Bahn zieht die Notbremse: DB Cargo-Chefin Nikutta muss gehen
DB Cargo vor dem Führungswechsel: Gutachten zerlegt den Sanierungsplan, EU drängt auf Gewinne bis 2026. Was Palla jetzt liefern muss.
Sigrid Nikutta, die Chefin von DB Cargo muss gehen - hier im Juli bei der Vorstellung der ersten Güterzuglokomotive für den automatisierten Streckenbetrieb.
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Bei DB Cargo knirscht es seit Jahren. Nun kommt die Zäsur: Nach Informationen aus dem Konzernumfeld soll Sigrid Nikutta abberufen werden. Der Aufsichtsrat berät am 30. Oktober in einer Sondersitzung. Die Entscheidung wäre eine der ersten großen Personalmaßnahmen der neuen Bahnchefin Evelyn Palla – und ein Signal, dass der Konzern beim Güterverkehr das Tempo erhöht.
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Warum jetzt?
Auslöser ist ein internes Gutachten. Es zerlegt den bisherigen Sanierungskurs: Das Konzept sei „nicht objektiv geeignet, eine nachhaltige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der DB Cargo AG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sicherzustellen“. Einige Annahmen seien zu optimistisch. Kurz: So werde das nichts.
Parallel tickt die Uhr aus Brüssel. Die EU-Kommission hat milliardenschwere Hilfen für DB Cargo nur unter Auflagen genehmigt. Der Gewinn- und Verlustausgleich im DB-Konzern wird beendet. Spätestens Ende 2026 muss DB Cargo wieder schwarze Zahlen schreiben – ansonsten drohen neue Einschnitte.
Die Baustellen von DB Cargo – in kurz
- Hohe Verluste über Jahre, gedeckt vom Konzern – damit ist Schluss.
- Teurer, aber systemrelevanter Einzelwagenverkehr braucht Förderung und Effizienz.
- Marktanteile im Güterverkehr sinken, der Wettbewerb wächst.
Nikuttas Kurs: schlanker, flexibler – aber umstritten
Sigrid Nikutta setzte zuletzt auf einen harten Umbau. Weniger Personal, weniger eigene Fahrzeuge, mehr Anmietungen, weniger Werkstätten. Nach Medienberichten wäre die Belegschaft von knapp 17.000 auf rund 10.000 Stellen geschrumpft. Das ist viel Holz – und für viele im Unternehmen ein Schock.
Im Fokus stand auch der Einzelwagenverkehr. Das ist die kleinteilige Königsdisziplin des Schienengüterverkehrs: Wagen verschiedener Kunden werden gesammelt, neu sortiert und über Knoten verteilt. Das hält Logistikketten in der Fläche am Laufen – ist aber teuer. Seit Mitte 2024 gibt es dafür Bundesmittel. Doch die Fördersummen reichten bei DB Cargo nicht, um die Sparte in die Gewinnzone zu bringen.
Dass DB Cargo hier eine tragende Rolle spielt, zeigen die Zahlen: Beim Einzelwagenverkehr kommt die Bahn-Tochter laut eigenen Unterlagen auf einen sehr hohen Marktanteil. Gleichzeitig sinkt im gesamten Schienengüterverkehr der DB-Anteil – 2023 lag er bei rund 44 % Verkehrsleistung. Das Feld ist breiter geworden.
Druck von Gewerkschaft und Politik
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG forderte bereits im Oktober einen personellen Neustart. Ihre Abrechnung fällt scharf aus: „Es ist ein bitteres Ende für Nikutta, aber das Ende ist bitter notwendig“, sagt EVG-Vize Cosima Ingenschay. In einem Brief an die neue Bahnchefin heißt es: „Über 3,1 Milliarden Euro Minus seit ihrem Amtsantritt sprechen für sich.“
Aus dem Unternehmen kommen dagegen andere Töne. Aus Bahnkreisen sickerte durch, Nikutta habe das Geschäft stabilisiert und Kunden zurückgewonnen. Wörtlich: „Offensichtlich war die Veränderungsgeschwindigkeit für einige zu hoch – dabei war sie genau das, was das Unternehmen brauchte.“
Was Palla jetzt entscheiden muss
Mit Evelyn Palla hat die Deutsche Bahn seit dem 1. Oktober eine neue Vorstandsvorsitzende. Sie kommt von DB Regio und gilt als Macherin mit Fokus auf Umsetzung. Ihr Auftrag: den Sanierungsplan so nachschärfen, dass er den EU-Vorgaben genügt – und gleichzeitig Kapazität, Pünktlichkeit und Qualität für die Industrie sichert.
Dazu passt der Umbau des Vorstands. Ressorts wurden zusammengeführt, weitere Personalien stehen im Raum – unter anderem im Regionalverkehr und im Finanzressort. Auch das muss der Aufsichtsrat noch bestätigen. Die Botschaft: weniger Silos, mehr Verantwortung, klare Ziele.
Technische Stellschrauben statt großer Worte
Für die Branche zählt am Ende, was auf der Schiene ankommt: pünktliche Trassen, verlässliche Knoten, bessere Umläufe, digitalere Prozesse. Gerade beim Einzelwagenverkehr geht es um Takt und Technik. Smarte Rangierkonzepte, automatische Kupplung, mehr Daten zwischen Terminals und Leitstellen – das alles spart Minuten und damit Geld. Die Förderung hilft, aber nur, wenn sie die richtigen Hebel trifft und der Betrieb effizienter wird.
Gleichzeitig muss DB Cargo klären, welche Leistungen sie selbst erbringt und was Partner übernehmen. Das betrifft Werkstätten, Lokflotten und Services rund um die Wagen. Anmietungen machen flexibel – aber nur, wenn Verfügbarkeit und Kosten stimmen. Ein zu schneller Rückbau eigener Kapazitäten schafft Abhängigkeiten. Das ist in volatilen Märkten riskant. (mit dpa)
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