E-Autos als Stromspeicher 16.11.2025, 09:30 Uhr

Bidirektionales Laden ab 2026: So wird Ihr E-Auto zum Kraftwerk

Bidirektionales Laden macht E-Autos zu Stromspeichern. Wir erklären Technik, neue Regeln ab 2026 und wie Haushalte bis zu 700 € sparen können.

E-Auto laden

Durch bidirektionales Laden lassen sich in Europa jährlich mehrere Milliarden Euro sparen.

Foto: PantherMedia / Kiyoshi Takahase Segundo

Ab 2026 ändert sich für Elektroautos in Deutschland ein zentraler Punkt: Sie dürfen Strom nicht nur aufnehmen, sondern wirtschaftlich sinnvoll auch wieder abgeben. Der Bundestag hat das Energiewirtschaftsgesetz angepasst und damit die Doppelbelastung bei Netzentgelten beendet. Damit entsteht erstmals ein Rahmen, der bidirektionales Laden für Haushalte, Unternehmen und Netzbetreibende praktikabel macht. E-Autos können künftig als flexible Speicher wirken – im eigenen Haus oder im öffentlichen Netz.

Kurz zusammengefasst

  • Ab 2026 werden E-Autos rechtlich wie andere Speicher behandelt und zahlen Netzentgelte nur noch einmal.
  • Damit wird das bidirektionale Laden wirtschaftlich interessant – für Haushalte und für das Stromsystem.
  • Studien sehen Einsparungen von bis zu 22 Mrd. € pro Jahr im europäischen Energiesystem und bis zu 700 € pro Haushalt.
  • Technische Standards, geeignete Fahrzeuge, Wallboxen und Smart Meter entscheiden, wie schnell das Ganze Realität wird.

Was sich im Energiewirtschaftsgesetz ändert

Bisher war das Prinzip einfach – und ungünstig: Strom, der aus einer Fahrzeugbatterie zurück ins Netz eingespeist wurde (Vehicle-to-Grid, V2G), galt rechtlich wie normaler Verbrauch. Für denselben Strom fielen also Netzentgelte und Abgaben mehrfach an. Wirtschaftlich war das ein Totalausfall.

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Mit der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) dreht der Bundestag diese Logik. E-Autos werden künftig regulatorisch wie Speicheranlagen behandelt. Also ähnlich wie Pumpspeicherwerke oder große stationäre Batteriespeicher. Die zahlen Netzentgelte nur einmal – beim Laden.

Der Zeitplan im Überblick:

  • Ab 1. Januar 2026: Entlastung bei den Netzentgelten – rechtlich werden E-Autos als Speicher behandelt.
  • Ab 1. April 2026: Neue MiSpeL-Prozessregeln sollen die Abwicklung von V2G vereinfachen.
  • + 6 bis 12 Monate: Netzbetreiber passen ihre IT-Systeme und Prozesse an. Größere Unternehmen schaffen das schneller, kleinere brauchen eher die volle Frist.

Kurz gesagt: 2026 startet die wirtschaftliche Grundlage, die Technik wächst dann Schritt für Schritt in den Markt.

Was heißt „bidirektional“ technisch konkret?

Im Alltag lädt Ihr E-Auto heute in der Regel nur in eine Richtung: vom Netz in den Akku. Bidirektionales Laden bedeutet, dass diese Richtung umkehrbar wird. Der Akku wird zum Puffer, der:

  • Strom aus dem Netz aufnimmt, wenn er günstig oder reichlich vorhanden ist.
  • Strom ins Netz oder ins Haus abgibt, wenn er gebraucht oder teuer ist.

Dahinter steckt vor allem Leistungselektronik:

Auch interessant:
  • Das Netz arbeitet mit Wechselstrom (AC).
  • Die Batterie im Auto arbeitet mit Gleichstrom (DC).

Für die Rückspeisung braucht es daher eine passende Technik:

  • entweder im Fahrzeug (Onboard-Wechselrichter mit Rückspeisefunktion)
  • oder in einer speziellen bidirektionalen Wallbox.

Beides muss mit dem Netzbetreiber kommunizieren können, etwa über ein Smart-Meter-Gateway. Nur so lassen sich Energiemengen korrekt messen, abrechnen und bei Bedarf auch steuern.

Man unterscheidet grob drei Varianten:

  • V2G (Vehicle-to-Grid): Strom fließt aus dem Auto ins öffentliche Netz.
  • V2H (Vehicle-to-Home): Das Auto versorgt nur den eigenen Haushalt, etwa als Puffer für PV-Strom.
  • V2B (Vehicle-to-Building): Gleicher Ansatz, aber für größere Gebäude oder Unternehmen.

Regulatorisch öffnet das EnWG vor allem die Tür für V2G. Technisch profitieren aber alle drei Varianten, weil Fahrzeuge, Wallboxen und Standards dieselbe Basis nutzen.

Lesetipp: Stephan W. Eder hat auf unserer Schwesterseite vdi-nachrichten.com einen interessanten Kommentar zum Thema bidirektionales Laden geschrieben.

Wie groß ist das Speicherpotenzial der E-Autos?

