Wie ein seltenes Kinderleiden mit Parkinson und Demenz verbunden ist
Forschende aus London, Köln und vom Max-Planck-Institut für Biologisches Altern haben entdeckt, dass ein Fehler im Gen EPG5, das das seltene Vici-Syndrom auslöst, auch bei häufigeren Krankheiten wie Parkinson und Demenz eine Rolle spielt.
Fehler im Gen EPG5 stören die „Müllabfuhr“ der Zellen – was bei Kindern zum seltenen Vici-Syndrom führt, kann im späteren Leben Parkinson und Demenz begünstigen.
Foto: Smarterpix/NongEngEng
Ein seltener Gendefekt bei Kindern könnte entscheidende Hinweise auf zwei der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen liefern: Demenz und Parkinson. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des King’s College London, des University College London, der Universität zu Köln und des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alters haben in einer Studie bewiesen, dass Fehler im Gen EPG5 nicht nur das seltene Vici-Syndrom auslösen, sondern auch mit Veränderungen im Gehirn verknüpft sind, die im späteren Verlauf des Lebens zu Parkinson führen können.
Fehlerhafte Zellreinigung
Das Gen EPG5 ist in den Zellen verantwortlich für die sogenannte Autophagie. Dabei handelt es sich um einen lebenswichtigen Vorgang, bei dem Zellen beschädigte oder überflüssige Bestandteile recyceln oder entsorgen. Das von EPG5 gebildete Protein ist an der letzten Stufe dieses Prozesses beteiligt: Es bindet die zu entsorgenden Teile an die Abfallentsorgungseinheit der Zelle, damit sie entfernt werden können. Versagt dieser Mechanismus, häufen sich die fehlerhaften Proteine an und schädigen die Zellen – ein Prozess, der auch bei Parkinson und Demenz beobachtet wird.
Im Rahmen der Studie wurden klinische und genetische Daten von 211 Menschen weltweit analysiert, bei denen seltene Fehler im EPG5-Gen vorliegen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen dieser genetischen Störungen viel breiter sind als bisher angenommen. Manche Betroffene erkrankten bereits vor oder kurz nach der Geburt schwer – andere zeigten nur milde Entwicklungsverzögerungen, etwa beim Sprechen oder Lernen.
Parkinson im Kindesalter?!
Einige der untersuchten Personen wiesen bereits im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter Symptome auf, die normalerweise erst im hohen Alter aufkommen – beispielsweise der Zusammenbruch von Nervenzellen, der zu Parkinson oder Demenz führt. In einigen Gehirnscans wurde außerdem eine übermäßige Ablagerung von Eisen gefunden, ein Merkmal, welches auch bei anderen neurologischen Entwicklungsstörungen vorkommt.
Neue Erkenntnisse zu Parkinson
Um die biologischen Grundlagen dieser Zusammenhänge nachvollziehen zu können, führten die Forschenden Experimente mit Zellen der Patienten sowie von Modellorganismen wie Mäusen und dem Fadenwurm C. elegans durch. Sie führten gezielt Fehler im EPG5-Gen ein: Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass die Fähigkeit der Zellen, beschädigte Bestandteile zu entfernen, massiv eingeschränkt war. So entstand eine Ansammlung von Proteinen, die eng mit der Entstehung von Parkinson in Verbindung stehen.
Seltene Krankheiten als Schlüssel zu häufigen
Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass das Vici-Syndrom und neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Demenz über gemeinsame zelluläre Mechanismen miteinander verbunden sind. Das bedeutet: Dieselben Prozesse, die im Kindesalter zu schweren Entwicklungsstörungen führen, können im späteren Leben die Grundlage für altersbedingte Krankheiten bilden.
Für die Medizin ist das mehr als nur ein Detail im genetischen Puzzle. Die Erforschung seltener Krankheiten liefert oft entscheidende Erkenntnisse über grundlegende biologische Mechanismen, die bei weit verbreiteten Erkrankungen eine Rolle spielen. Indem Forschende verstehen, wie der Ausfall eines einzelnen Gens die Zellreinigung stört, könnten langfristig neue Therapieansätze entstehen – sowohl für Kinder mit dem Vici-Syndrom als auch für Millionen Menschen mit Parkinson oder Demenz.
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