 300 GW an Windleistung installiert sein (davon: etwa 35 bis 45 GW Offshore). Mit diesen Anlagen wäre eine potenzielle Stromerzeugung von 590 bis 650 TWh (2025) möglich. Auch danach wird die Windkraft weitergehend genutzt. Bis 2030 könnten potenziell rund 410 bis 445 GW an Windleistung vorhanden sein, mit der etwa 915 bis 985 TWh (2030) ins Netz eingespeist werden könnten.

M. Sc. Jerrit Hilgedieck, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH)

M. Sc. Daniel Christ, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH)

Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg (TUHH)

Dr.-Ing. Annika Magdowski, Stromnetz Hamburg GmbH

M. Sc. Niels Kirstein, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig

Gabriel Costa de Paiva, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig

M. Sc. Christopher Schmid, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig

Dr.-Ing. Volker Lenz, Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ), Leipzig

Literaturnachweise

Bisher erschienen:

Aktueller Ausbaustand der erneuerbaren Energien weltweit

Wasserkraft als Stromquelle und -speicher

Energie aus Gezeiten und Wellen

Das Online-Special wird mit den folgenden Beiträgen fortgesetzt:

Solarenergie

Geothermie

Biomasse

Zusammenfassung und Einordnung Energiesystem

Von Volker Lenz / Christopher Schmid / Gabriel Costa de Paiva / Niels Kirstein / Annika Magdowski / Martin Kaltschmitt / Daniel Christ / Jerrit Hilgedieck