Werkzeugmaschinen-Branche hat noch große Ausbaumöglichkeiten
Bei der digitalen Transformation kann die Werkzeugmaschinen-Branche noch zulegen. Wo er noch Potenziale sieht, erklärt WGP-Präsident Michael Zäh.
WGP-Präsident Prof. Michael Zäh zu künstlichen neuronalen Netzen und generativer KI: "Jedes Unternehmen muss hier zunächst für sich identifizieren, welche Wirtschaftlichkeitspotenziale erschlossen werden können."
Foto: M. Ciupek
ingenieur.de: Herr Professor Zäh, die Werkzeugmaschinen-Branche befindet sich bereits seit einigen Jahren in einer digitalen Transformation. Wo stehen die Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich?
MICHAEL ZÄH: Bezogen auf die Werkzeugmaschinen-Branche sind wir in Sachen Digitalisierung weder anderen voraus noch hinken wir groß hinterher. Aber die Branche insgesamt hat da für meine Begriffe einfach noch zu wenig Fortschritte gemacht. Es wurden zwar CAD-Systeme und ERP-Systeme implementiert. Die nutzt die Branche auch intensiv. Aber sie hat noch große Ausbaumöglichkeiten in Richtung physikbasierter Simulationen und beim Lernen aus großen Datenmengen, die den Unternehmen inzwischen zur Verfügung stehen. Auch in der gemeinsamen Nutzung von Wissen, welches aus solchen Daten generiert werden kann, gibt es noch viel Potenzial.
Geht es Ihnen dabei um die digitale Durchgängigkeit der Prozessketten?
Das ist ein Aspekt. Die Durchgängigkeit von der Konstruktion über die Prozessplanung, die Programmgenerierung bis hin zur Qualitätskontrolle ist das eine. Am Ende geht es aber auch um die Nutzung von Daten, die im praktischen Betrieb der Werkzeugmaschinen anfallen und aufgezeichnet werden können. Die lassen Rückschlüsse auf das Verschleißverhalten der Maschine zu sowie auf das Verschleißverhalten von Komponenten und von Werkzeugen. Denken Sie an die schnelle Optimierung mit Blick auf den Werkzeugverschleiß. Aber das wird nach meiner Kenntnis in den meisten Unternehmen noch nicht ausreichend genutzt, schon gar nicht unternehmensübergreifend.
Das sind Digitalisierungskonzepte, über die große Unternehmen und auch Hochschulen schon länger sprechen. Jetzt kommt noch die künstliche Intelligenz dazu. Was verändert sich dadurch für die Werkzeugmaschinen-Branche?
Nun ist es zunächst notwendig, dass die Unternehmen erst mal vertraut gemacht werden müssen mit dem Thema KI ‒ und zwar ganzheitlich. Das geht es um Fragen wie: Was fällt überhaupt darunter? Welche verschiedenen Instrumente gibt es? Es geht um Themen wie künstliche neuronale Netze und generative KI. Jedes Unternehmen muss hier zunächst für sich identifizieren, welche Wirtschaftlichkeitspotenziale erschlossen werden können, z. B. durch kundenspezifische Lösungen.
WGP-Präsident Zäh empfiehlt zu KI: „Lassen Sie sich das Konzept erklären“
Haben Sie da konkrete Tipps für Unternehmen, wie sie auf der EMO schnell nützliche KI-Lösungen von Marketingblasen unterscheiden können?
Ja! Lassen Sie sich das Konzept erklären und testen Sie, ob Sie es selbst verstehen. Gehen Sie mit gesundem Menschenverstand dran bzw. mit Ingenieursachverstand. Suchen Sie nach solchen Lösungen. Das lohnt sich!
Viel Kompetenz finden Unternehmen bei den Ausstellern aus dem akademischen Bereich, die das mittlerweile sehr intensiv bearbeiten.
Sie vertreten als WGP-Präsident mehrere produktionstechnische Hochschulinstitute. Wie können diese den Unternehmen in Deutschland und Europa auf dem Weg zur Effizienzsteigerung durch KI helfen?
Ganz einfach, indem man sich austauscht. Die Hochschulen, die Universitäten bringen in verschiedenen Themengebieten KI- und Domänenwissen zusammen. Sie bringen Fachkompetenz speziell im Bereich Produktionstechnik zusammen und versuchen daraus neue Ansätze zu generieren, um bestimmte Probleme zu lösen. Ziel ist es z. B., Werkzeugverschleiß und Schwingungsverhalten an der Maschine in den Griff zu bekommen. Wir wollen mit KI-Unterstützung verschlissene Komponenten identifizieren und Planungsaufgaben optimieren. Den Unternehmen sollten diese Möglichkeiten bewusst sein. Das ist der erste Schritt.
So gelingt die Zusammmenarbeit mit Hochschulen
Gerade große Unternehmen nutzen die Möglichkeiten bereits. Aber wie finden kleinere Firmen einen Einstieg in die Zusammenarbeit mit Hochschulen?
Das geht besonders in Projekten der Verbundforschung, die durch verschiedene Ausschreibungen immer wieder angestoßen werden. Früher lief das über das BMBF. Jetzt heißt es BMFTR, also Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt.
Zudem empfehle ich, Interesse gegenüber den Hochschulstandorten zu signalisieren, die es im näheren Umfeld gibt. Wir haben eine unglaubliche Hochschul- und Universitätsdichte in Deutschland. Wenn man konkret angesprochen wird, empfehle ich, einfach mal in Projekten mitzuwirken, wenn man dazu eingeladen wird.
- WGP und TUM auf der EMO 2025: Halle 14, F15
Ein Beitrag von: