Werkstoff 25.06.2025, 17:30 Uhr

Schwefelreiches Polymer: Vielseitig einsetzbar in Umwelt und Technik

Forschende der Universität Ulm haben ein neues Polymer mit außergewöhnlichen Eigenschaften entwickelt. Das Material kann Edelmetalle zurückgewinnen, Schadstoffe abscheiden und Batterien umweltfreundlicher machen. Seine Besonderheiten sind der hohe Schwefelgehalt und die schwammartige Struktur.

Ein Bild verschiedener Batterien in Großaufnahme.

Das neue Polymer könnte Batterien umweltfreundlicher machen.

Foto: SmarterPix/Gudella

Ein Forschungsteam der Universität Ulm hat ein organisches Polymer mit sehr speziellen Fähigkeiten entwickelt. Das neue Material zeichnet sich durch einen ungewöhnlich hohen Schwefelanteil von circa 50 Prozent und eine stark zerklüftete Oberfläche aus. Dank dieser Eigenschaften kann das Polymer wertvolle Edelmetalle wie Gold oder Palladium aus Lösungen zurückgewinnen, giftige Halbmetalle abscheiden und sogar Batterien umweltfreundlicher machen. Das Projekt wurde im Rahmen des Exzellenzclusters POLiS durchgeführt. Die Besonderheiten des weißen, flockigen Materials sind das Resultat einer bislang in der Polymerchemie nicht genutzten Reaktionsklasse – der sogenannten Thioorthoester-Chemie.

Max von Delius vom Institut für Organische Chemie der Universität Ulm erläutert: „Bei der Thioorthoester-Chemie kommen Moleküle zum Einsatz, die wie ein Dreibein aus einem Kohlenstoff- und drei Schwefelatomen aufgebaut sind. Diese Zusammensetzung verleiht dem Material von Natur aus einen extrem hohen Schwefelgehalt und führt zu einer starken Vernetzung innerhalb des Polymers.“ Diese Vernetzung sorgt für eine hohe Stabilität, Wasserunlöslichkeit und eine fragmentierte Oberfläche, die an einen Naturschwamm erinnert. Während der hohe Schwefelgehalt ein angestrebtes Ziel der Forschenden war, entstand die poröse Beschaffenheit eher zufällig im Lauf der Synthese und erwies sich als glücklicher Nebeneffekt. Die große Kontaktfläche ermöglicht es den Schwefelatomen, Metallionen besonders effektiv zu binden.

Polymer als effizienter Metallfänger in Industrie und Umwelt

Das schwefelreiche Polymer ist ideal für das gezielte Abscheiden sogenannter Münzmetalle wie Palladium, Gold und Silber aus Lösungen geeignet. Besonders bei Palladium, das in der pharmazeutischen Industrie weit verbreitet und ähnlich teuer wie Gold ist, übertrifft das Material die Leistung vorhandener Metallfänger-Substanzen, sogenannter Scavenger. Diese werden etwa von Pharmafirmen eingesetzt, um Palladiumreste aus Arzneirohstoffen zu entfernen. Analysen zur Metallbindung, durchgeführt von einem Team unter der Leitung von Kerstin Leopold am Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie, ergaben für das Thioorthoester-Polymer eine maximale Palladium-Bindungskapazität von 41,2 Milligramm pro Gramm – fast doppelt so viel wie bei einem etablierten Scavenger.

Das Polymer eignet sich auch für umwelttechnische Anwendungen, etwa zur Entfernung problematischer Substanzen wie dem giftigen Halbmetall Antimon aus Schlacken von Müllverbrennungsanlagen. In Versuchen konnte das Material bis zu 2,23 Milligramm Antimon pro Gramm Polymer aufnehmen – und das mehrfach. Bis zu 83 Prozent der gebundenen Substanzen ließen sich anschließend wieder aus dem Polymer herauslösen, wobei die Leistungsfähigkeit auch nach mehreren Anwendungen nur geringfügig abnahm. „Die Fähigkeit, bestimmte Metalle selektiv zu binden, ist ein großer Vorteil“, erklärt Leopold.

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Polymer als Baustein für umweltfreundliche Batterien

Im Rahmen des Exzellenzclusters POLiS untersuchten die Forschenden das schwefelreiche Polymer auch im Hinblick auf seinen Einsatz in modernen Energiespeichern. Dabei zeigte das Material vielversprechende Eigenschaften als metallfreie Kathode in Lithium-Ionen-Batterien. „Über mehr als 1000 Lade- und Entladezyklen konnten wir eine stabile Kapazität von rund 100 mAh pro Gramm beobachten“, erläutert von Delius. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kathodenmaterialien kommt das Polymer ohne kritische Metalle aus und weist eine geringere Umweltbelastung auf. Die Ergebnisse belegen das Potenzial des Materials, zur Entwicklung umweltfreundlicher und leistungsfähiger Batterien beizutragen.

Die herausragende Qualität der Arbeit der Ulmer Forschenden wurde durch die Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition bestätigt. Nach Bestnoten in der Begutachtung wurde die Studie sogar in das neue Journal Angewandte Chemie Novit hochgestuft – als erste veröffentlichte Arbeit in diesem Format, das ausschließlich Beiträge mit außergewöhnlichem Neuigkeitswert publiziert. Diese Anerkennung unterstreicht die Bedeutung des neu entwickelten Polymers.

Patentanmeldung und geplante Weiterentwicklung mit Industriepartnern

Weil das Polymer Metalle wie Palladium und Antimon gezielt binden kann und sich außerdem als umweltfreundliches Material für Batterien eignet, haben die Forschenden dafür bereits ein Patent angemeldet. Aktuell bereitet das Team Gespräche mit möglichen Partnern aus der Industrie vor. Ziel ist es, das Verfahren so weiterzuentwickeln, dass es in verschiedenen Bereichen – etwa bei der Reinigung von Wasser, der Herstellung chemischer Produkte oder in der Energiespeicherung – künftig praktisch eingesetzt werden kann. Diese Zusammenarbeit könnte dazu beitragen, das Potenzial des Polymers in der Praxis zu nutzen und einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Entwicklung nachhaltiger Technologien zu leisten.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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