Studie: Hohe PFAS-Belastung macht anfälliger für Corona
Menschen, die mit bestimmten Chemikalien belastet sind, sind auch anfälliger für eine Corona-Infektion. Das haben Forschende aus Potsdam jetzt herausgefunden.

Erschreckend: Wer am Arbeitsplatz Chemikalien der Gruppe PFAS ausgesetzt ist, dessen Immunsystem könnte schwächer auf eine Impfung gegen Corona reagieren. Das fanden Forschende aus Potsdam jetzt heraus.
Foto: PantherMedia / angellodeco
Für viele Produkte sind sie ein Segen, weil sie chemische Eigenschaften aufweisen, die in bestimmten technischen Anwendungen gewünscht sind. Sie sind schwer entflammbar, abriebfest, wasser- oder fett abweisend und sehr beständig. Doch die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) heißen nicht umsonst Ewigkeitschemikalien. Denn sie reichern sich in der Umwelt an und sind nur schwer abbaubar. Schlimmer noch, sie lagern sich im menschlichen Körper ein und können die Gesundheit schwer beeinträchtigen.
Das zeigt jetzt auch eine neue Studie des Umweltforschungszentrums (UFZ) in Potsdam. Demnach schwächt eine hohe PFAS-Exposition das Immunsystem der Betroffenen bei einem Kontakt mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Das kann zur Folge haben, dass sie weniger gut auf eine entsprechende Impfung ansprechen, so die Vermutung der Forschenden. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit dem Norwegian Institute of Public Health in Oslo entstanden, haben sie im Fachblatt Environment International veröffentlicht.
PFAS sind selbst nicht giftig, aber sie schwächen den Körper – vor allem von Kindern und Kranken
„PFAS sind nicht akut toxisch. Doch da wir ihnen nahezu überall in unserer Umwelt begegnen und uns ihnen kaum entziehen können, haben wir es quasi mit einer chronischen Exposition zu tun. Und die ist insbesondere für vulnerable Gruppen wie Schwangere, kleine Kinder oder chronisch Kranke problematisch“, sagt Ana Zenclussen, Leiterin des Departments Umweltimmunologie am UFZ. Dass sie das Immunsystem beeinflussen, das ist von PFAS schon länger bekannt.
Mit ihrer aktuellen Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob und wie sich PFAS auf die zweite Achse des Immunsystems, die sogenannte zelluläre Immunantwort, auswirken. Denn die ist bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besonders wichtig, um vor einem schweren Verlauf zu schützen. „Und anders als das bei anderen Viren der Fall ist, sagt ein hoher Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2 im Blut nicht unbedingt etwas darüber aus, ob auch die Entwicklung der zellulären Immunantwort adäquat war“, erklärt Ana Zenclussen. „Daher schließen wir mit unserer Studie hier eine wichtige Lücke.“
Das Immunsystem von Männern reagiert anders als das von Frauen
Das Potsdamer Team untersuchte Blutproben von Frauen und Männern, die sich mehrfach gegen SARS-CoV-2 hatten impfen lassen und bereits eine Corona-Infektion durchgemacht hatten. Die Forschenden entnahmen die in den Blutproben enthaltenen Immunzellen und züchteten sie im Labor, wo sie zudem für 24 Stunden einer PFAS-Belastung ausgesetzt wurden. „Dafür haben wir eine spezielle Mischung verwendet, die die PFAS-Exposition der europäischen Bevölkerung realitätsnah abbildet“, erklärt Ana Zenclussen.
Danach wurde den Immunzellen Bestandteile des Coronavirus SARS-CoV-2 zugefügt. Eine detaillierte Immunanalyse ergab, dass in den mit PFAS belasteten Proben zwei Immunzelltypen vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe ausschütteten. „Das deutet auf eine überschießende Immunreaktion hin“, erklärt Ana Zenclussen. „Interessant ist, dass dieser Effekt insbesondere bei den Immunzellen der männlichen Studienteilnehmenden zu sehen war.“ Bei den Proben der weiblichen Studienteilnehmenden zeigte sich ein anderes Bild. Hier waren nach erhöhter PFAS-Exposition im Verhältnis weniger B-Zellen vorhanden. B-Zellen sind Immunzellen, die für die Entwicklung von Antikörpern und die Ausbildung einer langfristigen Immunität entscheidend sind. „Dass eine hohe PFAS-Belastung das Immunsystem je nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst, ist ein wichtiger Hinweis, dem in weiterführenden Studien weiter nachgegangen werden sollte“, sagt Zenclussen.
Wundheilung und Immunantwort nach PFAS-Belastung verzögert
Bei beiden Geschlechtern war die Bildung von für die Immunantwort wichtigen Botenstoffen, die für das Anlocken weiterer Immunzellen oder die Wundheilung wichtig sind, insgesamt herunterreguliert. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Exposition mit hohen PFAS-Konzentrationen die Immunantwort auf SARS-CoV-2 durchaus verändert und womöglich in ihrer Effektivität reduziert“, sagt Ana Zenclussen. „Das könnte bedeuten, dass Menschen mit hoher PFAS-Belastung möglicherweise ein höheres Risiko für einen schlechten Krankheitsverlauf haben oder auch weniger gut auf Impfungen ansprechen. Mit angepassten und individualisierten Impfstrategien könnte dem aber entgegengewirkt werden.“
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