In Deutschland sind heute bereits über 1,65 Mio. E-Autos zugelassen. Selbst wenn nur ein Teil davon tatsächlich bidirektional lädt, entsteht ein erstaunliches Speicherpolster.

Berechnungen kommen auf ein Speicherpotenzial von 3,3 bis 5,0 GWh, wenn man mit einer realistischen Anschlussquote von 20 bis 30 % rechnet. Das entspricht einer flexiblen Leistung von etwa 1,0 bis 1,5 GW – also der Größenordnung eines Großkraftwerks.

Für das Stromsystem bedeutet das:

  • Mehr Spielraum, um Solar- und Windspitzen aufzunehmen.
  • Zusätzliche Optionen, um Lastspitzen am Abend abzufedern.
  • Weniger Bedarf an teuren Reservekraftwerken und stationären Großspeichern.

Die Fraunhofer-Institute ISE und ISI haben das im Auftrag des Interessenverbands Transport & Environment für Europa durchgerechnet. Ihr Ergebnis: Das europäische Energiesystem könnte durch bidirektionales Laden bis zu 22 Mrd. € pro Jahr einsparen.

„Die wirtschaftlichen Einsparungen durch eine weitverbreitete Einführung des bidirektionalen Ladens könnten erheblich sein“, betont das Fraunhofer-Institut.

Was haben Sie als Haushalt konkret davon?

Für private Haushalte wird es vor allem bei Vehicle-to-Home (V2H) spannend. Dabei nutzen Sie Ihr Auto als Hausspeicher – ähnlich wie einen stationären Batteriespeicher, nur eben auf Rädern.

Das Prinzip ist einfach:

  • Tagsüber lädt Ihr Auto günstigen oder eigenen Solarstrom.
  • Abends, wenn die Strompreise steigen, gibt der Akku Energie an Ihr Haus ab.
  • Nachts kann das Fahrzeug bei niedrigen Börsenpreisen nachladen, wenn Sie keinen eigenen Strom haben.

Die Fraunhofer-Studie sieht hier ein spürbares Sparpotenzial: bis zu 700 € pro Jahr für Haushalte, die V2H intelligent nutzen. Wer zusätzlich auch Strom ins Netz einspeist und Vergütungen erhält, kann noch mehr herausholen.

Der frühere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck formulierte es so: „E-Autos können als mobile Stromspeicher enorm zur Stabilisierung des Stromsystems beitragen. Ihre Batterien können zur Zwischenspeicherung elektrischer Energien genutzt werden und schaffen so zusätzliche Flexibilität.“

Genau diese Flexibilität wird ab 2026 erstmals vom Regulierungsrahmen unterstützt, statt ausgebremst.

Weniger Beton, mehr Bits: Einsparungen im Energiesystem

Bidirektionale E-Autos sind nicht nur ein Haushaltsgadget, sondern auch ein Baustein der europäischen Energieplanung. Wenn viele Fahrzeuge als flexible Speicher agieren, verändert sich die Investitionslogik:

  • Weniger Bedarf an großen stationären Batteriespeichern.
  • Weniger Reservekapazitäten in fossilen Kraftwerken.
  • Besser nutzbare Wind- und Solarleistung.

Die Fraunhofer-Analyse schätzt, dass Europa zwischen 2030 und 2040 bis zu 100 Mrd. € Investitionen sparen könnte, wenn die Speicherfunktion von E-Autos breit genutzt wird. Das entspräche knapp dem gesamten Jahresbudget der EU im Jahr 2023.

Zusätzlich eröffnen die Studien eine Perspektive auf die erneuerbaren Energien: Durch bidirektionales Laden könnten bis 2040 rund 430 GW zusätzliche Solar-PV-Kapazität in das System integriert werden, ohne dass das Netz aus allen Nähten platzt.

Wo hakt es noch? Technik, Standards, Politik

So klar die Potenziale sind, so deutlich sind auch die Hürden:

  1. Fahrzeuge:
    Noch unterstützen längst nicht alle E-Autos bidirektionales Laden. Die Studie empfiehlt, dass ab 2025 alle neuen Modelle technisch dafür vorbereitet sein sollten.
  2. Wallboxen und Infrastruktur:
    Bidirektionale Wallboxen sind komplexer als einfache AC-Lader. Sie brauchen passende Leistungselektronik und sichere Kommunikation mit Netzbetreibenden.
  3. Standards:
    Ohne einheitliche Protokolle und technische Regeln besteht die Gefahr von Insellösungen. Interoperabilität ist entscheidend, damit Fahrzeuge verschiedener Hersteller an unterschiedlichen Ladesystemen zuverlässig funktionieren.
  4. Smart Meter und Abrechnung:
    Ohne flächendeckende, moderne Messtechnik bleibt V2G ein Nischenprodukt. Nur mit digitalen Zählern lassen sich variable Tarife und dynamische Vergütungen sinnvoll abbilden.

Die Fraunhofer-Studie fordert deshalb klare politische Leitplanken. Die EU solle gesetzlich festlegen, dass neue Elektrofahrzeuge bidirektionales Laden unterstützen. Außerdem brauche es Förderprogramme für private und öffentliche Ladepunkte.

(mit dpa)

Hier geht es zur Fraunhofer-Studie

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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