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E-world energy & water 25.05.2023, 10:00 Uhr

Nadelöhr Infrastruktur

Das Plädoyer die Infrastrukturen bei der Energiewende stärker in den Fokus zu nehmen, stand im Mittelpunkt zum Auftakt der Energiemesse E-world am Dienstag 22. Mai in Essen. Rund 800 Aussteller präsentieren dort noch bis zum 25. Mai ihre Produkte und Services rund um die Energiewende.

Volle Messehallen prägten den Auftakt der diesjährigen Energiemesse E-world in Essen. Foto: E-world energy & water

Volle Messehallen prägten den Auftakt der diesjährigen Energiemesse E-world in Essen.

Foto: E-world energy & water

Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), mahnte an, beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) die nötigen leistungsfähigen Strom- und Wärmenetze und die Verknüpfung mit der kommunalen Wärmeplanung mehr zu berücksichtigen. Das GEG ist derzeit auch innerhalb der Ampelkoalition vor allem wegen eines geplanten weitgehenden Verbots für neue Öl- und Gasheizungen ab 2024 umstritten.

„Was es braucht ist eine substanzielle, eine fundamentale Verbesserung des Gesetzes. Das bedeutet im Kern, dass die Infrastrukturen mehr berücksichtigt werden“, unterstrich Andreae bei der Eröffnungspressekonferenz der E-world. Doch eine Verschiebung verbessere das Gesetz „nicht unbedingt“, betonte die BDEW-Chefin. Die kommunale Wärmeplanung sei letztendlich die Basis dafür, dass die Wärmewende vor Ort „auch gangbar, machbar organisiert wird“. Wichtig sei jetzt schnell in die Beratung einzutreten, unter Einbeziehung von Infrastrukturbetreibern. Die kommunale Wärmeplanung liege als Gesetzesentwurf vor, und auch dieser müsse jetzt in die Diskussion einbezogen werden, unterstrich Andreae.

Viermal mehr PV-Anlagen, zehnmal mehr Wärmepumpen

Eine Infrastrukturoffensive für die Energiewende forderte auch Katharina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie. „Bis 2030 erwarten wir auf dem Gebiet der Westenergie 940 000 Solaranlagen auf Gebäuden. Das ist das Vierfache dessen, was momentan angeschlossen ist“, sagte Reiche. „Bei den Wärmepumpen ist es sogar so, dass wir von 90 000 Anlagen heute auf 880 000 bis 2030 gehen werden. Wir brauchen auch einen Ausbauturbo für unsere Stromnetze“, so die Westenergie-Chefin. Hierzu müssten auch die Investitionsbedingungen durch eine Erhöhung der „historisch niedrigen“ Fremdkapitalzinssätze im Rahmen der Anreizregulierung verbessert werden.

Digitale Aussteuerung der Netzlastspitzen nötig

Zudem sei eine digitale Aussteuerung der Lastspitzen in den Netzen dringend nötig. Hiermit nahm Reiche Bezug auf den neuen § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dieser sieht eine Reduzierung der Netzentgelte für diejenigen Verbraucher vor, die mit dem Netzbetreiber eine Vereinbarung über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Ladesäulen für E-Autos abgeschlossen haben. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) kann hierfür im Rahmen des Festlegungsverfahrens bundeseinheitliche Regelungen treffen. Dies ist derzeit in Vorbereitung und es finden Anhörungen hierzu statt. Dabei gehe es nicht darum, die Freiheit einzelner E-Autobesitzerinnen und -besitzer beim Laden ihrer Pkw einzuschränken. Sondern es gehe darum, dass bei denen „die kein E-Auto haben, der Toaster noch angeht“, verdeutlichte BDEW-Chefin Andreae die Wichtigkeit entsprechender Eingriffe.

Mehr Pragmatismus auch für bestehende Gasnetze

Bei der kontrovers diskutierten Einbeziehung der bestehenden Gasnetze in die Wärmewende sprach sich Reiche für mehr Pragmatismus aus. Zwar brauche es künftig auch eigene Wasserstoffnetze und dort wo eine Elektrifizierung effizienter sei, müsse der Bestand an Gasnetzen angepasst werden. Doch gebe es auch Kommunen, wo es sinnvoll sei, die Gasverteilnetze für den Transport grüner Moleküle zu nutzen. Die Ausblendung der Bedeutung bestehender Gasverteilnetze sowie pauschale Rückbauforderungen seien jedenfalls nicht zielführend und würden den lokalen Gegebenheiten nicht gerecht.

Neubaur: Mehr Technologieoffenheit

Auch die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur(Bündnis 90/Die Grünen) mahnte eine stärkere Einbeziehung der Infrastrukturen sowie mehr Pragmatismus und Technologieoffenheit bei der Wärmewende an. „Wir selber sind in Nordrhein-Westfalen dabei, nicht alles auf eine Technologie zu setzen, sondern über eine kommunale Wärmeplanung zu gehen, aber auch die Potenziale der Tiefengeothermie aktiv mit zu ergründen. Dafür wollen wir deutlich zweistellige Millionenbeträge in die Hand nehmen, um die Vielfalt der Möglichkeiten der Wärmeversorgung in NRW auch zu sichern“, sagte sie.

Neben der stärkeren Dynamik beim Ausbau der erneuerbaren Energien brauche es auch erhebliche Investitionen in „gesicherte und perspektivisch klimaneutrale Kraftwerkskapazitäten, um den Ausstieg aus der Kohleverstromung und Kernenergie abzusichern“, so Neubaur. Eine Kraftwerksstrategie der Bundesregierung für mehr gesicherte Leistung mahnte auch Andreae an. Hierbei spiele die Kraft-Wärme-Kopplung eine zentrale Rolle.

Vielfältige Lösungen und Innovationen präsentiert

Indessen wurde zum Auftakt der E-world deutlich, dass die Lösungen für die Gestaltung der Strom-, Wärme- und Verkehrswende vielfach vorhanden sind. Sei es für die intelligente Steuerung von Ladeinfrastruktur, von Stromnetzen und Gebäuden, die Dekarbonisierung von Nah- und Fernwärmenetzen oder neue Geschäftsmodelle für der Vermarktung erneuerbaren Stroms sowie dynamischen Stromtarifen. Eine wichtige Rolle spielen auch neue Ansätze und Initiativen zur Gewinnung von Fachkräften. Noch bis zum 25. Mai 2023 zeigen rund 800 Aussteller aus 27 Ländern auf dem Messegelände in Essen ihre Innovationen und Dienstleistungen.

Von Hans-Christoph Neidlein