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Energiespeicher 28.12.2022, 09:20 Uhr

Wasserstoff speichern: Mit Rost geht es am kompaktesten

Stromspeicher sind unabdingbar für die Energiewende, weil sie wetterbedingte Lücken umweltverträglich überbrücken. Der Umweg über Wasserstoff könnte mit einem eisenbasierten Verfahren optimal sein. Die erste Anlage ging jetzt in Betrieb.

Wasserstoffspeicher auf Eisenbasis in einem Container. Foto: Ambartec / Frank Graetz

Wasserstoffspeicher auf Eisenbasis in einem Container.

Foto: Ambartec / Frank Graetz

Im sächsischen Freiberg ist jetzt eine Anlage zur Speicherung von Wasserstoff in Betrieb gegangen, die auf Eisenoxid basiert, das landläufig als Rost bekannt ist. Wasserstoff (H2) lässt sich mit überschüssigem Wind- und Solarstrom umweltverträglich herstellen. Man kann dieses leichteste aller chemischen Elemente in Druckflaschen oder bei einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt in Kryobehältern speichern, um nur die gängigsten Methoden zu nennen. Der Wasserstoff kann dann genutzt werden, um ein bei wenig Wind und Sonne schwächelndes Netz zu stabilisieren. Doch bei beiden Speichermethoden wird für die Umwandlung sehr viel Energie benötigt.

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Speichertechnik aus Dresden

Anders bei Speicherung und Transport von Wasserstoff auf Basis von Eisenoxid nach dem Hydrogen Compact Storage (HyCS) Verfahren. Das haben die beiden Dresdner Unternehmen AMBARtec AG und Umwelt- und Ingenieurtechnik GmbH entwickelt. Gemeinsam haben sie jetzt die Anlage in Freiberg gebaut und in Betrieb genommen.

Zehnmal kompakter als Lithium-Ionen-Batterien

Verglichen mit anderen Speichertechnologien lässt sich Wasserstoff und damit indirekt elektrische Energie mit dem HyCS-Verfahren deutlich kompakter speichern. Ein Liter Speichermaterial reicht für mehr als 2 kWh Wasserstoff. Das ist 2,5– bis 5-mal so viel wie in einem Druckbehälter (700/350 bar) und doppelt so viel, wie in flüssigem Wasserstoff, Metallhydriden oder ähnlichen Verfahren gespeichert werden können. Damit ist der HyCS-Speicher der kompakteste aller Energiespeicher.

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Chancen in der Elektromobilität

Über den Wasserstofftransport hinaus kann das HyCS-Verfahren in Zeiten steigender Energiepreise in Verbindung mit Photovoltaik-Anlagen und Windparks einen Beitrag dazu leisten, unabhängiger von überregionalen Strom- und Gaslieferungen zu werden. Es könnte auch die Elektromobilität vor allem von Schwerlastern, Bahnen, Schiffen und Bussen attraktiver machen. Ausgerüstet mit Brennstoffzellen und einer HyCS-Anlage könnten sie Eisenpulver „tanken“, das an Bord mit Wasserdampf behandelt wird, so dass Wasserstoff zur Stromerzeugung frei wird. Im Vergleich zu Batterien wäre die Platzeinsparung mit 90 % enorm. Ein Teil müsste allerdings für die Umwandlungsanlage „geopfert“ werden.

Enormes Potenzial

„Wenn es gelingt, die HyCS-Technologie zusammen mit einem Lkw-Hersteller markfähig zu machen, wartet ein enormer Markt auf diese Technologie“, heißt es bei den beteiligten Unternehmen. Allein in Deutschland würden jährlich über 80.000 Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 6 t zugelassen. Wenn 15 % mit alternativen Antrieben und davon wiederum jedes zweite mit Brennstoffzelle zugelassen würden, läge der Bedarf bei 5000 H2-Fahrzeugen pro Jahr, rechnen die Entwickler vor.

Zudem bietet die HyCS-Technologie ein enormes Potenzial zur Steigerung des Wirkungsgrades der Stromspeicherung im Vergleich zu bisher üblichen H2-basierten Lösungen. Durch die Integration mit Hochtemperatur-Elektrolyseuren (SOEC) und -brennstoffzellen (SOFC) sind mit über 65 % etwa doppelt so hohe Wirkungsgrade wie bei etablierten Verfahren erreichbar.

Aus Eisen wird Rost und umgekehrt

Solche Pellets aus Eisenpulver sind das Herz der Speichertechnologie für Wasserstoff.

Foto: Ambartec / Frank Graetz

Im Kern besteht die HyCS-Technologie aus der Oxidation und Reduktion von Eisen (Fe). Bei der Speicherbeladung wird Eisenoxid durch Wasserstoff reduziert, so dass reines Eisen entsteht. Der freiwerdende Wasserdampf wird direkt in den Hochtemperatur-Elektrolyseur eingespeist. Das Eisen kann ohne aufwändige Schutzmaßnahmen transportiert oder vor Ort gelagert werden. Bei der Entladung wird Wasserdampf zugeführt, der auch aus dem Abgas einer Brennstoffzelle kommen kann, die Strom fürs Netz produziert. Dadurch oxidiert das Fe zu Rost und Wasserstoff wird frei.

Auslieferung ab Mitte 2023

Speicher mit einer Kapazität von 250 kWh können bereits Mitte 2023 geliefert werden, Speicher mit 3000 kWh sind ab Ende 2023 verfügbar. Es sollen HyCS-Standardmodul im 20-Fuß-Container mit einer Speicherkapazität von 20 MWh folgen, eine für Regelenergie optimale Größe.

Von Wolfgang Kempkens