Auto wird flüsterleise: Neues Aerogel schluckt Motorgeräusche
Neues Aerogel nach Eulenvorbild senkt Motorenlärm um 58 %. Forschende entwickeln leichtes Material zur Breitband-Schalldämmung.

Eulenflügel dienen als Vorlage für ein neues Dämmmaterial: Aerogel reduziert Lärm in Autos und Industrieanlagen.
Foto: Smarterpix / EBFoto
Forschende der Tiangong-Universität in China haben ein neuartiges zweischichtiges Aerogel entwickelt, das den Fluggeräuschen von Eulen nachempfunden ist. Das Material absorbiert gleichzeitig hoch- und tieffrequente Geräusche und reduziert den Motorenlärm in Fahrzeugen um bis zu 58 %. Dank seiner Struktur und Stabilität könnte es herkömmliche Dämmstoffe in Fahrzeugbau und Industrie ersetzen.
Lautlos wie eine Eule – und was die Technik daraus lernt
Eulen sind Meister der Stille. Im Flug hören Sie fast nichts – weder ein Flattern noch ein Rauschen. Der Grund dafür liegt in ihrer besonderen Anatomie: Federn mit kammartigen Strukturen und eine weiche, poröse Haut unterdrücken selbst feinste Luftverwirbelungen. Forschende haben sich dieses Prinzip jetzt zunutze gemacht, um ein neues Material zur Schalldämmung zu entwickeln.
Ein Team der Tiangong-Universität hat ein zweischichtiges Aerogel konstruiert, das sich gezielt an den natürlichen Schalldämpfern von Eulen orientiert. Ziel war es, ein leichtes, robustes Material zu schaffen, das gleichzeitig hochfrequente wie tieffrequente Geräusche absorbieren kann – etwa in Fahrzeugen oder Produktionshallen.
Das Problem herkömmlicher Dämmstoffe
Konventionelle Dämmmaterialien stoßen bei breitem Frequenzspektrum an ihre Grenzen. Sie absorbieren entweder hohe Töne – wie das Quietschen von Bremsen – oder tiefe Frequenzen, etwa das Brummen eines Lkw-Motors. Um beides abzudecken, setzen Ingenieurinnen und Ingenieure bislang auf mehrere Schichten verschiedener Materialien. Das macht Lösungen schwer, dick und aufwendig.
Das neue Aerogel soll genau das ändern.
Zwei Schichten – ein Ziel
Der Aufbau des Materials folgt einem klaren Konzept: Die untere Schicht besteht aus einer porösen Struktur, die mithilfe sogenannter Emulsions-Templat-Freeze-Rekonstruktion erzeugt wurde. Dabei frieren Forschende Tröpfchen einer organischen Flüssigkeit – hier Hexan – in ein Gel ein. Nach dem Entfernen der Tropfen bleibt ein feines Wabenmuster zurück. Dieses ähnelt der Haut von Eulen und dämpft vor allem tiefe Töne.
Die obere Schicht besteht aus Silizium-Nanofasern. Diese bilden eine faserige Struktur, vergleichbar mit dem Aufbau von Federn. Sie absorbiert vor allem hochfrequente Geräusche. Zusammen ergibt sich ein Material, das einen deutlich größeren Frequenzbereich abdeckt als herkömmliche Lösungen.
Schallreduktion im Test
Im Test zeigte sich: Das von Eulen inspirierte Aerogel absorbiert 58 % der auftreffenden Schallwellen. Besonders relevant ist das für den Einsatz in Fahrzeugen. Ein Automotor, der normalerweise bei etwa 87,5 Dezibel liegt, wird durch das Material auf 78,6 Dezibel gedämpft. Das entspricht einer Reduktion um rund 9 Dezibel – ein Wert, der in der Wahrnehmung einer Halbierung der Lautstärke nahekommt.
Zum Vergleich: Viele der aktuell genutzten Dämmstoffe schaffen eine deutlich geringere Dämpfung – bei oft höherem Gewicht und größerem Platzbedarf.
Leicht, stabil und wiederverwendbar
Ein weiterer Vorteil: Das Aerogel ist nicht nur effektiv, sondern auch leicht und langlebig. Es übersteht mehr als 100 Kompressionszyklen mit nur 5 % Verformung. Das macht es besonders interessant für Anwendungen in Fahrzeugen, Flugzeugen oder Maschinen, wo Vibrationen und mechanische Belastungen häufig auftreten.
„Diese Studie ebnet den Weg für leistungsstarke, leichte und langlebige schallabsorbierende Materialien, die die Lärmbelästigung durch Industrieanlagen und Verkehr erheblich verringern können“, so das Forschungsteam in seiner Veröffentlichung.
Warum Lärmminderung mehr ist als Komfort
Lärmbelästigung ist nicht nur störend – sie kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Dauerhafter Lärm wird mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und Hörverlust in Verbindung gebracht. Gerade in urbanen Räumen oder in der Nähe stark befahrener Straßen kann die Lärmminderung daher einen Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten.
Einsatzmöglichkeiten weit über den Fahrzeugbau hinaus
Zwar lag der Fokus der Forschungsgruppe auf der Anwendung im Fahrzeugbereich – das Potenzial des Materials geht jedoch weit darüber hinaus. Denkbar ist der Einsatz in der Industrie, bei der Dämmung von Maschinenräumen, in Hochhäusern mit hohem Verkehrsaufkommen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Auch bei der Gestaltung lärmarmer Wohngebiete oder in der Architektur von Großraumbüros könnten entsprechende Werkstoffe künftig eine Rolle spielen.
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